Pflegeheime, die ihr Personal gezielt auf die Betreuung Demenzkranker vorbereiten, können in vielen Fällen auf Fesseln und beruhigende Medikamente zum Schutz ihrer Bewohnerinnen und Bewohner verzichten. "Im Umgang mit verwirrten, unruhigen Menschen können wir noch sehr viel dazulernen. Oberstes Ziel ist, dass Rechte und Würde der pflegebedürftigen Heimbewohner auch im stressigen Pflegealltag nicht unter die Räder kommen", kommentiert Bundesseniorenministerin Ursula von der Leyen die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Modellprojekts "Reduktion von körpernaher Fixierung bei demenzerkrankten Heimbewohnern" (ReduFix). Die kürzlich in Stuttgart präsentierten Erkenntnisse des erfolgreichen Projekts werden zurzeit aufbereitet und sollen interessierten Einrichtungen in ganz Deutschland zur Verfügung gestellt werden.
Im Rahmen des Modellversuchs wurde Heimpersonal über neue Erkenntnisse der Pflegewissenschaft, rechtliche Fragestellungen, die Wirkung von Psychopharmaka auf das Verhalten älterer Menschen sowie Einsatzmöglichkeiten neuer technischer Hilfen wie Bewegungssensoren oder dämpfende Hüftprotektoren informiert. Das beeindruckende Ergebnis: Nach der Schulung haben die Pflegekräfte bei jedem fünften Heimbewohner ganz auf eine Fesselung verzichtet oder zumindest die Dauer der Fixierung zum Teil deutlich reduziert - ohne dass die Zahl der Unfälle und Verletzungen während der dreimonatigen Projektphase gestiegen ist. Und ganz entscheidend: Die Betroffenen reagierten auf diese "Entfesselung" positiv - mit weniger herausforderndem Verhalten und einer besseren psychischen Verfassung.
In Deutschland leiden derzeit nahezu eine Million Menschen an einer Demenz. Schätzungen zufolge wird die Zahl bis zum Jahr 2020 auf mehr als 1,4 Millionen steigen, für das Jahr 2050 ist mit etwa 2,3 Millionen Demenzkranker zu rechnen. Über 60 Prozent der Heimbewohner sind bereits heute von dieser Krankheit betroffen. Um zu vermeiden, dass sich verwirrte Menschen verlaufen oder bei Stürzen verletzen, ist es in den meisten Pflegeheimen üblich, orientierungslose oder unruhige Demenzkranke notfalls mit Gurten zu fixieren oder mit Medikamenten zu beruhigen. Diese Praxis ist nicht nur juristisch umstritten. Sie birgt auch gesundheitliche Gefahren und führt in vielen Fällen zu psychologischen Schäden bei den Heimbewohnern.
Verantwortlich für den Modellversuch "ReduFix" war die Robert Bosch Gesellschaft für medizinische Forschung in Kooperation mit der Kontaktstelle für praxisorientierte Forschung an der evangelischen Fachhochschule Freiburg. Beteiligt haben sich insgesamt 46 Einrichtungen aus Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen. 400 Bewohnerinnen und Bewohner wurden zu Beginn der Studie in diesen Einrichtungen fixiert und mit Psychopharmaka behandelt.
Weitere Informationen zum Thema sowie der Abschlussbericht zum Modellversuch "ReduFix" können unter folgendem Link heruntergeladen werden:
http://www.efh-freiburg.de/agp/redufix.htm
ReduFix ist eines von zahlreichen Projekten zur Verbesserung von Schutz und Versorgungsqualität für ältere Menschen, die das Bundesseniorenministerium fördert.