Die Lebensrealität junger Familien hat sich geändert. Immer mehr Mütter mit kleinen Kindern gehen ihrem Beruf nach, immer mehr Männer möchten sich stärker am Familienleben beteiligen, statt erst zum Gute-Nacht-Kuss nach Hause zu kommen. In vielen Familien sind Arbeits- und Familienzeit ungleich auf Mann und Frau verteilt - und das entspricht oft nicht den Wünschen der Familien. Zeit ist heute, neben Geld und guten Bildungs- und Betreuungseinrichtungen, ein entscheidender Faktor für zufriedenes Familienleben.
60 Prozent aller Paare mit kleinen Kindern wünschen sich heute eine partnerschaftliche Arbeitsteilung, in der beide Partner die Chance haben, sowohl für die Familie da zu sein als auch im Beruf Aufstiegsmöglichkeiten zu haben. Doch nur 14 Prozent leben dieses Modell auch. Da möchte ich ansetzen. Dabei können die Unternehmen helfen. Familienfreundlichkeit in der Wirtschaft wird immer mehr zum Erfolgsfaktor im Wettbewerb um Fachkräfte, da zum Beispiel für viele potentielle Mitarbeiter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein wichtiges Entscheidungskriterium für einen Arbeitsplatz ist. Im Umkehrschluss dürfen sich Unternehmen über motivierte Fachkräfte freuen, denn wenn die Mitarbeiter zu Hause Zeit mit ihren Lieben genießen können und wissen, das schätzt und unterstützt auch der Arbeitgeber, können und wollen sie auch mehr in ihrem Unternehmen leisten. Aus all diesen Gründen ist es wichtig, partnerschaftlichen Familienmodellen zu neuem Schwung zu verhelfen und die Modernisierung der Familienpolitik konsequent weiterzuführen.
Mit der Familienarbeitszeit habe ich an einem konkreten Beispiel illustriert, wie ich mir eine familienfreundliche Arbeitswelt vorstelle: Wenn beide Eltern ihre Arbeitsstunden eine Zeitlang etwas reduzieren können, bleibt für beide genug Zeit für die Familie, und niemand muss seine beruflichen Ziele gefährden. Die Familienarbeitszeit ist ein Bestandteil meiner Vision von einer neuen Familienpolitik, die Familien mehr Flexibilität gibt und von der letztlich auch die Wirtschaft profitiert. Ich habe eine Debatte zur Bedeutung von Partnerschaft und Zeitverwendung in Familien angestoßen, und ich möchte diese Debatte mit allen Beteiligten in Wirtschaft, Gewerkschaften und in der Gesellschaft weiter führen.
Damit mehr Eltern den Wunsch nach partnerschaftlicher Arbeitsteilung auch leben können, möchte ich das Elterngeld stärker darauf ausrichten. Das ist der erste Schritt auf dem Weg hin zu einer Familienarbeitszeit. Dazu werde ich die Leitlinien für ein ElterngeldPlus vorlegen. Es wird ein flexibler Rahmen für Eltern sein, die Familie und Beruf von Anfang an gemeinsam anpacken wollen.
Das ElterngeldPlus erkennt die Pläne derjenigen an, die schon während des Elterngeldbezugs wieder in Teilzeit arbeiten wollen. Bisher bekommen Eltern maximal 14 Monate Elterngeld. Hierbei werden die Mütter und Väter benachteiligt, die sich früher entscheiden, wieder in ihren Job einzusteigen. Sie haben im Vergleich zu jenen, die während des Elterngeldbezuges nicht arbeiten, einen Nachteil. Denn sie verlieren mit der Rückkehr ins Berufsleben einen Teil ihres Elterngeldanspruchs. Mit dem ElterngeldPlus ändert sich das. Mütter und Väter, die mit einer gewissen Stundenzahl ihrer Arbeit nachgehen wollen, haben dann die Möglichkeit, länger als bisher diese Leistung in Anspruch zu nehmen. Das erleichtert ihnen, sich in die neue Lebensphase mit Kind hineinzufinden und Familien- und Erwerbsarbeit fair und zukunftsfest zu verteilen. Wenn Mutter und Vater sich entscheiden, jeweils zum Beispiel 25 bis 30 Stunden in der Woche zu arbeiten und sich damit auch die Zeit mit ihrem Nachwuchs zu teilen, dann gibt es einen zusätzlichen Partnerschaftsbonus. Wir wollen Eltern ermutigen, ihre Vorstellung von Familienleben und Partnerschaftlichkeit umzusetzen.
Das ElterngeldPlus ist ein Anfang, damit mehr Eltern ihren Wunsch nach partnerschaftlicher Arbeitsteilung verwirklichen können. Damit die Eltern ihre Kinder gut betreut wissen, muss es Verbesserungen bei der Qualität der Kinderbetreuung geben. Mehr Ganztagskitas und -schulen, die weitere Flexibilisierung der Elternzeit, die Weiterentwicklung des Teilzeitrechts, gute Angebote an familienunterstützenden Dienstleistungen.
Partnerschaftlichkeit zu fördern heißt auch, etwas gegen die Lohnlücke zu tun. Die Bruttostundenlöhne von Frauen sind durchschnittlich um 22 Prozent niedriger als die der Männer. Deshalb scheitert ein stärkeres Engagement von Vätern in der Familie bisher oft daran, dass diese mehr verdienen und das Einkommen für die wirtschaftliche Stabilität der Familie unverzichtbar ist.
Mit unseren Vorschlägen zur Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen und der Initiative für ein Entgeltgleichheitsgesetz, mit der Einführung eines Mindestlohns und mit der Aufwertung sozialer Berufe werden wir die Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen ein Stück weit schließen.
Partnerschaftlichkeit entspricht dem Wunsch vieler Paare: Sie schützt vor Familien-, Kinder- und Altersarmut. Sie wirkt sich positiv auf die kognitive und emotionale Entwicklung von Kindern aus, und - das zeigen Erhebungen in manchen Nachbarländern – Familien sind mit partnerschaftlicher Arbeitsteilung stabiler. Partnerschaftlichkeit ist gut für die Familien und für die Gesellschaft.