Jahresbericht von jugendschutz.net Gefährdungen von jungen Menschen im Netz nehmen zu

Ein Junge sitzt auf dem Bett und chattet auf seinem Handy
Der Jahresbericht von jugendschutz.net zeigt, dass die Verstöße gegen Jugendschutzbestimmungen im Internet steigen © Graham Oliver/iStock

Nagellackentferner auf der Haut anzünden, auf fahrende Züge klettern, an einer Steckdose einen Kurzschluss erzeugen: Kinder und Jugendliche werden im Netz immer häufiger zu hochgefährlichen Mutproben animiert. Zu diesem Ergebnis kommt der am 4. Juni veröffentlichte Jahresbericht von jugendschutz.net, dem gemeinsamen Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Jugendschutz im Internet. Bei seinen Recherchen hat jugendschutz.net auch festgestellt, dass beliebte Dienste der Sozialen Medien zu wenig Vorsorge betreiben, um Kinder und Jugendliche optimal vor Gefahren zu schützen.

Bundesjugendministerien Dr. Franziska Giffey:

"Selbstgefährdungswettbewerbe, Mobbing oder sexuelle Anmache sind kein Spaß. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass Kinder im Netz immer öfter mit Inhalten konfrontiert werden, die ihnen Angst machen oder sie verstören. Sie haben das Recht, gut aufzuwachsen und sich ohne Angst zu bewegen - offline wie online.

Dafür müssen wir den Schutz und die Persönlichkeitsrechte von Kindern und Jugendlichen im Netz stärker in den Fokus rücken und die Anbieter verpflichten, sie besser zu schützen. Die notwendige Technik ist da, aber unser Jugendschutz ist noch nicht so weit. Er braucht ein Update für das 21. Jahrhundert. Genau das will ich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf für einen modernen Jugendmedienschutz liefern. Wir verpflichten damit Anbieter zu altersgerechten Angeboten, wirksamen Schutzkonzepten, effektiven Melde- und Beschwerdeverfahren und Alterskennzeichnungen, die Eltern und Fachkräften mehr Orientierung bieten."

Das Gesetz soll voraussichtlich im Herbst nach dem Notifizierungsverfahren der EU-Kommission im Kabinett beschlossen werden.

Stefan Glaser, Leiter von jugendschutz.net:

"Gefährliche Online-Challenges verbreiten sich in Social Media rasend schnell und finden durch den Mitmachdruck schnell Nachahmer. Wir beobachten, dass bei den Mutproben immer höhere Risiken eingegangen werden. Aus Spaß kann dann ganz schnell eine lebensbedrohliche Situation entstehen."

Jahresbericht 2019: Viele Verstoßfälle in Sozialen Medien

2019 registrierte jugendschutz.net insgesamt 6950 Verstoßfälle (2018: 6575). 4164 beziehen sich auf beliebte und hoch frequentierte Social-Media-Dienste, davon 20 Prozent auf Instagram, 19 Prozent auf YouTube, 18 Prozent auf Facebook und 13 Prozent auf Twitter. Zwei Dienste haben erheblich an Relevanz gewonnen: Beim Bildernetzwerk Pinterest wurden neunmal so viele Verstöße registriert wie im Vorjahr (Anstieg von 46 auf 413), beim Videodienst TikTok fünfmal so viele (Anstieg von 38 auf 192).

Die größten Zuwächse an Fällen gegenüber dem Vorjahr verzeichnete jugendschutz.net in den Bereichen Selbstgefährdung und Gewaltdarstellung. Bei den Selbstgefährdungen stieg die Fahlzahl von 478 auf 846 (plus 77 Prozent), bei den Gewaltdarstellungen von 364 auf 627 Fälle (plus 72 Prozent): Den größten Anteil der Verstoßfälle nahmen auch 2019 Darstellungen sexualisierter Gewalt mit 37 Prozent ein (2553 Fälle). Knapp ein Viertel (1606 Fälle) bezog sich thematisch auf politischen Extremismus.

jugendschutz.net

jugendschutz.net ist das gemeinsame Kompetenzzentrum von Bund und Ländern für den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Internet. Die Jugendministerien haben jugendschutz.net 1997 gegründet. Die Stelle ist seit 2003 an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) angebunden und recherchiert Gefahren und Risiken in jugendaffinen Diensten.

Sie fordert Anbieter und Betreiber auf, ihre Angebote so zu gestalten, dass Kinder und Jugendliche sie unbeschwert nutzen können. Finanziert wird jugendschutz.net von den Obersten Landesjugendbehörden, den Landesmedienanstalten und dem Bundesjugendministerium.

jugendschutz.net nimmt über seine Online-Beschwerdestelle Hinweise auf Verstöße gegen den Jugendmedienschutz entgegen. Verstöße im Netz können gemeldet werden unter: www.jugendschutz.net/hotline

jugendschutz.net wird im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ vom Bundesjugendministerium gefördert.