Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder gab dem Wiesbadener Kurier (Erscheinungstag 23. April 2012) das folgende Interview:
Frage: Frau Ministerin, wie möchten Sie Ihren 100. Geburtstag feiern?
Dr. Kristina Schröder: Bei guter Gesundheit im Kreise meiner Freunde und Familie.
Frage: Vom heiteren Einstieg zum ernsten Kern des Themas: Was wird in einer Gesellschaft mit vielen Hundertjährigen anders sein als heute?
Dr. Kristina Schröder: Bereits heute gibt es in Deutschland und Europa immer mehr Hundertjährige. Diese heute 100-Jährigen haben ein bewegtes Jahrhundert erlebt. Anders als früher altern wir heute gesünder. Viele Menschen in der zweiten Lebenshälfte sind besser ausgebildet und meist aktiver als noch vor wenigen Jahrzehnten. Das ist eine sehr schöne Entwicklung. Natürlich wird eine älter werdende Gesellschaft anders strukturiert sein. Um sich dem Thema "Alter" unbefangen zu nähern, müssen allerdings Vorurteile abgebaut werden. Aber ich bin mir sicher: Die Vielfalt der Familienmodelle, der Lebensentwürfe und Weltanschauungen wird unsere Gesellschaft noch stärker prägen als bisher.
Frage: Was muss sich in der deutschen Gesellschaft ändern, damit Alter tatsächlich zu einem Vermögen wird?
Dr. Kristina Schröder: Wir müssen endlich aufhören, die wachsende Zahl älterer Menschen als Belastung zu empfinden. Natürlich stellt uns der demografische Wandel vor Herausforderungen gerade im Hinblick auf die sozialen Sicherungssysteme. Wir sollten uns aber darauf besinnen, dass eine große Zahl der Älteren gesünder, besser ausgebildet und oftmals auch finanziell besser gestellt ist als die Generationen zuvor. Sie haben viel anzubieten, können und wollen sich engagieren. Das zeigt zum Beispiel das große Interesse der Älteren am Bundesfreiwilligendienst.
Frage: Welche Chancen sehen Sie für Wiesbaden, zur Modellregion für den positiven Umgang mit dem Alter zu werden?
Dr. Kristina Schröder: Wiesbaden hat mit der "Akademie für Ältere" einen Kooperationsverbund von über dreißig Einrichtungen in Wiesbaden, darunter die Volkshochschule, die Wohlfahrtsverbände und die Freiwilligenagentur. Es gibt dort tolle Angebote jeweils zu einem speziellen Jahresthema. Aktuell ist das "Wie sich die Zeiten ändern..." mit vielen Angeboten, die Jung und Alt zusammenbringen, z.B. "Vom Grammophon zum I-Pod". Ich finde einen solchen generationsübergreifenden Austausch über miteinander vernetzte örtliche Akteure vorbildlich, denn so lernen jüngere Menschen etwas über die älteren und umgekehrt. So kommen die nicht mehr aktuellen Altersbilder automatisch auf den Prüfstand. Alt und Jung sind dabei offen für die jeweils anderen. Durch interessante gemeinsame Veranstaltungen wird Verständnis füreinander geweckt, das zum Zusammenhalt der Gesellschaft viel beiträgt.
Frage: Welche Bedeutung messen Sie beim Thema alternde Gesellschaft dem Ansatz des Social Business bei?
Dr. Kristina Schröder: Beim Social Business geht es vor allem um Ideen und deren unternehmerische Umsetzung, die dazu beitragen gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern. Dazu gehört sicher auch der demografische Wandel. Schon 2035 wird Deutschland zu den Ländern mit der ältesten Bevölkerung der Welt gehören. Für Sozialunternehmen ist daher die wachsende Zahl älterer Menschen in doppelter Hinsicht interessant: Ältere Menschen können ihre Erfahrungen in die Entwicklung von Ideen und Angeboten einbringen, die zum Zusammenhalt der Gesellschaft beitragen, gleichzeitig gewinnen sie als Kundengruppe immer mehr an Bedeutung.