Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November hat sich Bundesfrauenministerin Lisa Paus am 23. November mit Vertreterinnen von Initiativen und Organisationen zum Schutz von Frauen und Mädchen vor Gewalt ausgetauscht. Darunter waren auch Aktivistinnen der Initiative #DieNächste. Sie sind selbst ehemalige Betroffene und wollen das Thema häusliche Gewalt in die Öffentlichkeit tragen.
Initiative überreicht Manifest zum Schutz vor Gewalt
Anna Sophie Herken, Initiatorin von #DieNächste, stellte bei dem Treffen die Perspektive betroffener Frauen vor und überreichte Lisa Paus das Manifest "WirALLE". Es wurde anlässlich des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen gemeinsam mit 75 weiteren Organisationen verfasst, darunter UN Woman, Zonta, One Billion Rising und die Koordinierungs- und Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking (KIS).
Unter dem Namen "WirALLE gegen Gewalt an Frauen" laden die Unterzeichnerinnen Politik, Gesellschaft und Medien ein, ihre Stimme gegen Gewalt zu erheben. Das Manifest ruft zu einem gleichberechtigen und partnerschaftlichen Miteinander und zu Solidarität auf und fordert verantwortliches politisches und gesellschaftliches Handeln. Erstmalig haben sich mit "WirALLE" von häuslicher Gewalt Betroffene, Facheinrichtungen und Organisationen der Zivilgesellschaft zusammengeschlossen und stellen gemeinsame Forderungen an Politik, Gesellschaft und Medien. Mehr als 75 Erstunterzeichnende unterstützen bereits das Manifest.
Lisa Paus: "Die Initiative #DieNächste zeigt uns, dass Gewalt gegen Frauen alltäglich ist und in allen gesellschaftlichen Schichten vorkommt. Ich habe größten Respekt vor dem Mut der Aktivistinnen. Sie zeigen sich selbst öffentlich als Betroffene und geben so den vielen Frauen eine Stimme, die stumm unter häuslicher Gewalt leiden."
Anna Sophie Herken: "Häusliche Gewalt wird als Privatsache angesehen, jedoch handelt es sich um ein strukturelles Problem, das sich durch alle gesellschaftlichen Gruppen zieht. Mindestens jede vierte Frau wird hierzulande im Laufe ihres Lebens Opfer ihres Lebenspartners. Bis zum heutigen Tag wurden dieses Jahr 98 Frauen von ihrem (Ex-)Partner umgebracht, täglich versucht ein Mann in Deutschland, seine (Ex-)Partnerin zu töten, stündlich werden mehrere Frauen lebensgefährlich verletzt. Der gefährlichste Ort für eine Frau ist das eigene Zuhause, unabhängig von Alter, Herkunft, Bildung, Beruf, Glauben. Und trotzdem spricht nahezu niemand darüber, es herrscht kollektives Schweigen. Schlimmer noch, den Opfern wird nicht geglaubt und sie werden stigmatisiert. Wir von #DieNächste brechen das Tabu und das Schweigen, denn nur so können wir für Sichtbarkeit sorgen für ein alltägliches Problem, das nahezu ausschließlich im Verborgenen stattfindet. Mit dem Manifest 'WirALLE gegen Gewalt an Frauen' erheben mehr als 75 Organisationen nun gemeinsam ihre Stimmen. Wir alle stehen in der Pflicht, Gewalt nie gleichgültig gegenüberzustehen. Und ich lade jede und jeden dazu ein, sich an unsere Seite zu stellen und klar Position gegen Gewalt an Frauen zu beziehen."
Gesetz soll Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung sichern
Lisa Paus sprach zudem über die zentralen Elemente für ein neues Bundesgesetz zum Recht auf Schutz und Beratung. Die Kernelemente ihres Gesetzesvorhabens hatte die Bundesfrauenministerin bereits am 22. November beim Runden Tisch "Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen" von Bund, Ländern und Kommunen vorgestellt. Mit dem Gewalthilfegesetz soll jede von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt betroffene Frau mit ihren Kindern einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung erhalten. Das Gesetz soll noch in dieser Legislatur umgesetzt werden.
Lisa Paus: "Wir müssen umfassend ansetzen, um Gewalt zu verhindern und ihre Ursachen zu bekämpfen. Mit dem neuen Gewalthilfegesetz will der Bund dazu beitragen, dass alle Frauen, die von Gewalt betroffen sind, die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Ich freue mich, dass dieses Ziel auch bei Ländern und Kommunen breite Unterstützung findet. Mein Konzept sieht vor, dass wir erstmals in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einführen. Das wäre ein großer Schritt nach vorne."
Hilfetelefon ruft zur Aktion auf
Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen ruft auch das Hilfetelefon mit der Aktion "Wir brechen das Schweigen" zum Hinschauen und zu Solidarität mit den Betroffenen geschlechtsspezifischer Gewalt auf. Petra Söchting, Leiterin des bundesweiten Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen", nahm daher ebenfalls am Austausch mit Lisa Paus teil.
Petra Söchting: "Aus meiner Erfahrung als Leiterin des Hilfetelefons 'Gewalt gegen Frauen' weiß ich: Wenn sich betroffene Frauen an das Hilfetelefon wenden, sprechen sie oft zum ersten Mal über die erlebte Gewalt. Obwohl so viele Frauen von Gewalt betroffen sind, ist es immer noch ein Tabu, darüber zu reden. Deshalb begrüße ich die Initiative von #DieNächste, weil sich hier betroffene Frauen aus allen gesellschaftlichen Schichten öffentlich äußern und damit die Botschaft senden: Gewalt gegen Frauen geht uns alle an."
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" berät von Gewalt betroffene Frauen unter der Rufnummer 116 016 und online zu allen Formen von Gewalt – rund um die Uhr und kostenfrei. Die Beratung erfolgt anonym, vertraulich, barrierefrei und in 18 Fremdsprachen. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an eine Unterstützungseinrichtung vor Ort. Auch Menschen aus dem sozialem Umfeld Betroffener und Fachkräfte können das Beratungsangebot in Anspruch nehmen.
Die Initiative #DieNächste
Die Initiative #DieNächste will gängige Klischees und Stigmata zu häuslicher Gewalt abbauen, Mut machen und das Thema in die Mitte der Gesellschaft tragen, um langfristig gesellschaftliche sowie politische Veränderungen herbeizuführen. Die Initiatorinnen möchten ein breites öffentliches Bewusstsein dafür schaffen, dass Gewalt in der Partnerschaft inakzeptabel ist und jede und jeder in der Pflicht steht, sich für die Sicherheit seiner Mitmenschen stark zu machen.