Der neunte Kurzbericht im Rahmen der Studie "Hohes Alter in Deutschland" (D80+), die vom Bundesseniorenministerium gefördert wird, beschäftigt sich mit Werten und Wünschen Hochaltriger. Er kommt zu dem Ergebnis, dass eine sichere Umgebung, Selbstbestimmung und Traditionen den meisten Hochaltrigen für ihr Leben wichtig sind. Ebenso möchten sie Verantwortung für andere - vor allem jüngere Generationen - und die Umwelt übernehmen.
Bundesseniorenministerin Lisa Paus: "Der Bericht macht deutlich: Über 80-jährige Menschen wollen selbst bestimmen, wie sie leben wollen. Sie wollen ein aktiver Teil der Gemeinschaft sein und bleiben. Und sie wollen die Gemeinschaft in ihrem Lebensumfeld mitgestalten und ihren großen Erfahrungsschatz mit anderen teilen. Die Befunde bestätigen, dass Menschen über 80 überwiegend zufrieden sind mit ihrem Leben. Es gehört wohl zum Leben dazu, wenn viele von ihnen das Gefühl haben, dass ihre Wertvorstellungen nicht mehr mit denen der Gesellschaft übereinzustimmen scheinen. Umso wichtiger erachte ich das Miteinander zwischen jungen und alten Menschen und die gegenseitige Unterstützung, die sich viele der über 80-Jährigen für die Bewältigung ihres Alltags wünschen. Hierfür helfen Ideen, Angebote und Räume für unser Miteinander. Deshalb fördern wir zum Beispiel die Mehrgenerationenhäuser, in denen sich alle Generationen begegnen, den DigitalPakt Alter, der digitale Begegnungen möglich macht sowie viele weitere Angebote, wie ein Projekt der Malteser, das gezielt auch Hochaltrige zu Engagement ermutigt."
Zentrale Ergebnisse des Berichts lauten:
- Für die meisten Hochaltrigen ist es wichtig, eine sichere Umgebung zu haben (94 Prozent), selbstbestimmt handeln zu können (90 Prozent), Traditionen zu achten (85 Prozent) und sich um Natur und Umwelt zu kümmern (83 Prozent). Nur den wenigsten Hochaltrigen sind Macht und Prestige (zwölf Prozent) sowie aufregende Erlebnisse und Abenteuer (neun Prozent) wichtig.
- Ebenso ist es für den Großteil der Hochaltrigen wichtig, etwas an jüngere Generationen weiterzugeben: Sie möchten soziale Werte vermitteln (83 Prozent), ein Vorbild sein (78 Prozent) und ihre Erfahrungen weitergeben (77 Prozent). Jeweils ein etwas geringerer Anteil übt diese generativen Verhaltensweisen auch mindestens gelegentlich selbst aus.
- Über zwei Drittel (69 Prozent) der Hochaltrigen sind der Ansicht, dass ihre Wertvorstellungen mit jenen der Gesellschaft nicht übereinstimmen. Es gibt auch Gruppen von hochaltrigen Menschen, die außerdem angeben, sich in der Gesellschaft nicht mehr orientieren zu können und schlecht mit der gesellschaftlichen Lebensweise zurechtzukommen. Diese Gefühle haben Männer, jüngere Personen, Höhergebildete, Personen in Privathaushalten und solche mit besserer kognitiver Gesundheit jedoch seltener.
- Knapp zwei Drittel (65 Prozent) der Hochaltrigen in Deutschland geben an, durch die Corona-Pandemie von der Gesellschaft entfremdet worden zu sein; das betrifft besonders ab 90-Jährige, hochaltrige Frauen, niedrig Gebildete, in Heimen Lebende und Menschen mit Verdacht auf beginnende Demenz.
- Viele Hochaltrige sind mit ihrem Leben "wunschlos" zufrieden. Allerdings geben manche auch deshalb keine Wünsche zur Verbesserung ihres Alltags an, weil sie angesichts ihres hohen Alters an keine Verbesserung mehr glauben.
- Andere Hochaltrige nennen konkreten Unterstützungsbedarf, der situativ (zum Beispiel aus bestimmten Fähigkeitsverlusten) gewachsen ist. Darüber hinaus bestehen Wünsche nach mehr sozialer Einbindung und höherer Wertschätzung Hochaltriger durch die Gesellschaft. Deutlich werden schließlich auch der Wunsch Hochaltriger, sich für andere engagieren zu können, sowie ihre Sorge um und für unsere Gesellschaft als Ganzes.
Über 10.000 Menschen befragt
Die Bevölkerungsgruppe der Hochaltrigen wächst in Deutschland stetig an. Fast sechs Millionen Menschen sind inzwischen mindestens achtzig Jahre alt. Um zielgerichtete politische Maßnahmen für sie gestalten zu können, ist es wichtig, ihren Unterstützungsbedarf und die konkreten Wünsche für ihren Lebensalltag zu kennen. Hierzu fehlten bislang repräsentative Daten. Der nun vorliegende Bericht des D80+-Projektes analysiert erstmals Angaben von über 10.000 zufällig ausgewählten Menschen ab 80 Jahren, die zwischen November 2020 und April 2021 befragt wurden.
Bundesseniorenministerium fördert vielfältige Angebote
Die bundesweit rund 530 Mehrgenerationenhäuser bieten vielfältige Angebote für die Zielgruppe der Hochaltrigen an und tragen so zu einem Leben im Alter bei. Neben Angeboten zur Unterstützung für ein selbstbestimmtes Leben werden auch Teilhabeangebote wie Bildungs-, Begegnungs, Sport- und Beweglichkeitskurse umgesetzt. Die über 80-Jährigen können sich auch aktiv in die Gestaltung der Angebote einbringen: Über 1000 Hochaltrige haben sich im letzten Jahr in den Mehrgenerationenhäusern freiwillig engagiert und die Gesellschaft mit ihrem Wissen und ihrer Schaffenskraft bereichert. So leitet beispielsweise ein 81-jähriger Schmied im Mehrgenerationenhaus Kiezanker 36 in Berlin wöchentlich einen Schmiedekurs. Mit seinem reichhaltigen Fachwissen, seiner lebendigen Art und der eigenen Begeisterung für seinen Beruf gelingt es ihm, junge bis hochbetagte Menschen an seinem Wissen und seinem Können teilhaben zu lassen.
Digitale Kompetenzen stärken
Zugang zu digitalen Medien und Technologien und der Ausbau geeigneter Bildungsangebote - das sind die zentralen Ziele des DigitalPakt Alter. Das beinhaltet auch für hochaltrige Menschen die Chance, gesellschaftlicher Entfremdung wirksam entgegenzuwirken und mehr soziale Einbindung zu erreichen.
Im Rahmen der Initiative werden 150 digitale Erfahrungsorte gefördert. Hier können ältere Menschen digitale Fähigkeiten erwerben und gleichzeitig in den sozialen Austausch kommen, indem sie anderen Menschen begegnen und ins Gespräch kommen. Über diese Begegnungen in den Erfahrungsorten wird nicht nur digitale Teilhabe, sondern auch soziale Teilhabe von älteren Menschen gefördert. Auch der "Digitale Engel", ein mobiles Ratgeberteam, das älteren Menschen vor Ort digitale Alltagskompetenzen vermittelt, wird gefördert.
Soziale Teilhabe ermöglichen
Über das Projekt des Malteser Hilfsdienstes "Miteinander Füreinander" werden an rund 110 Malteser-Standorten besonders hochbetagte Seniorinnen und Senioren erreicht. Zum Beispiel leitet eine 80-Jährige die Wandergruppe Uhu in Magdeburg und in Büdingen organisieren gleich mehrere über 80-Jährige den Treff zum Kartenspielen. Solche Angebote helfen Menschen Einsamkeit zu überwinden. Die Hochaltrigen wollen mitgestalten und der Gesellschaft etwas zurückgeben. Das ist das wichtigste Motiv für das Engagement der Hochaltrigen im Projekt.
Die Nationale Demenzstrategie, aber auch das Bundesprogramm "Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz" zielen darauf ab, die Lebenssituation von Menschen mit kognitiven Einschränkungen und Demenz sowie ihren oft ebenfalls alten Angehörigen zu verbessern. Hierzu zählen unter anderem die Unterstützung im Alltag sowie die Stärkung der sozialen Teilhabe.
Die Studie D80+
Die Studie "Hohes Alter in Deutschland" (D80+) wird vom Bundesseniorenministerium gefördert und vom Cologne Center for Ethics, Rights, Economics, and Social Sciences of Health (ceres) sowie dem Deutschen Zentrum für Altersfragen (DZA) durchgeführt. Bereits erschienen sind Kurzberichte
- zur Lebenssituation Hochaltriger während der COVID-19- Pandemie,
- zur Altersarmut,
- zur gesundheitlichen Lage,
- zur Einsamkeit im hohen Alter,
- zum sozialen Netzwerk und zu sozialer Unterstützung,
- zur digitalen Teilhabe
- zur Versorgung von Menschen mit Demenz und
- zu Alltagskompetenzen und Wohnumfeld