Bundesfamilienministerin Lisa Paus und Bundesjustizminister Marco Buschmann haben den gemeinsamen Referentenentwurf für das geplante Selbstbestimmungsgesetz vorgelegt und heute die Verbändeanhörung gestartet. Das Selbstbestimmungsgesetz soll es transgeschlechtlichen, intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Menschen ermöglichen, ihren korrekten Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch eine Erklärung beim Standesamt zu erhalten - ohne psychiatrische Gutachten und langwierige Gerichtsverfahren.
Der Parlamentarische Staatsekretär bei der Bundesgleichstellungsministerin und Queer-Beauftragter der Bundesregierung, Sven Lehmann, betonte, wie wichtig dieser Schritt ist.
Sven Lehmann: "Über 40 Jahre diskriminierendes Transsexuellengesetz (TSG) werden bald ein Ende haben. Mit dem Gesetzentwurf kommen wir dem Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einen großen Schritt näher, das TSG abzuschaffen und durch ein Selbstbestimmungsgesetz zu ersetzen. Der Gesetzentwurf ist ein Meilenstein, weil eine Bundesregierung erstmals überhaupt die Initiative ergreift und sich nicht von Gerichten dazu zwingen lässt. An einigen Stellen muss der Entwurf aber verbessert werden. Eine Wartezeit von drei Monaten ist zu lang und sollte verkürzt werden. Wie das TSG sieht der Entwurf auch noch zu viele Ausnahmen im Offenbarungsverbot vor, etwa für ehemalige Partnerinnen und Partner. Zudem ist der Verweis auf die Gültigkeit des Hausrechts im Gesetz unnötig, zumal in der Begründung ausgeführt wird, dass sich an den Regeln zum Hausrecht und seiner Begrenzung etwa durch den Diskriminierungsschutz aufgrund des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nichts ändert. Der Verweis auf das Hausrecht im Gesetz löst bei den Betroffenen massive Ängste vor neuen Ausschlüssen aus, gerade angesichts transfeindlicher Entwicklungen überall auf der Welt. Wenn Teile des Gesetzentwurfs Angst bei denen auslöst, die er schützen soll, dann müssen sie verändert werden.
Ich freue mich auf die Stellungnahmen der Fachverbände und werde als Queer-Beauftragter eine eigene Stellungnahme im Rahmen der Ressortabstimmung vorlegen. 2023 muss das Jahr werden, in dem wir das Selbstbestimmungsgesetz endlich beschließen."
Grundrecht auf ein diskriminierungsfreies Leben
Kern des Gesetzes ist die Abschaffung der psychiatrischen Zwangsbegutachtung. Jeder Mensch hat das Recht auf Anerkennung seiner Persönlichkeit und Respekt. Das will die Bundesregierung auch für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen umsetzen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und die Nichtdiskriminierung gehören zu den von unserem Grundgesetz garantierten Rechten. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrmals geurteilt, dass das TSG diese Grundrechte verletzt und in großen Teilen verfassungswidrig ist.
Sven Lehmann: "Ohne die richtigen persönlichen Dokumente ist der Alltag für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen ein Spießrutenlauf. Überall werden sie gegen ihren Willen geoutet, ob sie ein Paket abholen wollen, mit ihrer EC-Karte bezahlen, Verträge unterzeichnen, eine Wohnung mieten, in den Urlaub fliegen oder sich bewerben wollen. Das Selbstbestimmungsgesetz beendet demütigende Zwangsbegutachtungen und staatliche Bevormundung."
Was sich mit dem Selbstbestimmungsgesetz ändert
Das bestehende Transsexuellengesetz (TSG) verletzt seit über 40 Jahren die Rechte und die Würde von Menschen. Bereits sechs Mal seit Inkrafttreten des Gesetzes 1981 hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Vorschriften für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgetragen, dieses Gesetz zu reformieren. Intergeschlechtliche Personen können den Personenstand bisher nur ändern, wenn sie mit einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen, dass sie eine "körperliche Variante der Geschlechtsmerkmale" haben.
Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen mit dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz die Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Geschlechtseintrag erhalten. Zukünftig soll eine Änderung des Geschlechtseintrages und des Vornamens durch eine Erklärung vor dem Standesamt möglich sein. Die Vorlage ärztlicher Atteste oder von psychiatrischen Gutachten und ein Gerichtsverfahren sollen nach dem Selbstbestimmungsgesetz nicht länger erforderlich sein.