Bundesfamilienministerin Dr. Kristina Schröder gab der BILD (Erscheinungstag 3. September 2012) das folgende Interview:
Frage: Sie haben kürzlich erklärt, dass Sie keine Chance sehen, Ihre Flexi-Quote in dieser Legislaturperiode gesetzlich festzuschreiben. Fehlt es Ihnen an Durchsetzungskraft?
Dr. Kristina Schröder: Nein - immerhin hat sich der CDU-Bundesvorstand gerade erst letzte Woche für meine Flexiquote ausgesprochen. Ein Quotengesetz steht nun mal nicht im Koalitionsvertrag, wird deshalb von der FDP blockiert.
Frage: Die Europäische Kommission will per Richtlinie im Herbst eine Frauenquote von 40 Prozent in Aufsichtsräten durchsetzen. Muss die EU eingreifen, weil freiwillige Modelle wie Ihre "Flexi-Quote" versagen?
Dr. Kristina Schröder: Deutschland kommt auch ohne die Einmischung von Frau Reding gut voran - in den Dax-30-Aufsichtsräten sind allein in diesem Jahr 40 Prozent der freien Stellen mit Frauen nachbesetzt worden. Es wäre absurd, allen Unternehmen, von der Stahlindustrie bis hin zur Medienbranche dieselbe Einheitsfrauenquote zu diktieren. Normal arbeitende Frauen brauchen flexiblere Arbeitszeiten statt starrer Aufsichtsratsquoten. Dieser Vorstoß geht an der Lebenswirklichkeit in Deutschland völlig vorbei.
Frage: Ab August 2013 soll es eine Kita-Garantie geben. Was ist, wenn Sie mit dem Projekt scheitern?
Dr. Kristina Schröder: Beim Kita-Ausbau haben alle jahrzehntelang gepennt. Der Bund hilft Ländern und Kommunen, aber er kann ihnen die Arbeit nicht abnehmen. Das Grundgesetz verbietet mir, Kita-Bautrupps loszuschicken oder Erzieher einzustellen. Wir geben 4,6 Milliarden Euro für den Kita-Ausbau, aber ausgeben müssen das Geld die Länder.
Frage: Letztendlich werden Sie als Ministerin trotzdem verantwortlich gemacht …
Dr. Kristina Schröder: In der deutschen Politik wird traditionell lieber ein Schuldiger als eine Lösung gesucht. Alle müssen beim Tempo deutlich zulegen. Mein wichtigster Tempomacher ist das Festhalten am Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz zum 1. August 2013 - daran wird mit mir nicht gerüttelt.
Frage: Haben Sie das Gefühl, von vielen Frauen in Deutschland einfach nicht verstanden zu werden?
Dr. Kristina Schröder: Nein. Gerade junge Frauen verstehen mich sehr gut. Denen geht die verkrampfte Debatte darüber, wie ein richtiges Frauenleben auszusehen hat, genau so auf die Nerven wie mir.
Frage: Es gibt viele bitterböse Schlagzeilen über Sie. Wie fühlt sich das an, wenn man die Zeitung aufschlägt und Headlines wie "Nix ist öder als die Politik von Schröder" oder "Schöner Scheitern mit Schröder" liest?
Dr. Kristina Schröder: Politik ist kein Ponyhof. Da wird man hart angegangen. Wer hinter die Überschriften blickt, merkt: Die Wirklichkeit sieht anders aus.
Frage: Schon zu Beginn Ihrer Amtszeit sind Sie oft als zu jung und unerfahren abgestempelt worden. Hat Sie das getroffen?
Dr. Kristina Schröder: Ich nehme das meiste gelassen, denn in der Familienpolitik wird ständig das Private in den Vordergrund gerückt. Allerdings gab es zum Beispiel das böse Gerücht, ich hätte nur geheiratet, weil ich plötzlich Familienministerin wurde. Dabei hatten wir ja schon Wochen vorher die Einladungen verschickt. Solche Unterstellungen finde ich schon ziemlich heftig.
Frage: Im Mai dieses Jahres haben 25.000 Menschen innerhalb kürzester Zeit einen offenen Brief unterschrieben, in dem Sie zum Rücktritt aufgefordert werden. Haben Sie diesen Schritt in Erwägung gezogen?
Dr. Kristina Schröder: Nein, niemals. Ich erhalte mittlerweile sogar Zuschriften von Frauen, die sich von der Unterschriftenliste wieder streichen ließen, nachdem sie mein Buch gelesen hatten.
Frage: Ihr Buch "Danke, emanzipiert sind wir selber" ist in den Medien verrissen worden. Wie enttäuscht waren Sie?
Dr. Kristina Schröder: Mir war klar, dass das Buch wilde Debatten auslösen wird. Vor allem weil ich anders als viele für ein Frauenleben kein einzig selig machendes Leitbild vorgeben will. Leider haben einige Kritiker systematisch ignoriert, dass ich mich nicht nur mit Feministinnen, sondern genauso mit Strukturkonservativen kritisch auseinandersetze. Diese Kritik in zwei Richtungen passt manchen nicht, die mich lieber in eine Schublade stecken möchten.
Frage: Wo können Sie am besten Frust abbauen?
Dr. Kristina Schröder: In meinem privaten Umfeld. Auch beim Joggen schalte ich ab. Seit meine Tochter geboren wurde, komme ich leider nur noch einmal pro Woche dazu.
Frage: Sie sind Mutter einer 14 Monate alten Tochter. Könnten Sie sich vorstellen, irgendwann Vollzeit-Mami zu sein?
Dr. Kristina Schröder: Fast alle Eltern in Deutschland wünschen sich gerade im ersten Lebensjahr des Kindes, dass einer der Partner zuhause bleiben kann. Wir hatten als Abgeordnete leider rechtlich nicht die Möglichkeit, Elternzeit zu nehmen, ich habe deshalb zehn Wochen nach der Geburt wieder im Ministerium voll gearbeitet. Vollzeit-Mami war ich trotzdem.