Am 15. November hat der Bundestag in erster Lesung über den Entwurf eines Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG) beraten. Trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen künftig die Möglichkeit haben, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen im Personenstandsregister durch eine einfache Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen.
Das Bundesgleichstellungsministerium und das Bundesjustizministerium hatten den Gesetzentwurf gemeinsam erarbeitet. Er wurde am 23. August vom Bundeskabinett verabschiedet.
Lisa Paus: "Mit dem Selbstbestimmungsgesetz regeln wir die geschlechtliche Selbstbestimmung so, wie es einem freiheitlichen Rechtsstaat gebührt, in dessen Kern die Würde des Menschen steht. Teile des alten Transsexuellengesetzes wurden vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt.
Die selbstbestimmte Entscheidung über die eigene geschlechtliche Identität ist Kern des Gesetzentwurfs der Bundesregierung. Schließlich ist diese selbstbestimmte Entscheidung ein Menschenrecht.
Kein Mensch sollte langwierige Gerichtsverfahren und psychiatrische Gutachten über sich ergehen lassen müssen, nur um seinen Personenstand im Pass ändern zu können. Daher wird künftig eine Erklärung vor dem Standesamt ausreichen. Das ist auch Ausdruck unserer freiheitlichen Gesellschaft, in der wir leben."
Jeder Mensch soll sich frei entfalten können
Das Grundgesetz garantiert jedem Menschen in Deutschland die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, die Achtung der Privatsphäre und die Nichtdiskriminierung. Mit dem Selbstbestimmungsgesetz sollen diese Rechte auch für trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen gesichert werden. Das neue Gesetz soll damit das Transsexuellengesetz (TSG) aus dem Jahr 1980 ablösen. Denn das TSG gilt als entwürdigend, überholt und wurde vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Teilen bereits für verfassungswidrig erklärt. Das Selbstbestimmungsgesetz enthält ausdrücklich keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen.
Das sind die wichtigsten Änderungen:
- Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen durch "Erklärung mit Eigenversicherung": Trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen künftig kein gerichtliches Verfahren mehr durchlaufen müssen, um ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen im Personenstandsregister ändern zu lassen. Auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens soll nicht mehr Voraussetzung für eine Änderung sein. Vielmehr soll eine sogenannte "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt ausreichen. In dieser Erklärung muss die antragstellende Person versichern, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und sie sich der Tragweite der mit der Erklärung verbundenen Folgen bewusst ist.
- Drei-Monats-Frist für vorherige Anmeldung: Die Änderung des Geschlechtseintrages und der Vornamen muss drei Monate vor der Erklärung beim Standesamt angemeldet werden.
- Einjährige Sperrfrist für erneute Änderung: Für eine erneute Änderung soll eine Sperrfrist von einem Jahr nach der vorherigen Änderungserklärung gelten.
- Für Minderjährige sollen folgende Regelungen gelten:
- Für Minderjährige bis 14 Jahre sollen die Sorgeberechtigten die Änderungserklärung abgeben können; die Minderjährigen selbst sollen sie nicht abgeben können.
- Minderjährige ab 14 Jahre sollen die Änderungserklärung selbst abgeben können. Deren Wirksamkeit soll allerdings die Zustimmung der Sorgeberechtigten voraussetzen. Diese Zustimmung soll durch das Familiengericht ersetzt werden können. Maßstab soll - wie im Familienrecht allgemein - das Kindeswohl sein.
- Eintragung als "Elternteil" in der Geburtsurkunde: Eltern sollen die Möglichkeit haben, in der Geburtsurkunde ihrer Kinder "Elternteil" anstelle von "Vater" oder "Mutter" eintragen zu lassen.
- Offenbarungsverbot: Um Personen vor einem Zwangsouting zu schützen, soll es - ähnlich wie im geltenden Recht - weiterhin verboten sein, frühere Geschlechtseinträge oder Vornamen auszuforschen und zu offenbaren. Wird eine betroffene Person durch die Offenbarung absichtlich geschädigt, soll der Verstoß bußgeldbewehrt sein. Ein generelles Verbot des sogenannten "Misgenderns" oder "Deadnamings" ist im Entwurf des Selbstbestimmungsgesetzes nicht geregelt.
- Es wurden jedoch auch Ausnahmen vom Offenbarungsverbot geregelt. So ist sichergestellt, dass sich niemand durch die Änderung des Geschlechtseintrages und des Vornamens der Strafverfolgung entziehen kann.
- Hausrecht und Zugang zu geschützten Räumlichkeiten: Das Selbstbestimmungsgesetz lässt das private Hausrecht und die Vertragsfreiheit unberührt. Dies wird im Gesetzestext klargestellt. Regelungen wie etwa das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bleiben vom Selbstbestimmungsgesetz unberührt. Für den Zugang zu geschützten Räumen wird sich durch das Selbstbestimmungsgesetz also nichts ändern. Was heute im Rechtsverkehr zulässig ist, wird auch künftig zulässig sein, was heute verboten ist, wird verboten bleiben. Auch die Autonomie des Sports soll durch das Gesetz nicht angetastet werden.