Bild am Sonntag Manuela Schwesig über den Mutterschutz und das neue Mutterschutzgesetz

Manuela Schwesig im Gespräch
Manuela Schwesig © Bildnachweis: Bundesregierung/Steffen Kugler
Bild am Sonntag: Frau Schwesig, herzlichen Glückwunsch! Vor zwei Monaten, pünktlich zum Weltfrauentag, kam Ihre Tochter zur Welt. Wie hat Julia Ihr Leben verändert?

Manuela Schwesig: Mein Mann und ich genießen sehr, mit Julia die Welt neu zu entdecken. Und Julian ist stolzer Bruder. Er war ganz gerührt, als er nach der Schule zu uns ins Krankenhaus kam. Zu Hause hilft er mir zum Beispiel beim Baden von Julia. Natürlich müssen wir nachts aufstehen und haben, wie viele Eltern mit einem Baby, Schlafmangel.

Bild am Sonntag: Wie sind Sie auf die Kombination Julian und Julia gekommen?

Manuela Schwesig: Julia war schon beim ersten Kind unser Favorit - da wurde es dann ein Junge. Der Name gefällt uns so gut, dass wir neun Jahre später beim Mädchen daran festgehalten haben.

Bild am Sonntag: Konnten Sie sich in der Zeit nach der Geburt voll auf Julia konzentrieren, oder mussten Sie als Ministerin doch hin und wieder arbeiten?

Manuela Schwesig: Die ersten Wochen nach der Geburt habe ich ganz intensiv für uns genutzt. Diese Zeit braucht man auch als Mutter. Eine Geburt ist ja kein Spaziergang. Zum Glück überwiegen da die Glückshormone. Auch braucht ein kleines Baby viel Zeit und Zuwendung. In den letzten Tagen habe ich wieder öfter mit meinem Team im Ministerium telefoniert, insbesondere mit dem Staatssekretär. Drei Monate sind im politischen Geschäft eine lange Zeit. Ich bin meinem Team sehr dankbar, dass ich diese Zeit für meine Familie hatte.

Bild am Sonntag: Wie wichtig ist Mutterschutz für Frauen?

Manuela Schwesig: Sehr wichtig. Für das Kind und die Mutter. Beide brauchen Zeit, um wieder zu Kräften zu kommen und sich kennenzulernen. Deshalb müssen alle Mütter diesen Schutz bekommen, und daran darf nicht gerüttelt werden. Mit dem neuen Mutterschutzgesetz, das im Mai ins Kabinett kommt, werden wir insbesondere den Schutz für Mütter mit einem behinderten Kind verbessern. Gerade in dieser Situation ist der besonders wichtig: Deshalb wird hier der Schutz von acht auf zwölf  Wochen nach der Geburt verlängert. Ich freue mich, dass der Mutterschutz jetzt auch für Schülerinnen und Studentinnen gilt.

Bild am Sonntag: Am 1. Mai steigen Sie wieder ein. Mit einer Rede am Tag der Arbeit. Wer passt auf Julia auf, wenn Sie arbeiten?

Manuela Schwesig: Bei diesem Termin wird meine Familie mich begleiten. Das ist gute Tradition, dass wir zu dieser Kundgebung gemeinsam gehen. In der Regel sind die Kinder bei meinem Mann, wenn ich arbeite.

Bild am Sonntag: Mit welchem Gefühl werden Sie am Montag in den Dienstwagen steigen?

Manuela Schwesig: Ich freue mich auf meinen Job, auf mein Team und darauf, wieder in der Politik mitzumischen. Gleichzeitig werde ich meine Familie, wenn ich in Berlin bin, vermissen. Diese beiden widersprüchlichen Gefühle kennt wohl jede berufstätige Mutter.

Bild am Sonntag: Das berühmte schlechte Gewissen…

Manuela Schwesig: Ja, und das muss aufhören. Berufstätigen Müttern und Vätern sollte endlich mehr Respekt entgegengebracht werden. Besonders Mütter werden oft ungerecht beurteilt - wechselweise gibt es den Vorwurf, dass sie zu wenig im Job leisten oder sich zu wenig um ihre Kinder kümmern. Das kenne ich auch.

Bild am Sonntag: Von wem kommt Kritik?

Manuela Schwesig: Es traut sich niemand, mir das offen ins Gesicht zu sagen. Es wird immer mal wieder im Internet oder in Zeitungen geschrieben. Manchmal macht auch ein politischer Konkurrent einen Spruch. Mir geht es da nicht anders als der Verkäuferin oder Rechtsanwältin. Das muss sich ändern. Was dabei hilft: Wenn nun auch immer mehr Väter im Job Zeit für ihre Kinder einfordern.

Bild am Sonntag: Können Väter alles, was Mütter können?

Manuela Schwesig: Väter sind nicht Mütter zweiter Klasse. Sie machen vielleicht einiges anders, aber nicht schlechter. An unseren Kindern merke ich, dass sie ihren Vater genauso wie ihre Mutter brauchen - nicht nur zum Herumtoben. Deshalb war es für uns auch selbstverständlich, dass mein Mann dieses Mal die Elternzeit nimmt. Denn der Rhythmus eines Babys und der politische Takt passen nun wirklich nicht zusammen.

Bild am Sonntag: Gibt es Zeiten, die komplett für die Familie reserviert sind?

Manuela Schwesig: Ja. Schon vor Julias Geburt habe ich mir feste Zeiten im Kalender geblockt, die für die Familie da sind. In der Regel halte ich mir den Mittwochnachmittag und -abend und den Sonntag frei. Da ist es mir wichtig, dass ich auch wirklich für die Kinder und meinen Mann da bin und nicht ständig aufs Handy gucke.

Bild am Sonntag: Kommt Julia mit nach Berlin?

Manuela Schwesig: Nein, uns ist es sehr wichtig, dass Julia hier zu Hause in Schwerin ihre gewohnte Umgebung hat. Ich selbst werde pendeln, wenn auch nicht jeden Tag. Mein Auto ist mein rollendes Büro. Und ich werde auch ab und an einen Tag Homeoffice machen.

Bild am Sonntag: Können Sie trotz Pendeln stillen?

Manuela Schwesig: Ja. Die Kleine wird gestillt, und das werden wir auch weiter so machen.

Bild am Sonntag: Was ist, wenn die Kinder krank sind und Sie deshalb nicht zur Kabinettssitzung können?

Manuela Schwesig: Dann ist das so. Bis jetzt ist das noch nicht vorgekommen. Sigmar Gabriel hat schon selbst Termine abgesagt, weil er auf seine kranke Tochter aufgepasst hat. Das finde ich gut. Ob schon alle Akteure in der Politik so sind, da mache ich allerdings ein Fragezeichen dahinter.

Bild am Sonntag: Sie verdienen als Ministerin wahrscheinlich mehr als Ihr Mann. Ein Problem?

Manuela Schwesig: Überhaupt nicht.

Bild am Sonntag: In Deutschland ist das ungewöhnlich. Nur 10 Prozent der Frauen zwischen 30 und 50 Jahren  verdienen mehr als 2000 Euro netto. Knapp zwei Drittel sind vom Partnergehalt oder sozialen Transfers abhängig. Woran liegt das?

Manuela Schwesig: Weil die Berufe, in denen Frauen arbeiten, immer noch schlechter bezahlt werden als Männerberufe. Weil fast immer die Frau in Teilzeit geht, da sie ja weniger bekommt als der Mann. Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen liegt in Deutschland immer noch bei 21 Prozent. Das ist eine der größten Ungerechtigkeiten in diesem Land. Politik hat in den letzten Jahren zu wenig dagegen getan. Der Mindestlohn hat die Lohnlücke um ein Prozent verringert, aber das reicht nicht. Wir müssen mehr tun.

Bild am Sonntag: Was genau?

Manuela Schwesig: Wir brauchen ein Gesetz, das durch Transparenz zu mehr Lohngerechtigkeit führt. Bei gleicher Tätigkeit und Qualifikation gibt es eine Lohnlücke von 7 bis 8 Prozent, die niemand erklären kann. Das hat auch etwas damit zu tun, dass Gehälter in Deutschland ein absolutes Tabuthema sind. Mit dem Gesetz wollen wir diese Strukturen aufbrechen. Frauen sollen ein  Auskunftsrecht bekommen, was die Kollegen, die das Gleiche machen, im Durchschnitt verdienen. Und das Gesetz sieht vor, dass Betriebe über 500 Mitarbeitern ihre Lohnstrukturen überprüfen. Zum Beispiel, ob Frauen unfreiwillig in Teilzeit sind. Und wir brauchen das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit, weil zu viele Frauen in der Teilzeitfalle feststecken. Daran arbeitet Andrea Nahles.

Bild am Sonntag: Wann soll das Gesetz zur Lohntransparenz beschlossen werden?

Manuela Schwesig: Ich habe vor drei Monaten meinen Gesetzentwurf vorgelegt, der seitdem vom Kanzleramt blockiert wird. Ich erwarte, dass diese Blockade endlich aufhört und das Gesetz für die Verbände-Anhörung freigegeben wird. Dann kann es noch in diesem Jahr vom Bundestag beschlossen werden.

Bild am Sonntag: Die Union kritisiert diese Transparenzregeln als Bürokratiemonster…

Manuela Schwesig: Das ist ein Totschlag-Argument. Das wird immer behauptet, wenn man in Wahrheit keine Veränderung in Deutschland will. Das habe ich schon bei der Frauenquote erlebt. Es geht nicht, dass am Weltfrauentag Reden für mehr Frauenrechte gehalten werden und am nächsten Tag, wenn es um bessere Bezahlung geht, keiner was davon wissen will. Ich habe kein Verständnis für diesen Widerstand. Wenn angeblich alles in Ordnung ist, muss auch niemand Angst vor dem Gesetz haben.

Bild am Sonntag: Was soll eine Frau machen, wenn sie erfährt, dass sie weniger verdient als ihre männlichen Kollegen?

Manuela Schwesig: Sie kann mit dem Arbeitgeber sprechen, sie kann sich an den Betriebsrat wenden, und sie kann dagegen klagen. Heute haben die Frauen das Problem, dass sie von solchen Lohnungerechtigkeiten nur per Zufall erfahren und es nicht beweisen können. Auch dafür brauchen sie das Gesetz.

Bild am Sonntag: Wird Julia mal so viel verdienen wie Julian?

Manuela Schwesig: Ich hoffe, dass für Julia und alle andere Frauen dann nur noch die Leistung zählt. Dass Frauen ganz selbstverständlich Baustellen leiten und Jungen Erzieher werden. Und ich wünsche mir, dass sich Julia diese Fragen gar nicht mehr stellen muss.