Berlin Lisa Paus: Gewalt darf keinen Platz in der deutschen Politik haben

Es gilt das gesprochene Wort.

Wir sind erschüttert von dem Attentat auf Robert Fico, den slowakischen Ministerpräsidenten, gestern Nachmittag. Die Bundesregierung verurteilt den Mordversuch aufs Schärfste! Im Namen der Bundesregierung übermittle ich die besten Wünsche für seine umfassende Genesung.

Ich teile die Worte des Bundeskanzlers: "Gewalt darf keinen Platz haben in der europäischen Politik." Und sage: Gewalt aus welchem Spektrum auch immer darf auch in der deutschen Politik keinen Platz haben! Vor der Tat steht das Wort. Ich erinnere stellvertretend an die schrillen Sätze von Herrn Gauland: "Wir werden sie jagen. Wir werden Frau Merkel oder wen auch immer jagen - und wir werden uns unser Land und unser Volk zurückholen." Für mich ist das verbale Gewalt. Und die hat Folgen. 

Die heutige Aktuelle Stunde ist nötig, weil auch in Deutschland längst der Beweis erbracht ist, wie aus düsteren Ankündigungen und Drohungen Taten werden: Straftaten. Gegen Politikerinnen und Politiker Gegen demokratisch Engagierte. Gegen Menschen im Ehrenamt. Gegen Rettungskräfte. Gegen Lokaljournalisten, die über Rechtsextreme berichten.

Mir ist wichtig zu sagen: Wir Abgeordneten der demokratischen Parteien in diesem Haus und in den Kommunal- oder Landesparlamenten - wir stehen heute stellvertretend für alle Menschen, die sich für unser Gemeinwohl engagieren! Für das demokratische Miteinander. Für unsere Freiheit. Wir sprechen heute für jene, die Gewalt ausgesetzt sind - weil sie Demokraten sind. Einer Gewalt - ich zitiere, "die nichts mehr mit dem zivilisierten Streit zwischen politischen Gegnern zu tun hat." So kommentiert es die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 2. Mai. Und die Gewalt reißt nicht ab. Auch Katrin Göring-Eckart wird angegriffen. Der Dresdner SPD-Politiker Ecke zusammengeschlagen. Und Berlins Wirtschaftssenatorin Giffey attackiert. Vor einer Woche Kai Gehring und Essens dritter Bürgermeister Rolf Fliß. Allein 2023 wurden 2790 Angriffe auf politische Mandatsträger und Mandatsträgerinneng gemeldet: Darunter Grüne 1219, AfD 478, SPD 420, FDP 299, CDU/CSU 295 und Linke 79. Wir verurteilen diese Gewalt ausnahmslos.

Es ist etwas verrutscht in diesem Land: Gewalt wird Teil der politischen Auseinandersetzung. Engagierte und ehrenamtlich arbeitende Menschen werden körperlich attackiert, geschlagen, getreten, angerempelt, bespuckt. Vergangene Woche in Dresden sogar vor laufender Kamera, als Vermummte erst die Stadtrat-Kandidatin angreifen - und dann das Fernsehteam, das die Szene filmt.

Die Soziologen Wilhelm Heitmeyer und Harald Welzer kommen zu dem Schluss: "Ein aufgeheizter, nach rechts verschobener Diskurs ist eine Ursache für zunehmende Gewalt gegen Politiker." Auch der frühere Innenminister de Maiziere sagte neulich rückblickend: die Gefahr von rechts sei lange unterschätzt worden. Ich füge an: Wenn in der Politik aus Gegnern Feinde werden; wenn nicht mehr inhaltliche Kritik im Vordergrund steht, sondern das gezielte Verächtlichmachen der anderen - dann ist der demokratische politische Diskurs bedroht! Und dann fühlen sich Einige im Recht loszuziehen, um Gegner auszuschalten. Mindestens mundtot zu machen. Deshalb ist es fundamental wichtig, dass wir Demokratinnen und Demokraten bei allem Streit Respekt und Anstand beherzigen - vorleben! Flagge zeigen gegen Rechtsaußen, die auch in diesem Haus einen Ton setzen, der mit parlamentarischen Gepflogenheiten, demokratischem Anstand und menschlichem Respekt nichts mehr zu tun haben will! Dieses Wahljahr steht im Zeichen des Streits unterschiedlicher politischer Konzepte. Schützen wir einander und streiten anständig miteinander. Und schützen wir die, die sich für andere engagieren. Denn um diese Menschen geht es uns: Sie sind unser Fundament, unser Schatz! Ich habe viele von ihnen besucht - in Sebnitz, Wiesbaden, Halle und Dresden. Menschen, die zum Beispiel Partnerschaften für Demokratie gegründet haben. Die Demokratie zusammen leben. Vorbilder sind: Menschen in Limburg-Weilburg, die mit ihrer Aktion "Wir stehen für Demokratie!" so beherzt und erfrischend Zeichen setzen. 

Menschen, die an der Seite von Personen, die sich als lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, transsexuell, intersexuell oder queer identifizieren (LGTBIQ-Personen) mehr Respekt und Akzeptanz für deren Lebensform erreichen wollen. Menschen in Spremberg, die nach rechtsextremistischen Vorfällen an mehreren südbrandenburger Schulen so beherzt Projekte gegen Rassismus an Schulen aufziehen: Wahre Mutbürgerinnen und Mutbürger, die ihre ersten Demos organisieren, sagen mir: "Unsere Kleinstadt war plötzlich bunt. Alle waren da, junge Familien, Ältere. Wir haben erlebt, was wir bewirken können, was wir in einer Demokratie auf die Beine stellen können!" Andere engagieren sich in Jugendforen, bei Jugendpolitiktagen, im Bundesjugendring oder auch in den so wichtigen Freiwilligendienste. Wir haben unzählige Engagierte in unserem Land: Fast 30 Millionen. Darauf können wir stolz sein.

Es ist unsere Pflicht, all diese Menschen zu stützen, zu schützen und die Demokratiefeinde aufzuhalten! Mit den Mitteln unserer wehrhaften Demokratie! Ich danke Bundestagspräsidentin Bas für ihre Klarheit auch in diesem Punkt. Und garantiere Ihnen: Als Bundesregierung werden wir alle Mittel ausschöpfen, die dafür notwendig sind. Das sind wir kommenden Generationen schuldig.

Aber auch Menschen wie Margot Friedländer, die die Gräuel der NS-Zeit überlebt hat und heute mit uns lebt. Die eindringlich mahnt - ich zitiere: "Ich bitte euch, mich zu unterstützen, dass die Geschichte sich nicht wiederholt. Was war, das können wir nun nicht mehr ändern, aber es darf nie, nie wieder geschehen. Ich bitte euch: Seid Menschen." Ich war vor zwei Wochen in der Gedenkstätte Auschwitz dort wo die Entmenschlichung industriell geplant und betrieben wurde. Ich habe viel zugehört und auch die Jugendbegegnungsstätte vor Ort gesehen. Volkswagen schickt dort seit Jahrzehnten Azubis hin, um zu lernen und zu erfahren. Es wäre gut, wenn mehr Unternehmen diesem Beispiel folgen und ihren Auszubildenden eine Reise zu einer KZ-Gedenkstätten ermöglichen würden. Um zu lernen. Oder um es mit den Worten von Wolfgang Schäuble zu sagen: "Wir Deutschen stehen in der Verantwortung, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und unsere freiheitlichen Werte zu verteidigen, die Menschenrechte und das Völkerrecht."

Angriffe auf Ehrenämtlerinnen und Ehrenämtler, Einsatzkräfte und Politikerinnen und Politikern sind Angriffe auf uns alle! Auf die Grundwerte der Bundesrepublik! Dagegen braucht es Repression - also eine sehr schnelle Reaktion des Rechtsstaates und seiner Behörden: Die Innenministerinnen und Innenminister prüfen, das Strafmaß für Angriffe auf Amts- und Mandatsträger, aber auch Ehrenamtliche zu erhöhen. Gegen Gewalt braucht es auch Solidarität aller Demokratinnen und Demokraten mit den Angegriffenen. Und es braucht Prävention! Das muss uns unser demokratisches Gemeinwesen wert sein. Darum auch das Demokratiefördergesetz! Für das ich alle demokratischen Parteien heute erneut um Unterstützung bitte. Lassen Sie uns ideologische Differenzen überbrücken im Dienste der Demokratie.

Es ist ein Gesetz um Projekte wie beispielsweise denen des Zentralrats der Juden, den Malteser Hilfsdienst oder den 350 kommunalen Partnerschaften für Demokratie Planungssicherheit zu geben bei gleichzeitiger Stärkung der Rolle des Parlaments. Auch die CDU geführten Länder Hessen und Berlin haben angekündigt Landesdemokratiegesetze zu verabschieden. Hier sollte der Bund nicht zurückstehen. Denn wir wollen jene stärken, die sich täglich in den Kommunen und Städten für Demokratie engagieren - und dafür Prügel einstecken. Sie verteidigen unsere Werte! Für sie stehen wir heute. Denn wir sind Menschen. Machen Politik für Menschen. Bleiben wir also Menschen. Empathisch, zugewandt, demokratisch, frei von Gewalt. Vielen Dank!