Sehr geehrte Frau Scherb,
sehr geehrte Frau Ministerin, sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Frau Parlamentarische Staatssekretärin, liebe Gabriele Lösekrug-Möller,
sehr geehrter Herr Oberbürgermeister
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,
liebe Gäste,
liebe Landfrauen,
I.
wahrscheinlich können Sie schon gar nicht mehr hören, wie toll Ihre Kuchen schmecken und wie großartig es ist, was Sie auf dem Land alles organisieren.
Ich bin ohne den Deutschen Landfrauenverband groß geworden. In der DDR gab es diese Organisation nicht. Aber ich bin in Seelow aufgewachsen, einem kleinen Ort im östlichen Brandenburg, und ich weiß, wie Frauen auf dem Land leben und was sie leisten. Selbstverständlich arbeiten Frauen auf dem Land mit. In der DDR waren ja ohnehin alle Frauen berufstätig.
Aber daneben waren es auch die Frauen, die die Familie gemanagt haben. Und es waren die Frauen, die das Netz der Bekanntschaften und der Hilfe auf dem Dorf geknüpft, gepflegt und geflickt haben. Und wenn dann für Feste Kuchen gebacken und Räume geschmückt wurden, gab es immer viel Lob und Anerkennung. Aber oft haben sich die Frauen gewünscht, dass mancher, der im Nachhinein lobt, lieber mal im Vorhinein hätte mit anpacken sollen. Ich bin sicher, auch das kennen Sie - auch im Westen und auch bei den Landfrauen.
Ich kann Ihnen heute nicht versprechen, bei Ihnen mit anzupacken. Aber ich komme mit Unterstützung für Ihre politischen Anliegen. Danke für die Einladung zum Deutschen Landfrauentag 2014!
II.
Ich habe mir vor dieser Veranstaltung angeschaut, was im Deutschen Landfrauenverband in den letzten Monaten und Jahren diskutiert wurde. Mein Eindruck ist, dass sich Landfrauen ein bisschen neu erfinden. Es wachsen weniger junge Frauen nach, qualifizierte Frauen wandern ab in die Städte, und Bildungsangebote, wie sie seit jeher die Landfrauen machen, bekommen Konkurrenz aus dem Internet. Es ist längst nicht mehr so, dass sich in den Städten alles verändert, während auf dem Land alles bleibt, wie es ist.
Eine der wichtigsten gesellschaftlichen Entwicklungen, der demografische Wandel, trifft ländliche Regionen heute zuerst und besonders einschneidend. Nicht alle ländlichen Regionen, aber viele, und darunter ist das östliche Brandenburg ebenso wie Sachsen-Anhalt und mein Heimatland Mecklenburg-Vorpommern, aber auch ländliche Regionen im Westen wie die Eifel.
Wenn es weniger Kinder gibt und viele junge Menschen abwandern, wird es in einer Region immer schwieriger, Infrastruktur aufrechtzuerhalten. Und auch das soziale Leben leidet.
Die Landfrauen schließen diese Lücke ein Stück weit. Ich weiß nicht, wie viele Dorfläden oder Cafés der Landfrauen mittlerweile die einzigen Anlaufstellen in den Dörfern sind. An dieser Stelle will ich doch einmal ausdrücklich Anerkennung aussprechen - Landfrauen leisten im demografischen Wandel Enormes. Aber der Bevölkerungsrückgang macht sich eben auch in den Ortsvereinen der Landfrauen bemerkbar.
Eine zweite große Veränderung ist die Digitalisierung. Hier finde ich die Auswirkungen, gerade auf dem Land, positiv. Die digitale Welt bringt ländlichen Räumen viele neue Chancen. Das Buch von Amazon oder das neue Paar Schuhe bei Zalando ist jetzt auf dem Land genauso weit weg wie in der Stadt: einen Mausklick und eine Zahlung. Online.
Und das ist nur eine der vielen Veränderungen, die Digitalisierung für unser tägliches Leben mit sich bringt. Ich weiß, dass sich Landfrauen schon lange mit IT und ihren Chancen auf dem Land beschäftigen. Ich finde es spannend, wenn Sie fordern, dass ländliche Arbeitsmärkte stärker auf Digitalisierung setzen sollen. Mir leuchtet diese Forderung ein. Sie bringt moderne Arbeitsplätze, gut bezahlte Arbeitsplätze und Arbeitsplätze für Frauen, die vielleicht dazu beitragen, dass manche junge Frau, die das möchte, dort bleiben kann, wo sie aufgewachsen ist.
III.
Damit bin ich an dem Punkt, an dem ich Ihnen Unterstützung signalisieren und Zusammenarbeit anbieten möchte. Sie stellen sich als Verband modern auf. Sie haben moderne Forderungen. Sie vertreten moderne Frauen. Genau das ist auch mein Ansatz. Meine Familienpolitik stellt Partnerschaftlichkeit bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den Mittelpunkt. Ich möchte als Gleichstellungspolitikerin gleiche Rechte für Frauen und Männer tatsächlich durchsetzen - in der Arbeitswelt, aber auch zum Beispiel in der Kommunalpolitik.
Und ich kämpfe für die Chancengleichheit aller Kinder, für das Recht auf Schutz, Bildung und Beteiligung von Anfang an. Die Landfrauen sprechen mir mit vielen ihrer Forderungen aus der Seele. Dass Frauen ebenso wie Männer im Betrieb mitarbeiten, hat - ich habe es zu Beginn gesagt - auf dem Land eine viel stärkere Tradition als in der Stadt.
Lange waren damit klare Rollenbilder von Männern und Frauen und klare Hierarchien in der Arbeitsteilung verbunden. Aber diese Rollenbilder sind längst ins Wanken gekommen. Partnerschaftlichkeit - als Wunsch der Menschen und als Leitbild - bringt heute eine neue Qualität in die Familienpolitik.
Beim Thema "Zeit für Familien" muss man in ländlichen Regionen sicherlich auf andere Dinge schauen als in den Städten. Zum Beispiel sind Entfernungen und damit Wegezeiten länger. Wir haben im Rahmen der Initiative "Lokale Bündnisse für Familie" ein Pilotprojekt zur Kommunalen Familienzeitpolitik gestartet. Zwei der fünf Standorte liegen im ländlichen Raum.
Einer ist der Saalekreis in Sachsen-Anhalt. Da plant das lokale Bündnis zum Beispiel, an einer zentral gelegenen Grundschule ein Freizeitzentrum einzurichten, um Beschäftigten in Schichtarbeit oder mit mehreren Arbeitsverhältnissen Wegezeiten und Zeitkonflikte zu ersparen.
IV.
Besonders gefreut habe ich mich darüber, dass der Landfrauenverband in seinem Positionspapier vom Mai diesen Jahres ausdrücklich die Quote für Frauen in Führungspositionen unterstützt. Man könnte ja denken, dass Welten liegen zwischen den Vorständen und Aufsichtsräten der DAX 30-Konzerne einerseits und kleinen ländlichen Betrieben andererseits. Dass die Unterschiede so groß sind, dass Sie sagen: Was ihr den Großunternehmen vorschreibt, ist uns hier auf dem Land egal.
Aber das tun Sie nicht. Sie sagen: "Wir brauchen die Quote als Instrument für mehr Chancengerechtigkeit". Genau so sehe ich es auch.
Natürlich führt nicht jede Karriere von Frauen in den Vorstand oder Aufsichtsrat eines großen Unternehmens. Es gibt andere Führungspositionen, andere Berufswege, andere Möglichkeiten, im Beruf etwas zu bewegen. Mit dem Gesetz zur Frauenquote setzen wir ganz oben an, aber die Wirkung des Gesetzes wird sich nicht auf die oberen Führungsetagen beschränken. Ich bin fest davon überzeugt, dass ein höherer Anteil von Frauen in Führungspositionen dazu führen wird, dass die gesamte Unternehmens- und Arbeitskultur frauen- und familienfreundlicher wird. Auch die örtliche Sparkasse oder der Vorstand des örtlichen Bauernverbandes.
Das wird nicht von heute auf morgen gehen. Das kann man auch nicht einfach per Gesetz verordnen. Aber ich bin sicher, dass Sie sich als Landfrauen ebenso für diesen Kulturwandel einsetzen werden wie ich es von Berlin aus tun werde. Und das Gesetz zur Frauenquote wird uns dabei helfen.
Wir setzen in der Gleichstellungspolitik allerdings nicht nur in den Führungsetagen an. Übermorgen wird der Bundestag für Deutschland einen Mindestlohn beschließen. Auch wenn die Gegner des Mindestlohns gerade ländliche Räume und ländliche Betriebe als Argumente anführen: Sie werden von der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns profitieren, weil gerade sie oft im Niedriglohnbereich arbeiten.
Mehr als drei Millionen Frauen sind ausschließlich geringfügig beschäftigt. In der Altersgruppe zwischen 25 und 50 Jahren liegt der Frauenanteil im Niedriglohnbereich sogar bei rund 75 Prozent. Ich bin davon überzeugt, dass der Mindestlohn gerade Frauen auf dem Land helfen wird, eine würdige, auskömmliche und verdiente Bezahlung zu erhalten. Dazu kommt, dass Frauen immer noch 22 Prozent weniger Geld bekommen als Männer. In ländlichen Gebieten liegt der Unterschied sogar noch ein wenig höher. Diese Lohndiskriminierung muss aufhören!
Dazu werden wir ein Entgeltgleichheitsgesetz vorlegen, das die direkte Lohndiskriminierung wirksam beseitigen wird, indem Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern in einem Unternehmen sichtbar gemacht und damit bekämpft werden. Die Eckpunkte werde ich noch in diesem Jahr auf den Weg bringen.
In seinem Positionspapier ist der Deutsche Landfrauenverband an dieser Stelle noch zurückhaltend. Aber ich weiß, dass Sie das Bundesfrauenministerium in gemeinsamen Projekten stets dabei unterstützt haben, die Lohnlücke zu reduzieren. Ich verspreche Ihnen, dass wir, wenn wir dieses Gesetz erarbeiten, auch auf die Frauen im ländlichen Raum schauen und die Verbände anhören werden, die sich damit auskennen.
V.
Und wer kennt sich mit dem Leben von Frauen auf dem Land und mit ihren Interessen aus? Die Landfrauen. Frauen auf dem Land wissen Bescheid. Sie reden vielleicht nicht so viel - das ist jedenfalls meine Erfahrung. Aber dafür reden sie Klartext. Ihr Land ist nicht das Land der Städter, die die "Landlust" lesen, am Wochenende einen Ausflug mit dem Fahrrad machen und dann empört sind, dass auf dem Land nicht alles bio ist.
Ihr Land ist aber auch nicht das Land der Traditionalisten, die eine vermeintlich gute alte Zeit in Erinnerung haben, ihre Heimat verteidigen und von Veränderungen nichts wissen wollen. Schon gar nicht von Frauen in verantwortlichen Positionen.
Fest steht für mich: Wir brauchen Frauen auf dem Land. Moderne Frauen. Frauen in Verantwortung. Frauen mit Ideen. Wir brauchen die Landfrauen. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei den Herausforderungen, vor denen Landfrauen heute stehen. Auf Bundesebene wie auf der Ebene der Ortsvereine in Regionen, die von Abwanderung und demografischem Wandel betroffen sind.
Ich bin sicher, Sie schaffen das! Denn Frauen auf dem Land sind stark. Sie waren das schon immer. Und sie werden es bleiben, auch wenn - und gerade wenn sich das Land verändert. Alles Gute und zunächst einmal einen schönen Landfrauentag hier in Magdeburg!