Die Zahl von Mord und Totschlag, Sexualdelikten, Körperverletzungen oder Stalking ist in (Ex-) Paarbeziehungen im Jahr 2019 auf hohem Niveau geblieben. Die neuen Zahlen der Kriminalstatistischen Auswertung Partnerschaftsgewalt des Bundeskriminalamtes (BKA) zeigen insgesamt sogar einen leichten Anstieg. 2019 wurden 141.792 Opfer von Partnerschaftsgewalt in den definierten Kategorien polizeilich erfasst, knapp ein Prozent mehr als im Jahr zuvor. Zu 81 Prozent waren Frauen betroffen und zu 19 Prozent Männer. Die Hälfte der Opfer lebte zum Tatzeitpunkt mit dem Täter oder der Täterin in einem Haushalt (50,5 Prozent).
Die detaillierte BKA-Auswertung wurde zum fünften Mal in Folge erstellt und gibt Einblick, in welchem Umfang und mit welchen Ausprägungen Gewalt in Paarbeziehungen bei der Polizei bekannt wird, welche Delikte passieren und in welcher Beziehung Täterinnen beziehungsweise Täter und Opfer stehen. Bundesfrauenministerin Franziska Giffey und der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch haben die Ergebnisse für 2019 am 10. November vorgestellt.
Franziska Giffey:
"Häusliche Gewalt ist keine Privatsache, sondern es geht um Straftaten. Für viele Frauen, aber auch für Männer ist es traurige Realität, dass die eigene Wohnung, in der man sich sicher fühlen möchte, zu einem gefährlichen Ort wird. Die Zahlen sind schockierend, denn sie zeigen: An fast jedem dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet. Und alle 45 Minuten wird - statistisch gesehen - eine Frau Opfer von vollendeter und versuchter gefährlicher Körperverletzung durch Partnerschaftsgewalt. In der Zeit der Corona-Pandemie ist nach den Berichten der Frauenhäuser, Beratungsstellen und Hilfetelefone davon auszugehen, dass häusliche Gewalt eher zunimmt - zumal wir damit rechnen müssen, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt als die Zahl der polizeibekannten Fälle."
BKA-Präsident Holger Münch:
"Gewalt in Partnerschaften äußert sich als Stalking, Bedrohung, sexueller Übergriff, Körperverletzung, Vergewaltigung bis hin zu Mord und Totschlag. Sowohl psychisch als auch physisch ausgeübte Gewalt hinterlässt tiefe Wunden bei den Opfern. Partnerschaftsgewalt findet meist hinter geschlossenen Haustüren - im Verborgenen - statt; die Opfer werden nicht bemerkt oder trauen sich nicht aus Angst vor den Konsequenzen, Anzeige zu erstatten. Allein im Hellfeld verzeichnen wir 2019 über 141.000 Männer und Frauen, die Opfer von Partnerschaftsgewalt geworden sind. Es ist jedoch von einem erheblichen Dunkelfeld auszugehen. Partnerschaftsgewalt darf keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Neben der täglichen Arbeit der Strafverfolgungsbehörden kommt vor allem den vielen staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen eine große Bedeutung zu, die den Opfern mit ihren Hilfsangeboten zur Seite stehen. Letztlich ist auch jeder Einzelne von uns dazu aufgefordert, die Augen vor der Partnerschaftsgewalt nicht zu verschließen und sie zu ahnden, wann immer wir sie bemerken."
Die BKA-Zahlen im Einzelnen:
Im Jahr 2019 wurden durch ihre jetzigen oder früheren Partnerinnen und Partner insgesamt 141.792 Personen Opfer von Mord und Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Bedrohung und Stalking, Freiheitsberaubung, davon knapp 81 Prozent Frauen.
Knapp 115.000 Frauen waren von Partnerschaftsgewalt betroffen. Gemessen an der Gesamtzahl weiblicher Opfer in den Bereichen Mord und Totschlag, Körperverletzung, Vergewaltigung, sexueller Nötigung, Bedrohung und Stalking ist das ein Anteil von 34,5 Prozent, dagegen sind es bei den Männern 5,5 Prozent.
2019 wurden in Deutschland Frauen und Männer Opfer von Partnerschaftsgewalt (jeweils vollendete und versuchte Delikte)
- von vorsätzlicher einfacher Körperverletzung: über 69.000 Frauen; 17.800 Männer,
- von Bedrohung, Stalking, Nötigung: 28.906 Frauen; 3571 Männer,
- von Freiheitsberaubung: 1514 Frauen; 183 Männer
- von gefährlicher Körperverletzung: knapp 12.000 Frauen; 5169 Männer
- von Mord und Totschlag: 301 Frauen, 93 Männer.
Bei Vergewaltigung und sexueller Nötigung in Partnerschaften sind die Opfer zu über 98 Prozent weiblich, bei Stalking und Bedrohung in der Partnerschaft sind es 89 Prozent Der Anteil männlicher Opfer ist bei vorsätzlicher, einfacher Körperverletzung mit 20,5 Prozent sowie bei Mord und Totschlag mit 23,6 Prozent vergleichsweise am Höchsten.
Von den insgesamt 118.176 erfassten Tatverdächtigen waren 78.088 (66,1 Prozent ) deutsche Staatsangehörige. Nach Deutschen wurden als Tatverdächtige am häufigsten türkische Staatsangehörige (6706 Personen; 5,7 Prozent aller Tatverdächtigen) erfasst, gefolgt von polnischen (3146; 2,7 Prozent), syrischen (3090; 2,6 Prozent) und rumänischen (2042; 1,7 Prozent) Staatsangehörigen.
Von den insgesamt 141.792 erfassten Opfern waren 99.904 (70,5 Prozent) deutsche Staatsangehörige. Nach Deutschen wurden als Opfer am häufigsten türkische Staatsangehörige (5563 Personen; 3,9 Prozent) erfasst, gefolgt von polnischen (4428; 3,1 Prozent) Staatsangehörigen.
Die Zahlen entsprechen ungefähr denen aus dem Jahr 2018.
Franziska Giffey:
"Opfer, die Gewalt zuhause erleben, trauen sich oft nicht, darüber zu sprechen - aus Scham oder Angst. Wir wissen, zwei Drittel der weiblichen Opfer gehen auch nach schwerster Gewalterfahrung nicht zur Polizei und suchen auch keine anderweitige Hilfe. Das Thema ist viel zu oft noch ein Tabu, mit dem endlich Schluss sein muss. Wichtig ist deshalb, dass Opfer von Gewalt Hilfe und Unterstützung bekommen. Mit dem bundesweiten Hilfetelefon, der Initiative ‘Stärker als Gewalt‘, mit dem von mir 2018 ins Leben gerufenen Runden Tisch gegen Gewalt an Frauen und nicht zuletzt mit unserem Investitionsprogramm zum Ausbau der Frauenhäuser und Beratungsstellen haben wir als Bund vier starke Säulen geschaffen. Denn Gewalt an Frauen ist nicht hinnehmbar."
Maßnahmen, Projekte und Initiativen im Kampf gegen Gewalt an Frauen (und Männern)
Der Schutz von Frauen vor Gewalt mit hohen Schutzstandards - gerade auch vor dem Hintergrund der Corona-Krise - ist nicht nur hierzulande, sondern in ganz Europa wichtig. Deutschland will den Zugang zu Schutz und Beratung für alle verbessern. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird deshalb ein Austausch guter Praxisbeispiele im Gewaltschutz unter den Mitgliedstaaten ermöglicht.
Seit 2018 arbeitet der von Franziska Giffey eingerichtete Runde Tisch von Bund, Ländern und Gemeinden, mit dem das Hilfenetz deutlich verstärkt und verbessert werden soll. Mit dem Bundesförderprogramm "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" stellt das Bundesfrauenministerium seit Jahresbeginn und für die nächsten Jahre insgesamt 120 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau von Beratungsstellen und Frauenhäuser bereit.
Im Rahmen der Initiative "Stärker als Gewalt" hat das Bundesfrauenministerium den November im Rahmen der Initiative zum Aktionsmonat gegen häusliche Gewalt ausgerufen. Mit zahlreichen Materialien und Aktionen, online und offline, wird auf das Thema hingewiesen und zum aktiven Einschreiten ermutigt. Darüber hinaus wird eine Nachbarschaftsaktion gestartet, bei der die Botschaft in die Kommunen und die unmittelbare Nachbarschaft der Menschen getragen wird.
Mit dem bundesweiten Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" unter 08000 116 016 wird betroffenen Frauen seit 2013 bundesweit und rund um die Uhr kostenlos eine anonyme und niedrigschwellige Erstberatung in 18 Sprachen ermöglicht.
Die gesamte Auswertung des BKA zu Partnerschaftsgewalt finden Sie hier.