Heute hat die Bundesregierung die Voraussetzungen geschaffen, um eines der Flaggschiffprojekte der Koalition in dieser Legislatur für mehr Vereinbarkeit und mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung umzusetzen. Mit dem Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter kann endlich eine Betreuungslücke geschlossen werden, die nach der Kita für viele Familien wieder aufklafft, wenn die Kinder eingeschult werden.
Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder schafft perspektivisch dafür Abhilfe. Ab August 2026 sollen zunächst alle Kinder der ersten Klassenstufe einen Anspruch darauf haben, ganztägig gefördert zu werden. Der Anspruch wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe ausgeweitet. Damit hat ab August 2029 jedes Grundschulkind der Klassenstufen 1-4 einen Anspruch auf ganztägige Betreuung.
Der Rechtsanspruch wird im SGB VIII geregelt und sieht einen Betreuungsumfang von 8 Stunden an allen fünf Werktagen vor. Die Unterrichtszeit wird angerechnet. Der Rechtsanspruch soll – bis auf maximal 4 Wochen – auch in den Ferien gelten. Hier können die Länder eine entsprechende Schließzeit regeln. Bei der Umsetzung des Rechtsanspruchs wird der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme ebenso Rechnung getragen wie der Vielfalt der Angebote vor Ort. Erfüllt werden kann der Rechtsanspruch sowohl in Horten als auch in offenen und gebundenen Ganztagsschulen.
Damit dies Wirklichkeit werden kann, müssen bis 2026 zusätzliche Plätze geschaffen werden. Den erforderlichen Ganztagsausbau unterstützt der Bund mit Finanzhilfen in Höhe von bis zu 3,5 Mrd. Euro für Investitionen in die Infrastruktur. Davon werden 750 Mio. Euro über das Investitionsprogramm zum beschleunigten Ausbau der Bildungsinfrastruktur für Grundschulkinder bereits seit Ende 2020 bereitgestellt. Auch an den laufenden Kosten wird sich der Bund beteiligen und damit die Länder dauerhaft unterstützen. Die Mittel wachsen jährlich an und erreichen 2030 dann 960 Mio. Euro pro Jahr.
Nach dem Kabinettbeschluss ist ein zügiges Gesetzgebungsverfahren vorgesehen, um eine Realisierung in dieser Legislaturperiode zu ermöglichen. Mit dem heutigen Beschluss macht der Bund deutlich, dass er die bisherigen Bedenken der Länder und Kommunen bezüglich der Umsetzung des Rechtsanspruchs ernst nimmt, denn der jährliche Anteil des Bundes an den laufenden Kosten wird auf 960 Mio. Euro in der finalen Ausbaustufe erhöht. Zudem wird das stufenweise Inkrafttreten um ein Jahr verschoben auf das Schuljahr 2026/27.
Bundesfamilienministerin Franziska Giffey: „Der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder kann zum Gamechanger werden – für mehr Vereinbarkeit und Bildungsgerechtigkeit. Denn was vor der Pandemie wichtig war, ist nach den Erfahrungen des letzten Jahres noch dringlicher: Es braucht einen verbindlichen Rahmen dafür, dass alle Kinder gleich gut gefördert werden und ihre Chancen nutzen können. Und wir wollen Eltern ihr Leben erleichtern, in dem wir die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Mit dem Rechtanspruch auf Ganztagsbetreuung kommen wir beiden Zielen deutlich näher und stellen die Weichen für spürbare Verbesserungen für 2,8 Millionen Grundschulkinder und ihre Familien. Es geht aber nur mit den Ländern. Sie müssen dem Vorhaben zustimmen. Ich hoffe sehr, dass wir hier gemeinsam an einem Strang ziehen werden und eine Lösung im Interesse der Familien finden.“
Bundesbildungsministerin Anja Karliczek: „Der Rechtsanspruch auf Ganztag ist ein Meilenstein in der weiteren Modernisierung Deutschlands. Durch eine Ganztagsbetreuung schaffen wir die Grundlage, um Kinder in der Anfangszeit ihres Schulbesuchs individueller fördern zu können. Das ist auch ein Beitrag zu mehr Chancengerechtigkeit in der Bildung!
Ganztägige Bildungs- und Betreuungsangebote bieten aber nicht nur enorme Chancen für die Grundschülerinnen und Grundschüler, sondern auch für Mütter und Väter, für die Arbeitgeber, für die Wirtschaft, für die Forschung. Das BMBF fördert auf vielfältige Weise Karriereentwicklungen, in der beruflichen Bildung ebenso wie im akademischen Bereich. Möglichkeiten der Qualifizierung und berufliche Aufstiege liegen mir daher in besonderer Weise am Herzen. Aber lebensbegleitendes Lernen erfordert Zeit. Und dies ist für Menschen mit familiären Aufgaben unmittelbar verknüpft mit einer guten und zuverlässigen Kinderbetreuung.
Nun ist es an den Ländern, mitzuziehen. Dadurch, dass der Rechtsanspruch gestaffelt eingeführt wird, gewinnen die Länder Zeit, um das erforderliche Personal auszubilden. Das Bundesbildungsministerium unterstützt bereits seit Langem bei der Qualifizierung und Weiterbildung pädagogischer Fachkräfte und bei der Qualitätsentwicklung der Angebote.
Die Menschen erwarten von uns, dass wir – Bund, Länder und Kommunen – gemeinsam anpacken, um Kindern und Familien die optimale Betreuung und Förderung zu ermöglichen.“
Hintergrund:
Mit dem Beschluss setzt die Bundesregierung ein zentrales Vorhaben des Koalitionsvertrags zwischen CDU/CSU und SPD um und sendet ein wichtiges Signal: In Zeiten großer finanzieller Anspannung investiert Deutschland in die Zukunft und in die junge Generation. Die aktuelle Krise hat gezeigt, wie wichtig eine gute und verlässliche Kinderbetreuung ist.
Der geplante Rechtsanspruch stellt die Weichen für eine strukturelle Verbesserung bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Chancengerechtigkeit. Mit dem Infrastrukturausbau wird zudem ein konjunktureller Impuls ausgelöst, auch um den Herausforderungen der Corona-Krise zu begegnen.
Hochwertige Betreuungs- und Bildungsangebote am Nachmittag unterstützen Kinder und Jugendliche in ihrer sozialen, emotionalen und körperlichen Entwicklung. Schülerinnen und Schüler können über die Unterrichtszeit hinaus individuell gefördert werden. So lassen sich ihre Motivation und ihr Selbstwertgefühl steigern.
Vom Ausbau der Ganztagsbetreuung profitieren auch Arbeitgeber und der Staat, wie ein Gutachten des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), das im Auftrag des Bundesfamilienministeriums erstellt wurde, belegt. Demnach steigt die Erwerbstätigkeit und das Erwerbsvolumen von Müttern je nach durchgerechnetem Szenario um zwei bis sechs Prozentpunkte. Familien haben dadurch ein höheres Einkommen und sind seltener auf staatliche Unterstützung angewiesen. Auch die Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen steigen deutlich.
Der Ausbau der Ganztagsbetreuung im Grundschulalter ist auch ein Beitrag zur Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Der Bedarf an Ganztagsangeboten für Kinder im Grundschulalter wird trotz des bisherigen Ausbaus der Betreuungsinfrastruktur in den Ländern noch nicht gedeckt. Während in manchen Bundesländern die Betreuungsquote bei über 80 Prozent liegt, liegt sie in vielen Regionen deutlich darunter.