Bundesfamilienministerin Kristina Köhler sprach in "Bild am Sonntag" über die ersten Monate als Ministerin und über Zeit für Pflege.
BILD am SONNTAG: Frau Köhler, seit rund 60 Tagen sind Sie Ministerin. Wie hat das Ihr Leben verändert?
Kristina Köhler: Ich habe mich mit Feuereifer in die spannenden Themen eingearbeitet und das Familienministerium in Teilen neu aufgestellt. Natürlich hat sich durch den Amtswechsel auch mein Leben verändert, aber ich bin damit sehr zufrieden.
BILD am SONNTAG: Lassen Sie uns doch mal konkret werden: Früher haben Sie einen Mini gefahren. Und jetzt?
Kristina Köhler:Den Mini fahre ich in Wiesbaden natürlich immer noch. Hier in Berlin habe ich als Dienstwagen einen Audi. Aber ich bin mir nicht sicher, was für einen.
BILD am SONNTAG: Sie haben jetzt einen Chauffeur – auch als Kofferträger?
Kristina Köhler: Mein Rollköfferchen kann ich so gerade noch selbst ziehen.
BILD am SONNTAG: Aber die Einkaufstüten nimmt er Ihnen doch ab...
Kristina Köhler: Ich brauche beim Einkauf niemanden, der die Tüten trägt und der zuguckt, ob ich Blatt- oder Rahmspinat nehme.
BILD am SONNTAG: Bedeutet Ministerin: Nie mehr ungeschminkt aus dem Haus?
Kristina Köhler: Das bin ich früher auch nicht. Da fühle ich mich einfach unwohl.
BILD am SONNTAG: Sie sind am 30. November Ministerin geworden und werden am 13. Februar heiraten. Was wird einst in der Rückschau Ihr glücklichster Tag gewesen sein?
Kristina Köhler: Wenn ich einmal als Oma zurückschauen sollte, dann wird es weder der Amtsantritt noch die Hochzeit gewesen sein. Meine Mutter sagt zum Beispiel, für sie waren die Geburten ihrer Kinder die glücklichsten Tage im Leben. Ich glaube, das wäre bei mir nicht anders.
BILD am SONNTAG: Ein 13. als Hochzeitsdatum. Sind Sie gar nicht abergläubisch?
Kristina Köhler: Überhaupt nicht!
BILD am SONNTAG: Februar ist nicht gerade ein Wonnemonat. Heiraten Sie wegen Karneval am Faschingssamstag?
Kristina Köhler: Den Termin habe ich mit meiner Familie und meinem zukünftigen Mann getroffen. Dies war eine private Entscheidung.
BILD am SONNTAG: Gibt es eine Hochzeitsreise oder nur den Rosenmontagsumzug?
Kristina Köhler: Wie schon gesagt: Das ist ein sehr privates Ereignis. Deshalb bitten wir um Verständnis, dass wir das auch privat halten werden. Mein Partner und ich freuen uns jedenfalls auf die Hochzeit.
BILD am SONNTAG: Die Hochzeit war bereits geplant, als Angela Merkel anrief und Ihnen das Ministeramt anbot. Haben Sie kurz daran gedacht, sie zu verschieben?
Kristina Köhler: Darüber habe ich null nachgedacht!
BILD am SONNTAG: Jede Frau, die heiratet, steht vor der Frage, ob sie ihren Namen behalten soll. Nun war zu lesen, dass Sie den Namen Ihres künftigen Mannes annehmen wollen und dann Schröder heißen. Wie schwer fällt es Ihnen, den Namen abzugeben, mit dem Sie Karriere gemacht haben?
Kristina Köhler: Netter Versuch. Auch das ist eine sehr private Frage, die ich vielleicht mit der besten Freundin bespreche, aber nicht mit Ihnen.
BILD am SONNTAG: Wie die Familienministerin künftig heißt, geht die Öffentlichkeit schon etwas an...
Kristina Köhler: Das wird sie auch rechtzeitig erfahren.
BILD am SONNTAG: Stimmt es gar nicht, dass Sie den Namen Ihres Mannes annehmen?
Kristina Köhler: Lassen Sie sich überraschen!
BILD am SONNTAG: Sie haben mal gesagt: "Bis spätestens 35 möchte ich einen Mann und zwei Kinder." Was den Mann anbelangt, sind Sie im Zeitplan. Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus?
Kristina Köhler: Wie die meisten jungen Frauen möchte ich einmal Kinder haben. Und was den Zeitplan angeht: Gucken wir mal, was passiert.
BILD am SONNTAG: Wir wollen nur wissen, ob die Familienministerin selbst eine Familie plant?
Kristina Köhler: Das habe ich doch gerade beantwortet.
BILD am SONNTAG: Sie wollen die Voraussetzungen dafür deutlich verbessern, dass alte Menschen in der Familie gepflegt werden können. Was konkret schwebt Ihnen vor?
Kristina Köhler: 2,2 Millionen Deutsche sind pflegebedürftig. Zwei Drittel von ihnen werden in der Familie gepflegt. Im Schnitt acht Jahre lang. Ich will die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege zum Beispiel über neue Arbeitszeitmodelle verbessern.
BILD am SONNTAG: Denken Sie an eine Pflegeteilzeit?
Kristina Köhler: Genau. Diese Pflegeteilzeit soll wie die Altersteilzeit funktionieren – nur umgekehrt: Während der Zeit, in der Sie einen Angehörigen pflegen, arbeiten Sie 50 Prozent. Damit Sie davon noch leben können, gibt es aber 70 Prozent des bisherigen Gehalts. Nach der Pflegephase arbeiten Sie dann wieder voll, bekommen aber nur 80 Prozent Lohn. Dafür müssen wir das Pflegezeitgesetz ausbauen. Denn jetzt kann man höchstens ein halbes Jahr aus dem Beruf rausgehen.
BILD am SONNTAG: Da werden die Arbeitgeber aber begeistert sein...
Kristina Köhler: Die ersten Reaktionen, die ich von Unternehmen höre, sind positiv. Denn gerade in Zeiten von Kurzarbeit und steigender Arbeitslosigkeit können solche Teilzeitmodelle im Interesse von Unternehmen und Beschäftigten sein.
BILD am SONNTAG: Wenn ein Arbeitnehmer nach der Pflegephase aus dem Betrieb ausscheidet: Wer ersetzt dem Unternehmen den Schaden?
Kristina Köhler: Hier müssen wir über intelligente Fondslösungen zur Absicherung dieser Risiken nachdenken.
BILD am SONNTAG: Die Gesamtleistungen für Familien betragen 250 Milliarden Euro im Jahr für 150 verschiedene Maßnahmen. Sind die wirklich alle sinnvoll?
Kristina Köhler: Diese Frage beschäftigt mich auch. Mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble habe ich deswegen vereinbart, dass wir bis 2013 alle familienpolitischen Leistungen evaluieren - vom Ehegattensplitting bis zum Kindergeld. Dann werden wir sehen, was sich bewährt und was nicht. Darüber wird seit Jahrzehnten gestritten, aber noch nie hat es jemand systematisch untersucht. Ziel ist nicht eine Kürzung der Mittel - sondern ihr effizienter Einsatz.
BILD am SONNTAG:Eine Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft hat unlängst ergeben, dass es sich für alleinerziehende Mütter nicht lohnt, eine Berufstätigkeit zu ergreifen, wenn sie Hartz IV erhalten. Und in Deutschland wächst die Gruppe der Alleinerziehenden rund viermal schneller als in anderen Industrieländern. Setzt der Staat hier falsche Anreize?
Kristina Köhler: Über die Lenkungswirkung staatlicher Hilfen müssen wir in der Tat neu nachdenken. Eine Familie mit zwei Kindern kann dank Hartz IV bis zu 1680 Euro netto im Monat vom Staat erhalten. Das muss ein Arbeitnehmer brutto erst mal verdienen.
BILD am SONNTAG: Was wollen Sie ändern?
Kristina Köhler: Für Arbeitslose lohnt sich ein kleiner Hinzuverdienst, viele reguläre Vollzeitjobs aber oft kaum. Deshalb müssen wir diese Anreize umdrehen. Die Annahme beispielsweise eines Jobs für gut 1000 Euro im Monat muss sich für einen Arbeitslosen netto richtig auszahlen, ein Hinzuverdienst von wenigen Hundert Euro zu Hartz IV dagegen eher weniger. Bei Hartz IV geht es darum, die Schwachen zu schützen - auch vor den Faulen.
BILD am SONNTAG: Einigen Ärger hatten Sie jüngst wegen Ihrer Doktorarbeit. Im Kern geht es darum, dass ein Assistent Ihres Doktorvaters Ihnen geholfen hat. Bekommt jeder Doktorand solche Unterstützung oder hatten Sie einen Promi-Bonus?
Kristina Köhler: Der Assistent hat mir ja nicht beim Schreiben der Arbeit geholfen, sondern er hat bezahlte Hilfsdienste geleistet, die auch alle von mir im Vorwort erwähnt werden. Für einen Doktoranden, der einen Vollzeitjob hat – und den hatte ich als Bundestagsabgeordnete, ist das nicht nur völlig legal, sondern auch üblich.
Das Interview erschien am 31.1.2010 in der "Bild am Sonntag" und wurde geführt von Michael Backhaus und Roman Eichinger.