Am 27. September hat das Bundeskabinett den von Bundesfamilienministerin Lisa Paus vorgelegten Gesetzentwurf zur Einführung einer Kindergrundsicherung beschlossen. Der Gesetzentwurf sieht vor, bisherige finanzielle Förderungen, wie das Kindergeld, die Leistungen für Kinder und Jugendliche im Bürgergeld und der Sozialhilfe, den Kinderzuschlag und Teile des Bildungs- und Teilhabepaketes durch die neue Leistung Kindergrundsicherung zu ersetzen.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus: "Nach Jahrzehnten der politischen Diskussion hat diese Bundesregierung eine Antwort auf Kinderarmut in Deutschland gefunden, denn mit der Kindergrundsicherung knüpfen wir ein wirksames Sicherheitsnetz für alle Kinder und ihre Familien. Kinder und Jugendliche sollen vor Armut geschützt und ihnen soll ein sorgenfreies Aufwachsen und bessere Chancen für den Start ins Leben ermöglicht werden. Verdeckte Armut in Deutschland reduzieren wir, indem mehr Familien und Kinder mit Unterstützungsbedarf erreicht werden als bisher. Es wird zukünftig endlich bessere, schnellere und direktere Leistungen für alle Familien geben!
Diese Bundesregierung unterstützt Familien in der Breite und damit auch die Mitte der Gesellschaft. Schon dieses Jahr haben Familien mit der größten Kindergelderhöhung seit Mitte der 90er Jahre rund 750 Euro mehr pro Jahr für die ersten beiden Kinder in der Tasche. Zukünftig wird mit der Kindergrundsicherung das Kindergeld, das dann Kindergarantiebetrag heißen wird, für alle Kinder auch automatisch an die Preisentwicklung angepasst. Das ist ein großer Fortschritt gegenüber dem Status Quo.
Den Kinderzusatzbetrag der Kindergrundsicherung werden insgesamt rund 5,6 Millionen Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Anspruch nehmen können - darunter auch die 1,9 Millionen Kinder, die aktuell Bürgergeld beziehen. Ebenso werden auch Kinder aus Familien mit geringen Einkommen, die hart arbeiten, den Kinderzusatzbetrag erhalten. Dabei achtet die Bundesregierung darauf, dass ausreichend Erwerbsanreize gegeben sind.
Schließlich werden Familien künftig direkt vom Familienservice über mögliche Ansprüche informiert und die Berechnung und Auszahlung der Leistungen werden einfacher. Damit schafft die Kindergrundsicherung einen Systemwechsel - weg von der Holschuld von Bürgerinnen und Bürgern hin zu einer Bringschuld des Staates."
Die zentralen Inhalte des Gesetzentwurfs
- Die Kindergrundsicherung wird aus einem einkommensunabhängigen Kindergarantiebetrag für alle Kinder und Jugendlichen, der dem heutigen Kindergeld entspricht, einem einkommensabhängigen und altersgestaffelten Kinderzusatzbetrag, sowie den Leistungen für Bildung und Teilhabe bestehen. Diese drei Komponenten zusammen tragen dazu bei, das Existenzminimum eines Kindes zu sichern.
- Der Kinderzusatzbetrag setzt sich aus dem altersgestaffelten Regelbedarf des Kindes sowie einem Betrag für Unterkunft und Heizung auf Grundlage des jeweils maßgeblichen Existenzminimumberichts der Bundesregierung zusammen, soweit diese Leistungen nicht durch den Kindergarantiebetrag abgedeckt sind.
- Zusätzlich zum Kinderzusatzbetrag wird das Schulbedarfspaket, das Bestandteil der Leistungen für Bildung und Teilhabe ist und derzeit 174 Euro jährlich beträgt, automatisch mit dem Antrag auf Kinderzusatzbetrag mitbeantragt und ausgezahlt. Der Teilhabebetrag von 15 Euro monatlich wird unbürokratischer und als Bundesleistung ausgestaltet. Darüber hinaus wird in den kommenden Jahren bis spätestens 2029 ein eigenes digitales Kinderchancenportal aufgebaut.
- Mit der Anpassung des Existenzminimums von Kindern kommt es nach bisherigen Schätzungen für die unteren Altersgruppen (Regelbedarfsstufen 5 und 6) zu Regelsatzerhöhungen um bis zu 28 Euro. Mit der Einführung der Kindergrundsicherung entfällt der bis dahin zu gewährende Sofortzuschlag im Bundeskindergeldgesetz, SGB II, SGB XII und Asylbewerberleistungsgesetz.
- Die Schnittstellen der Kindergrundsicherung zu bestehenden Leistungen werden möglichst friktionsarm ausgestaltet. Etwa 5,6 Millionen Kinder und Jugendliche - davon 2,9 Millionen arme und armutsbedrohte Kinder darunter auch die 1,9 Millionen Kinder, die aktuell Bürgergeld beziehen - haben zukünftig einen Anspruch auf den Kinderzusatzbetrag der Kindergrundsicherung. Bürgergeld kann bei individuellen erhöhten Bedarfen oder starken Einkommensschwankungen im Bewilligungszeitraum ergänzend bezogen werden. Wohngeld kann grundsätzlich (wie bisher beim Kinderzuschlag) neben dem Kinderzusatzbetrag der Kindergrundsicherung bezogen werden. Leistungen zur Ausbildungsförderung sind vorrangig zum Kinderzusatzbetrag der Kindergrundsicherung in Anspruch zu nehmen.
- Die Anpassung des Kindergarantiebetrags erfolgt zukünftig für alle 18 Millionen leistungsberechtigten Kinder auf gesetzlicher Grundlage entsprechend der Freibeträge der Kinder.
- Außerdem wird mit der Kindergrundsicherung die Rechtsposition der jungen Erwachsenen gestärkt: Für Volljährige soll es zukünftig einen eigenen Auszahlungsanspruch für den neuen Kindergarantiebetrag geben.
- Die Kindergrundsicherung verbessert die Situation von Alleinerziehenden, indem die Anrechnung von Unterhaltseinkommen von Kindern in Höhe von 45 Prozent grundsätzlich eingeführt wird. Ab Vollendung des siebten Lebensjahres des Kindes ist für den Bezug des Unterhaltsvorschusses einschließlich der verminderten Anrechnung (nicht aber bei privaten Unterhaltsleistungen) ein Mindesteinkommen von 600 Euro nötig. Bei höheren privaten Unterhaltszahlungen greifen höhere Anrechnungsquoten (gestaffelt nach Höhe des Unterhaltseinkommens zwischen 45 und 75 Prozent).
- Durch verschiedene Maßnahmen soll die Kindergrundsicherung unbürokratisch und bürgernah ausgestaltet und insbesondere auf einem digitalen und einfachen Antragsverfahren aufgebaut werden. Beantragungszeiten sollen dadurch deutlich reduziert werden. Damit wird sich auch die Inanspruchnahme der Leistung schrittweise erhöhen.
- Insbesondere sollen mittels eines sogenannten "Kindergrundsicherungs-Checks" Daten, die in Behörden bereits in elektronischer Form vorliegen, für die Vorprüfung des Anspruchs auf den Kinderzusatzbetrag verwendet werden und potentielle Anspruchsberechtigte zur Beantragung der Leistung angesprochen werden. Dies soll ebenfalls zu einer Steigerung der Inanspruchnahme beitragen. Der Staat wird somit zum Dienstleister und aus der Holschuld der Bürgerinnen und Bürger wird eine Bringschuld des Staates den Bürgerinnen und Bürger gegenüber.