Es gilt das gesprochene Wort
Sehr geehrter Herr Elias,
sehr geehrte Frau Elias,sehr geehrte Frau Botschafterin,
sehr geehrter Herr Matthes,
sehr geehrter Herr Dubbelman,
sehr geehrter Herr Siegele,
liebe Jugendliche, sehr geehrte Damen und Herren,,
I.
am heutigen Tag wäre Anne Frank 85 Jahre alt geworden. Ich bin dankbar, dass Sie es mir ermöglichen, an dieser Feierlichkeit hier in der Akademie der Künste teilzunehmen. Eine besondere Freude ist es für mich, Herrn Elias - den Cousin von Anne Frank - und seine Frau unter den Ehrengästen begrüßen zu können. Ich habe den Hinweis erhalten, dass Ihr Geburtstag, Herr Elias, vor 10 Tagen gewesen ist. Ich möchte daher die Gelegenheit ergreifen, auch Ihnen ganz herzlich zu gratulieren.
Und ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie sich bis heute für die Erinnerung an Anne Frank einsetzen, die Erinnerung an das mutige Mädchen, das sich ein gleichberechtigtes, friedliches Miteinander unter den Völkern gewünscht hat und das wir leider nur über seine Tagebucheintragungen kennenlernen durften.
Herr Elias, Ihr Einsatz für Projekte des Anne Frank Fonds und Ihre Gespräche mit jungen Menschen über das Schicksal von Anne Frank und die Lehren, die wir daraus ziehen können, sind ein wertvoller Beitrag für die interkulturelle Verständigung.
Mit diesem Engagement wird auch ein Wunsch von Anne Frank selbst Wirklichkeit. Am 4. April 1944 schrieb sie in ihr berühmtes Tagebuch: "Ich will fortleben nach meinem Tode". Das tut sie. Der Name Anne Frank steht heute für unbändigen Mut und die Fähigkeit in den dunkelsten Stunden Worte zu finden, die die Wirklichkeit in jugendlicher und damit entwaffnender Klarheit beschreiben.
II.
Ich bin in der ehemaligen DDR aufgewachsen. Dort ist Annes Tagebuch zwiespältig aufgenommen worden. Im Kalten Krieg wurden ihre Aufzeichnungen vor allem benutzt, um die Schrecken des Krieges zu beschreiben Für die DDR war der kommunistische Antifaschismus allerdings immer wichtiger als das kleine jüdische Mädchen.
Ab 1985 fand Anne Frank im Lesebuch der 7. Klasse der DDR keine Erwähnung mehr. Und schon zuvor war die Beschäftigung mit ihr den Lehrerinnen und Lehrern freigestellt.
Den offiziellen Umgang der DDR mit Anne und die private Beschäftigung der Bevölkerung mit ihr, dokumentiert eine Wanderausstellung des Anne Frank Zentrums sehr eindrücklich.
Die Erinnerung an Anne Frank ist also nicht selbstverständlich. Deshalb freue ich mich besonders, dass heute es ein so großes bundesweites Interesse gibt und ich heute 50 Jugendliche als Anne Frank-Botschafterinnen und -Botschaftern auszeichnen darf.
Liebe Jugendliche, Ihr bekommt heute für Euer Engagement eine Urkunde. Herzlichen Glückwunsch auch von mir! Ihr habt selbst die Initiative ergriffen, um euch als Peer Guides, also als Begleiterinnen und Begleiter, in Anne Frank-Wanderausstellungsprojekten ausbilden zu lassen. Ihr habt beschlossen, am Botschafter-Projekt teilzunehmen. Und gelernt, wie man
- Projekte organisiert,
- in der Öffentlichkeit dafür wirbt und
- die Finanzen verwaltet.
Ihr habt eigene Projektideen entwickelt und sie in euren Heimatorten umgesetzt. Mit diesem Engagement zeigt ihr allen, dass die angebliche Politikverdrossenheit der Jugend, das Fehlen von Zivilcourage, Eigeninitiative oder Tatkraft Klischees sind, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun haben.
Ich möchte euch dafür ausdrücklich meinen Dank und meine Anerkennung aussprechen!
III.
Die Entwicklung des Botschafter-Projektes geht nicht ohne das Anne Frank Zentrum. Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch Ihnen gebührt deshalb mein Dank.
In diesem Jahr feiert das Anne Frank Zentrum ein wichtiges Jubiläum. Seit 20 Jahren setzt sich das Zentrum für die Erinnerung an Anne Frank und das Lernen aus der Geschichte ein. Dafür nutzt es innovative Methoden und macht vielfältige pädagogische Angebote, vor allem für Jugendliche.
Wie bei der Ausstellung "Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte" mit der neuen Idee, Anne Frank-Botschafterinnen und –Botschafter auszubilden. Es ist im Rahmen des Bundesprogramms "TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN" meines Hauses gefördert worden.
Was mich besonders beeindruckt: Die Ausstellung ist nicht allein "Ausstellung" im klassischen Sinn, sondern Diskussions- und Lernort für ihre Besucher. Und damit auch Diskussions- und Lernort für Kinder und Jugendliche, denen das Schicksal von Anne Frank auf berührende Weise nahe gebracht wird. Die Ausstellung motiviert junge Menschen, die Erinnerung an Anne Frank lebendig zu halten, und bestärkt sie darin, sich mit der Geschichte des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung zu beschäftigen.
Mittlerweile haben 600 Jugendliche als Peer Guides Besuchergruppen durch die Ausstellung begleitet. Was für eine stolze Bilanz! 40.000 Menschen haben "Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte" in 28 Städten besucht.
IV.
Gerade am 85. Geburtstag von Anne Frank müssen wir uns bewusst machen, dass die Arbeit gegen Rechtsextremismus und für Demokratie auch heute notwendig und aktuell ist. Im Bundesprogramm "TOLERANZ FÖRDERN – KOMPETENZ STÄRKEN" sind Initiativen gefördert worden, die die Demokratie stärken und ein Zeichen gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus setzen.
- 174 Kommunen und Landkreise wurden bei der Umsetzung lokaler Strategien gegen Rechtsextremismus unterstützt,
- 52 Modellprojekte und 16 landesweite Beratungsnetzwerke gegen Rechtsextremismus wurden gefördert,
um das Signal auszusenden:
Wir stehen für Demokratie, Freiheit, Toleranz und Vielfalt. Rechtsextremismus und Antisemitismus haben in unserem Wertesystem keinen Platz!
Ich will der Unterstützung von Rechtsextremismusprävention und Demokratieentwicklung durch mein Ministerium neuen Schwung und mehr Nachhaltigkeit verleihen. In einem neuen Bundesprogramm wird der Aspekt einer Verstetigung des Engagements gegen Rechtsextremismus eine wesentliche Rolle spielen.
Bei der neuen Ausrichtung werden viele verschiedene Akteure einbezogen, darunter Träger und Landeseinrichtungen. In Gesprächen werden wir Vorstellungen und Ideen zur neuen Programmstruktur aus erster Hand einholen. Der Dialog ist zugleich ein Signal für eine stärkere Zusammenarbeit von Staat und Zivilgesellschaft beim Eintreten für Demokratie und Vielfalt.
Und wie Ihnen bekannt ist: Um das neue Bundesprogramm in eine versierte Hand zu geben, habe ich den ehemaligen Direktor des Anne Frank Zentrums, Herrn Thomas Heppener, gebeten, das Referat "Demokratie und Vielfalt" in meinem Haus zu leiten.
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Anne Frank Zentrums, ich hoffe, Sie sind nicht allzu böse deswegen auf mich. Ich kann die Unterstützung von Herrn Heppener gut gebrauchen. Er wird sein Wissen und seine Erfahrung in die Neukonzeption eines Bundesprogramms einbringen, und ich bin zuversichtlich, dass wir Anfang 2015 neu durchstarten können.
V.
Vielfalt und Demokratie sind auch heute – am 85. Geburtstag von Anne Frank – noch nicht selbstverständlich. Sie bleiben gesellschaftliche Aufgaben, denen wir uns mit vollem Einsatz widmen müssen.
Ihr, liebe Jugendliche, nehmt diese Aufgaben an und seid damit Vorbilder. Davon brauchen wir noch mehr. Denn Anne Franks Tagebuch ist Zeugnis davon, was passiert, wenn zu viele Menschen wegsehen, wenn sich zu wenige für demokratische Werte und Toleranz einsetzen und wenn zu viele meinen, das würden die anderen schon richten. Anne Franks Worte mahnen uns, stets wachsam zu bleiben.