Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen spricht mit dem SPIEGEL über den Gesetzentwurf, Internet-Sperren gegen Kinderpornografie einzuführen.
SPIEGEL ONLINE: Frau von der Leyen, fast 100.000 Bürger haben gegen Ihren Plan, Internet-Sperren gegen Kinderpornografie einzurichten, eine Petition unterschrieben? Sind das alles Verharmloser? Was antworten Sie denen?
Ursula von der Leyen: Das ist gelebte Demokratie. Es ist gut, dass wir das Thema in aller Breite diskutieren. Ich kenne das Muster schon von den Debatten um das Elterngeld oder den Ausbau der Kinderbetreuung. Erst ist Schulterzucken da, dann gibt es kübelweise Kritik, aber dann stellen wir gemeinsam fest: Da ist ein Problem, wir müssen handeln. Es mag unterschiedliche Wege geben, aber im Ziel sind wir einig. Und jetzt ist das Gesetzesverfahren da. So wird das auch bei diesem Thema sein. Ich nehme dabei zwar die Bedenken aus der Petition ernst, weiche aber keinen Millimeter von meinem Ziel ab. Die offen zugänglichen Internet-Bilder von vergewaltigten Kindern sind zu lange nur in kleinen Zirkeln diskutiert worden. Jetzt ist es Zeit zu handeln.
SPIEGEL ONLINE: Da besteht doch längst Konsens. Die Gegner lehnen nicht Ihr Ziel ab, sondern die von Ihnen vorgeschlagenen Mittel. Nämlich das Führen von Sperrlisten durch das Bundeskriminalamt (BKA).
Ursula von der Leyen: Das sogenannte Access Blocking ist ja auch nur ein Teil unseres Gesamtplans, Kinderpornografie auf allen Ebenen zu bekämpfen. Das Wichtigste ist, die Täter zu verfolgen und zu stellen. Zweites Ziel ist, die Quellen zu schließen. Und der dritte, aber unverzichtbare Punkt bleibt: Web-Seiten zu blocken.
SPIEGEL ONLINE: Warum dreht sich Ihre Gesetzesänderung in erster Linie um den dritten Punkt, und nicht um die ersten beiden? Immerhin gilt Grundgesetz, Paragraf fünf: "Eine Zensur findet nicht statt."
Ursula von der Leyen: Für die ersten Punkte existieren schon Gesetze. Den Vorwurf der Zensur zu erheben, ist nicht angemessen angesichts der Frage, ob wir Bilder der Vergewaltigung von Kindern im Internet frei sichtbar lassen wollen. Freiheit heißt auch, dass sie nicht grenzenlos ist. Sie darf die Würde anderer nicht mit Füßen treten. Das ist immer ein Abwägungsprozess.
SPIEGEL ONLINE: Aber wieso machen Sie keinen Gesetzesvorschlag für die konsequente Polizeiermittlung im Internet gegen Kinderporno-Hersteller?
Ursula von der Leyen: Die Polizei hat bereits eine Ermittlungsbefugnis. Das Problem ist, dass Kinderpornografie international nicht hinreichend verboten und verfolgt wird. Die Strafverfolgung ist in den letzten Jahren konsequent verbessert worden. Das Schließen von Anbieterservern ist zwar auch verstärkt worden. Da bleibt aber viel zu tun. Das geht nur über internationale Verhandlungen. Nur beim Thema Access Blocking hat es zehn Jahre lang Gespräche hinter verschlossenen Türen gegeben, aber vergebens. Es hat sich nichts getan. Sie hatten auf SPIEGEL ONLINE vor vielen Jahren die Aktion "Netz gegen Kinderporno". Ich frage mich, warum diese Aktivitäten eingeschlafen sind. Wir sollten diese vielbeschworenen Selbstreinigungskräfte des Netzes wiederbeleben.
SPIEGEL ONLINE: Gleichzeitig beharren Sie darauf, dass das Blockieren von Webseiten unverzichtbar ist. Sie übergehen damit die Kritik von fast 100.000 Bürgern, die die Petition unterschrieben haben.
Ursula von der Leyen: Nein, ich nehme die Petition sehr ernst, zum Beispiel den Vorwurf der unkontrollierten Listen. Wir wollen die Transparenz verbessern. Ich könnte mir gut vorstellen, dass wir ein Gremium mit unabhängigen Experten schaffen, das die Blockierlisten unter dem Mehr-Augen-Prinzip anschaut.
SPIEGEL ONLINE: Die EU hat eine Richtlinie vorgelegt, wonach quasi jede Sperre durch einen Richter legitimiert wird. Die von Ihnen geplante Änderung des Telemediengesetzes sieht jedoch bisher keine Kontrollinstanz vor.
Ursula von der Leyen: Ich halte für richtig, klare Gesetze in einem Land zu haben. Wir sprechen nur über den Straftatbestand der Kinderpornografie, der geregelt ist im Paragraf 184b StGB. Und dieser Straftatbestand muss nicht täglich durch einen Richter noch einmal wiederholt werden.
SPIEGEL ONLINE: Alle Experten bestätigen, dass Kinderpornografie meist nicht im World Wide Web verbreitet und auch nicht dafür produziert wird, sondern im Usenet, in Chatrooms, per Mail oder P2P.
Ursula von der Leyen: So, dann brechen wir mal Ihr Statement runter. Zunächst einmal sagen Sie, das Massengeschäft findet nicht im WWW statt. Sie haben doch selber eine Umfrage gemacht bei SPIEGEL ONLINE, wer schon mal zufällig über kinderpornografische Inhalte gestolpert ist. Das waren 8,5 Prozent. Bei mehr als 30 Millionen deutschen Internet-Nutzern ergibt das rein rechnerisch rund 2,5 Millionen Menschen. Das ist kein Nischenthema.
SPIEGEL ONLINE: Wobei die meisten Kontakte nicht per WWW, sondern per Mail gewesen sein dürften...
Ursula von der Leyen: ...die auf verbotene Seiten verweist. Das als Argument zu nehmen, wir wollen den schweren Raub und die Körperverletzung erst vollständig eliminiert haben, ehe wir die Einbruchsicherung überhaupt thematisieren, das geht nicht. Es geht nicht um ein Entweder-oder, es geht um Sowohl-als-auch. Und es geht um die Grundhaltung. Welches Argument gibt es zu sagen, diese Bilder sollen in Deutschland zugänglich und sichtbar im Netz sein?
SPIEGEL ONLINE: Keines. Das ist aber auch nicht die Frage.
Ursula von der Leyen: Aber warum sie dann nicht blockieren? Die Quellen sind zu schließen, da bin ich ganz Ihrer Meinung. Bisher wurden eher sporadisch Seiten gemeldet oder identifiziert. Access Blocking wird die Suche systematisieren. Wir möchten, dass in Zukunft zugleich immer Interpol verständigt wird, die in 160 Staaten dieser Welt vertreten sind. Das BKA wird das diese Woche in der Interpol-Tagung einbringen. Ich werde Ende Juni auf der Rio-Nachfolgekonferenz einbringen, dass ein Monitoring erfassen soll, was mit den Meldungen weiter passiert. Ist sie im Papierkorb gelandet oder hat sie zum Löschen der Bilder auf dem Server geführt?
SPIEGEL ONLINE: Bleiben die Bedenken, ob die Blockade auf andere Bereiche - zum Beispiel Musikdownloads - ausgeweitet wird.
Ursula von der Leyen: Das BKA muss konsequent dokumentieren, wie die Liste erstellt wird, damit es gerichtsfest ist, das steht so auch im Gesetzentwurf. Und der einzige Tatbestand, nach dem sie ermitteln dürfen, ist der Straftatbestand 184b StGB, nämlich Kinderpornografie, und nichts anderes.
SPIEGEL ONLINE: Das können Sie doch gar nicht beeinflussen. In einem Brief an die Macher des Blogs "Spreeblick" schreiben Sie: "Dies und nur dies sind die zu sperrenden Inhalte, über die wir derzeit sprechen." Das kleine Wörtchen "derzeit" lässt aufhorchen. Denn mit dem Blockiersystem des BKA wird eine Zensur-Infrastruktur geschaffen, die sich leicht ausdehnen lässt. Die Musikindustrie hat bereits Begehrlichkeiten angemeldet.
Ursula von der Leyen: Noch mal. Es geht um Kinderpornografie und nichts anderes. Mein Interesse ist, die Vergewaltigung von Kindern auf allen Ebenen zu bekämpfen, auch die Bilder im WWW. In diesem Gesetzentwurf, zu dieser Zeit, sprechen wir ausschließlich über das. Alles andere interessiert mich nicht. Wenn ein künftiger Gesetzgeber Sperren ausweiten will, muss er ein völlig neues Gesetz schaffen, mit Anhörungsverfahren, Petitionen und allem, was noch dazugehört. Niemand kann ein Gesetz unbemerkt ändern.
SPIEGEL ONLINE: Wer kontrolliert denn die Listen der gesperrten Websites?
Ursula von der Leyen: Das dürfen nur Leute des BKA oder Jugendschützer, die tatsächlich mit dieser Aufgabe betraut sind. Ich könnte mir aber durchaus vorstellen, und diese Idee ist aus der Diskussion gewachsen, dass ein Gremium mit unabhängigen Experten vor Ort beim BKA Einsicht in die Listen nimmt, ob ausschließlich Kinderpornografie nach Paragraf 184b StGB geblockt wird. Das wäre eine vertrauensbildende Instanz.
SPIEGEL ONLINE: Angenommen, ich bin als kleiner Blogger von so einer Sperrung betroffen. Wie könnte ich mich darüber beschweren?
Ursula von der Leyen: Ich kann mich direkt beim BKA beschweren, deswegen müssen die die Listen auch gerichtsfest erstellen. Werde ich nicht gehört, kann ich auf dem Verwaltungsrechtsweg im Eilverfahren mein Recht einfordern.
SPIEGEL ONLINE: Außerdem sollen aber laut Ihrem Entwurf die Provider "Personenbezogene Daten erheben und verwenden", um sie den "zuständigen Stellen auf deren Anordnung" zu übermitteln. Wenn ich aus Versehen durch das Anklicken einer Spam-Mail auf eine Stoppschild-Seite gelange, muss ich damit rechnen, auf eine Ermittlungsliste zu kommen, und dann meine Unschuld beweisen zu müssen?
Ursula von der Leyen: Generalverdacht? Nein. Den auszuschließen war ausdrücklich mein Anliegen. Und ich denke, das Bundesjustizministerium hat sich gründlich überlegt, wie die von ihm gewünschte Regelung aussehen muss.
SPIEGEL ONLINE: Per Spam auf Kinderpornografie geleitet zu werden, bedeutet noch nicht Konsum...
Ursula von der Leyen: Mir geht es in diesem Schritt um die präventive Seite, auch die ganz klare Ächtung. Mir ist das Deutlichmachen, worüber wir hier sprechen, um die für alle sichtbare Vergewaltigung von Kindern nämlich, fast das Wichtigste. Was übrigens auch zur Folge hat, dass wir uns inzwischen intensiver die therapeutischen Angebote ausgeschaut haben, um auch diese Seite zu beleuchten.
SPIEGEL ONLINE: In Dänemark und Australien sind angeblich auch Wiki-Seiten oder Seiten von Zensurkritikern auf den Listen gelandet. Laut Ihrem Entwurf wird einem Blogger nicht mitgeteilt, ob seine Site gesperrt wurde, und warum.
Ursula von der Leyen: Nun, in Europa haben über ein Dutzend Länder Blockiersysteme, und es gibt dort eine sehr geringe Anzahl von Beschwerden. Ich würde jetzt auch mal Lebenswirklichkeit wirken lassen, dass die Freizügigkeit im Internet der skandinavischen Länder, in Italien, in der Schweiz, in Spanien oder Großbritannien zum Beispiel nicht minder ist als in Deutschland, obwohl diese Länder blocken. Mir ist wichtig, dass ein BKA-Beamter bei jeder einzelnen Seite überprüft, ob der Inhalt nach deutschem Recht strafbar ist. Darüber hinaus wollen wir trotzdem aus Gründen der Transparenz das Expertengremium einrichten.
SPIEGEL ONLINE: Eine Kontrollinstanz bedeutet aber doch nicht, dass, wenn eine Seite gesperrt wird, der Betreiber informiert wird.
Ursula von der Leyen: Nein, denn im Prinzip merkt man es ja sofort. Denn wenn man die Seite anklickt, kommt das Stoppschild.
SPIEGEL ONLINE: Was ist mit sogenannten Affiliate-Vermarktern: Die sammeln Werbung und spielen sie auf Tausende von Webseiten. Man hat keinerlei Einfluss darauf, was darin landet. Was, wenn man so scheinbar zum Betreiber einer Kinderpornoseite wird?
Ursula von der Leyen: Eigentlich müsste den Seitenbetreibern die Stopp-Seite dann doch willkommen sein. Es kann doch nicht in ihrem Interesse sein, dass unter ihrem Label die Vergewaltigung von Kindern gezeigt wird. Die Sperrung ist eher hilfreich für sie. Sollte so etwas als Teaser laufen, wäre es für die Seitenbetreiber wichtig, dass das geblockt wird. Und durch die Reaktion des BKA würden sie, wenn es um einen Server hier in Deutschland geht, automatisch eine Anfrage darüber kriegen.
SPIEGEL ONLINE: Herr XYZ, der in seiner privaten Zeit bloggt und die Seite über einen Affiliate-Vermarkter refinanziert, hätte immer noch ein Problem, denn das Netz vergisst nichts. Wenn man einmal im Ruch steht, in dieser Szene tätig zu sein...
Ursula von der Leyen: Ich glaube, diese Diskussion wäre dann auch längst hochdominant in den Ländern, die seit Jahren mit Erfolg Kinderpornografie sperren und die sich erheblich wundern, was wir hier für hypothetische Debatten führen über potentielle Fälle, die bei ihnen in der Wirklichkeit nie stattgefunden haben. Das Beschämende für Deutschland ist, dass andere Länder diese Diskussion mit uns zeitgleich geführt haben. Und zwar europäische Länder, mit denen wir uns gerne vergleichen. Nur wir diskutieren darüber, was alles nicht geht. Wir sollten darüber diskutieren, wie wir konsequent die Kompetenz, die im Netz da ist, nutzen können, um diesen Kampf gegen Kinderpornografie zu führen. Wir haben viele Anfragen, warum Deutschland sich immer noch schwer tut auf diesem Gebiet und nicht aktiv ist beim Access Blockings.
SPIEGEL ONLINE: Ende März kam von der EU der Entwurf eines Richtlinienvorschlags, der auch in diese Richtung zeigt. Da steht der Richtervorbehalt drin.
Ursula von der Leyen: Entschuldigen Sie mal, haben Sie eine Vorstellung über die Zahl und die Geschwindigkeit, mit der Kinderpornoseiten verbreitet werden? Und Sie meinen, es führt zum Ziel, wenn in jedem einzelnen Fall ein Richter entscheidet: Ja, es ist 184b. Wir haben einen scharf umrissenen Straftatbestand im Gesetz, dazu sind Gesetze da.
SPIEGEL ONLINE: Um Missbrauch des Gesetzes zu vermeiden, liegt das nahe. Warum aber der Weg über das Telemediengesetz, statt ein Spezialgesetz für Sperren gegen Kinderpornografie zu schaffen?
Ursula von der Leyen: Moment, glauben Sie wirklich, ein Spezialgesetz würde einen späteren Gesetzgeber, eine Regierung in zehn oder zwanzig Jahren in irgendeiner Form hindern, ein anderes Spezialgesetz zu machen?
SPIEGEL ONLINE: Es müsste auf jeden Fall neu diskutiert, demokratisch legitimiert werden.
Ursula von der Leyen: Ganz egal, ob Sie einen Artikel ändern oder ob Sie einem Gesetz einen neuen Namen geben - hier heißt es das Kinderpornografie-Bekämpfungs-Gesetz, es ist also sehr deutlich, worüber wir sprechen. Sie brauchen immer das geordnete Verfahren durch alle Gremien hindurch. Das geht vom Kabinett bis zum Bundestag, mit aller Transparenz. Ohne das können Sie kein Gesetz verändern.
SPIEGEL ONLINE: Damit sind wir beim Thema der Normenklarheit, die auch der Rechtsgutachter Dieter Frey in seinem Gutachten bemängelt. Im Gesetz sind drei Wege benannt, Seiten zu sperren: Über die Zieladresse, die Domain oder die IP-Adresse. Davon könnten zielgenau einzelne Seiten, aber auch Tausende von Adressen im Bündel betroffen sein. Das ist im Gesetz nicht klar genug geregelt.
Ursula von der Leyen: Sowohl die Verträge mit den Providern, als auch das Gesetz sagt: Minimum ist die Domain-Sperre, das ist die Basis. Es geht uns darum, gemeinsam die beste Form zu finden, Kinderpornografie zu bekämpfen. Ich kann da auch nur die kompetente Internet-Community auffordern mitzuformulieren, was ein effektiver Weg ist, den bestehenden Status nicht weiter zu tolerieren. Wo sind die heilenden Kräfte des Internets in den vergangenen zehn Jahren gewesen?
SPIEGEL ONLINE: Die haben zum Teil Angst, tätig zu werden. Dass lange Zeit Leute, die Kinderpornografie angezeigt haben, selbst Ermittlungsverfahren angehängt bekommen haben, hat das Vertrauen in Behörden nicht unbedingt gestärkt. Warum wollen Sie den Nutzern mit Stoppschild und Datenerhebung wieder Angst machen?
Ursula von der Leyen: Durch die Erkenntnis, dass da Fehler passiert sind, haben seit 1998 Verbesserungsprozesse stattgefunden. Genau diesen Prozess müssen wir hier auch gehen. Wir können nicht zurück in den Dornröschenschlaf und sagen, wir sehen das alles nicht.
SPIEGEL ONLINE: Einspruch! Wenn Sie sich die Statistiken der Landeskriminalämter ansehen, ist die zielgerichtete Ermittlungsarbeit sehr erfolgreich.
Ursula von der Leyen: Darauf können wir auch stolz sein. Aber hier geht es um das Internet. Ich meine damit, dass diese scheußlichen Bilder weiterhin täglich abrufbar sind und wir tun nichts dagegen. Das dürfen wir nicht länger tolerieren.
SPIEGEL ONLINE: Sie bauen doch mit der Stopp-Seite lediglich einen Sichtschutz auf. In England organisiert ein gemeinnütziger Verein eine Meldeseite ohne staatliche Beteiligung.
Ursula von der Leyen: Und was macht dieser Verein noch? Er nimmt auch andere Themen auf als Kinderpornografie. Damit sind wir bei Ihrem berechtigten Vorbehalt, das dürfe nicht auf andere Bereiche ausgeweitet werden. Und England hat aus gutem Grund zusätzlich zum Verein staatlicherseits verabredete Zugangssperren zu kinderpornografischen Seiten.
SPIEGEL ONLINE: Ihr Gesetzesvorschlag scheint übers Knie gebrochen zu sein. Da ist zum Beispiel zu lesen, dass die Liste binnen sechs Stunden umgesetzt werden muss. Und gleichzeitig steht da, dass das nur wochentäglich geschieht. Am Wochenende, wenn also im Internet am meisten los ist, findet das Access Blocking nicht statt.
Ursula von der Leyen: Sie haben recht, da gibt es Nachbesserungsbedarf. Die Länder, die sperren, sagen: Die meiste Aktivität findet statt zwischen 23 Uhr und 1 Uhr. Und am wenigsten passiert am Heiligabend. Da sind die Täter bei ihren Familien.
SPIEGEL ONLINE: Und nun?
Ursula von der Leyen: Unwirksam ist auf jeden Fall, von Montag bis Freitag gar nichts zu tun. Sie plädieren also dafür, die Listenaktualisierung auch am Wochenende zu machen: Kluger Gedanke, das nehmen wir auf.
SPIEGEL ONLINE: Sind Wahlkampfzeiten geeignet, so etwas schnell zum Gesetz machen zu wollen?
Ursula von der Leyen: Der Zeitpunkt ist nie günstig für kontroverse Themen. Es war klar, dass das eine knallharte Auseinandersetzung wird - und dass es der Auseinandersetzung bedarf, um Argumente zu schärfen, um Sichtweisen zu verbreitern, um ein differenzierteres Bild hinzukriegen. Aber den Handlungsdruck aufrecht zu erhalten, das ist das Entscheidende.
SPIEGEL ONLINE:Es soll einen Evaluierungsprozess geben, wie kann man sich den vorstellen?
Ursula von der Leyen: Sie müssen Daten und Fakten über so eine Maßnahme sammeln, einen Bericht erstellen und den müssen sie natürlich öffentlich diskutieren. Auch hier wieder eine hochspannende, schöne Seite am Internet: Sie haben 30 bis 40 Millionen Kontrolleure. Super! Nur so lebt Demokratie, wenn man darum ringt, wo die Möglichkeiten und Grenzen liegen. Dazu gehört auch ein internationales Monitoring darüber, was mit den Seiten auf den Sperrlisten passiert ist. Das muss man systematisch nachhalten.
SPIEGEL ONLINE: Und wer macht das? Eine unabhängige Evaluierungsstelle?
Ursula von der Leyen: Die Evaluierung des Gesetzes wird nicht von einem Ministerium gemacht, sondern natürlich von einem fachlichen, unabhängigen Institut.
SPIEGEL ONLINE: Werden Sie die Gesetzesänderung noch in dieser Legislaturperiode durchbekommen?
Ursula von der Leyen: Ich bin zuversichtlich. Man stelle sich die Alternative vor.
SPIEGEL ONLINE: Zum Beispiel: Sinnvolle, zielgerichtete Ermittlungsarbeit?
Ursula von der Leyen: Bitte, jetzt nicht wieder alles von vorne.
Das Interview führten Frank Patalong und Hilmar Schmundt und ist am 26.05.2009 bei SPIEGEL ONLINE erschienen.