Der Islam ist mit rund vier Millionen Muslimen die drittgrößte Religionsgemeinschaft in Deutschland - im Bereich der sozialen Arbeit und der Wohlfahrtspflege gibt es aber in muslimischen und alevitischen Gemeinden kaum professionelle Strukturen. Um dies zu ändern, sind jetzt in Nordrhein-Westfalen zwei miteinander verknüpfte Qualifizierungsprojekte gestartet. In 17 Moscheegemeinden und zwei Cem-Gemeinden sollen die vorhandenen Ansätze sozialer Arbeit ausgebaut und verbessert werden, insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, der Alten- und Behindertenhilfe, der Suchthilfe sowie der Ehrenamtsarbeit.
Gefördert werden die beiden miteinander verbundenen Projekte über einen Zeitraum von zwei Jahren durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und das NRW-Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales.
Projektträger ist der Paritätische Wohlfahrtsverband. Die Durchführung verantwortet der Paritätische Landesverband NRW in Kooperation mit dem Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) und der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF).
Die Initiative geht auf eine Vereinbarung im Rahmen der Deutschen Islamkonferenz vom November 2015 zurück.
Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig betont: "Die Bundesregierung möchte die soziale Arbeit von Muslimen unterstützen. Ich freue mich, dass wir mit diesen beiden Projekten die Zusammenarbeit zwischen den etablierten Wohlfahrtsverbänden und den islamischen Verbänden intensivieren - ganz konkret und direkt vor Ort. Das Zusammenleben in unserer Gesellschaft findet in genau jenen Bereichen statt: In der Kinder- und Jugendhilfe, bei der Pflege älterer Menschen oder im Ehrenamt. Hier gehen nun beide Seiten aufeinander zu - und das ist ein weiterer wichtiger Schritt zu mehr Integration", so Bundesministerin Schwesig.
Die Wohlfahrtspflege ist eines der beiden Schwerpunktthemen der Deutschen Islamkonferenz in dieser Legislaturperiode. Auf ihrer Sitzung im November 2015 wurde die Initiative entwickelt. "Die Voraussetzungen für die Umsetzung des Projektes sind in NRW ideal. Es gibt ein dichtes Netz an Moschee- und Cem-Gemeinden und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit der Landesregierung mit muslimischen und alevitischen Verbandsvertretungen, zum Beispiel im dialog forum Islam", betont NRW-Integrationsminister Rainer Schmeltzer. "In NRW sind Muslime und Aleviten auf vielen Feldern der sozialen Arbeit aktiv - zumeist als Ehrenamtler und fern der öffentlichen Wahrnehmung. Uns geht es darum, die vielfältigen Aktivitäten in diesem Bereich zu unterstützen bzw. auszubauen und den Weg dafür zu ebnen, dass sie zukünftig im System der freien Wohlfahrtspflege verankert werden können."
Für den Projektträger erklärt Dr. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes des Paritätischen: "Soziale Arbeit in den muslimischen und alevitischen Gemeinden erfolgt bis heute in eigenen Strukturen, die vom etablierten Hilfesystem bislang weitgehend nicht erreicht wurden. Das soll sich mit den geplanten Projekten ändern. Beide Seiten, die Gemeinden einerseits und der Paritätische als Verband der freien Wohlfahrtspflege andererseits, wollen voneinander lernen und neue Wege der Zusammenarbeit, auch mit weiteren Akteurinnen und Akteuren des Sozialstaates erproben. So sollen Vernetzungsstrukturen zu den örtlichen Akteuren der sozialen Arbeit auf- bzw. ausgebaut werden."
Am "Dreistufigen Qualifizierungsprojekt Islamische Wohlfahrtspflege" beteiligen sich insgesamt 17 Moscheegemeinden, darunter 12 Gemeinden des ZMD mit Standorten in Köln, Wuppertal und Umgebung sowie fünf Gemeinden des VIKZ in Köln. Parallel dazu startet heute das "Dreistufige Qualifizierungsprojekt Alevitische Wohlfahrtspflege" in zwei Cem-Gemeinden in Köln und Wuppertal.
Das gemeinsame Ziel ist, die soziale Arbeit, die in den Gemeinden bisher vor allem durch ehrenamtliches Engagement getragen wird, weiter zu entwickeln. Dabei steht im Vordergrund, Fachwissen zu vermitteln und etablierte Hilfsansätze zu erproben. Beide Projekte werden gemeinsam wissenschaftlich ausgewertet. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen abschließend über das Projekt hinaus bundes- und landesweit für weitere muslimische und alevitische Gemeinden und deren soziale Arbeit nutzbar gemacht werden.