BILD: Jede vierte Frau wird Opfer von häuslicher Gewalt.
Manuela Schwesig: Diese Zahl entsetzt mich immer wieder. Deshalb ist mir dieser Film so wichtig. Wir müssen zeigen, wie die Realität ist. Das kann ein Film besser als blanke Fakten. Wir sprechen hier ja über ,häusliche Gewalt' - über Gewalt, die in den eigenen vier Wänden passiert. Zu Hause, im geschützten Raum. Und diese Gewalt gegen Frauen muss sichtbar werden.
Felicitas Woll: Mich hat diese Zahl auch erschrocken. Mir war überhaupt nicht bewusst, welche Dimensionen Gewalt gegen Frauen annimmt. Man muss ja nur mal auf der Straße bis vier zählen und schon bekommt das Thema eine ganz andere Bedeutung.
Manuela Schwesig: Zwei Drittel dieser Frauen suchen keine Hilfe aus Angst, aus Scham und weil sie auch gar nicht wissen, wer ihnen helfen könnte. Deshalb ist es wichtig, dass die betroffenen Frauen unkompliziert Unterstützung bekommen - zum Beispiel über unser bundesweites 'Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen'. Es ist die einfachste Form, betroffenen Frauen einen Ausweg zu bieten.
BILD: Die Frau im Film braucht lange, bis sie erkennt, dass sie Hilfe braucht. Ist das real?
Manuela Schwesig: Ja. Für die meisten Frauen ist es sehr schwierig, Gewalt in der Beziehung offen anzusprechen. Die Frau hat sich ja zunächst in den Täter verliebt. Oft geben sich die Opfer auch eine Mitschuld an ihrer Situation. Das ist fatal. Es muss uns gelingen, dass sich kein Gewaltopfer mehr dafür schämt, Hilfe zu suchen.
Felicitas Woll: Der Film zeigt, wie Menschen sind. Jeder trägt seinen Rucksack, der gefüllt ist mit Erfahrung. Wir wissen vorher alle nicht, wem wir begegnen. Liebe und Gewalt können sehr nah beieinanderliegen.
BILD: Nimmt Gewalt gegen Frauen zu? Und was sind die Gründe?
Manuela Schwesig: Die Zahlen werden nicht besser. Es gibt Zeiträume, in denen die Gewalt besonders zutage tritt. Beispielsweise an Feiertagen. Die Gründe für Gewalt sind ganz vielschichtig. Wir wissen, dass Menschen, die als Kinder Gewaltopfer waren, später selbst gefährdet sind, Täter zu werden. Das ist für mich aber keine Entschuldigung. Wer schlägt, trägt dafür auch die Verantwortung. Aber das Wissen darüber kann uns vielleicht helfen, die Spirale der Gewalt zu durchbrechen.
BILD: Wie würden Sie reagieren, wenn man Ihnen Gewalt androhen würde?
Manuela Schwesig: Ich weiß, dass es sehr gute Beratung und sogar Gesetze zum Schutz der Opfer gibt. Ich würde mir sofort Hilfe suchen. Generell ist für mich bei Gewalt immer eine rote Linie überschritten. Ich toleriere keine Gewalt.
Felicitas Woll: Ich wurde so erzogen, dass ich mich Menschen anvertrauen und immer alles aussprechen kann. Ich würde mir also auch sofort Hilfe suchen.