Allein- und Getrennterziehende sind eine weit verbreitete Familienform: Für das Jahr 2023 weist das Statistische Bundesamt 1,69 Millionen Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren im Haushalt aus. Dies entspricht einem Anteil von 20 Prozent an allen Familienformen. Weitere 12 Prozent entfallen auf nichteheliche Lebensgemeinschaften mit Kindern. Der Anteil der Ehepaare mit Kindern liegt bei 68 Prozent. 2,5 Millionen Kinder, das sind 17 Prozent aller Kinder, leben in Haushalten von Alleinerziehenden.
Familie und Familienleben sind sehr vielfältig. Das gilt auch für die Gruppe der getrenntlebenden Familien, Allein- und Getrennterziehenden. Um passgenaue Unterstützung leisten zu können und gerechte Zugangschancen in unserer Gesellschaft zu schaffen, muss Familienpolitik die unterschiedlichen Lebenslagen und Bedarfe gut kennen.
Allein- und Getrennterziehende besser unterstützen
Der Deutsche Bundestag hat die Bundesregierung beauftragt, mindestens in jeder zweiten Wahlperiode einen Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland mit einer Stellungnahme der Bundesregierung vorzulegen. Der Bericht wird von einer unabhängigen Sachverständigenkommission erstellt.
Dabei soll jeder dritte Bericht die Situation der Familien möglichst umfassend darstellen, während die übrigen Berichte Schwerpunkte setzen können. Der Zehnte Familienbericht hat das Schwerpunktthema "Unterstützung allein- und getrennterziehender Eltern und ihrer Kinder - Bestandsaufnahme und Handlungsempfehlungen".
Er wurde am 15. Januar 2025 von Bundesfamilienministerin Lisa Paus gemeinsam mit der Vorsitzenden der Zehnten Familienberichtskommission, Prof. Dr. Michaela Kreyenfeld, vorgestellt. Mit seinen Analysen und Handlungsempfehlungen liefert der Bericht eine wichtige Grundlage für eine wirksame und zukunftsorientierte Weiterentwicklung der Unterstützungsmaßnahmen für Allein- und Getrennterziehende.
Zentrale Aussagen des Berichts
Der Zehnte Familienbericht untersucht die heterogenen Lebenslagen Allein- und Getrennterziehender und nimmt dabei die Dynamiken im Lebensverlauf in den Blick. Er betont die Notwendigkeit einer Politik, die die Resilienz sowohl des Individuums als auch der Gesellschaft stärkt, insbesondere in krisenhaften Lebensphasen wie Trennung, Scheidung oder dem Verlust eines Partners. Zugleich sollten Eltern und Kinder auf die Unterstützung durch die Solidargemeinschaft vertrauen können.
In diesem Sinne formuliert die Kommission folgende vier zentrale Ziele:
- Die Förderung der ökonomischen Eigenständigkeit von Müttern und Vätern,
- die Stärkung der gemeinsamen Elternverantwortung,
- die Berücksichtigung von Vulnerabilitäten - also besonders verletzlichen Lebenslagen - und
- die Anerkennung sowie Förderung der Vielfalt von Familienformen.
- Ökonomische Eigenständigkeit stärken: In welcher Lebenslage sich Mütter und Väter nach einer Trennung befinden, hängt ganz wesentlich davon ab, wie sie ihr Familienleben vor der Trennung organisiert haben. Um die ökonomische Eigenständigkeit beider Elternteile zu unterstützen, schlägt die Sachverständigenkommission unter anderem eine Reform des Elterngeldes, den weiteren Ausbau der Kindertagesbetreuung und eine stärkere familienzeitpolitische Gestaltungsfunktion im Arbeitszeitrecht vor.
- Gemeinsame Elternverantwortung fördern: Väter beteiligen sich heute stärker als frühere Generationen an der Betreuung ihrer Kinder, gleichzeitig nehmen die Erwerbstätigenquoten und Arbeitszeiten von Müttern kontinuierlich zu. Familienrecht sollte die Vielfalt eines sich verändernden Familienlebens abbilden und alle Betreuungsmodelle gleichberechtigt nebeneinander stellen.
- Vulnerabilitäten beachten: Alleinerziehende und ihre Kinder sind besonders oft von Armut betroffen oder bedroht. Die Kommission empfiehlt deshalb, Komplexitäten im Sozialrecht zu reduzieren und Zugänge zum Arbeitsmarkt zu erleichtern. Zusätzliche Kosten, die durch Umgang und Mitbetreuung entstehen, wenn Kinder in zwei Haushalten aufwachsen, sollten durch einen pauschalierten Mehrbedarf berücksichtigt werden.
- Familienvielfalt anerkennen und geteilte Betreuung berücksichtigen: Genauso vielfältig wie die Wege in allein- und getrennterziehende Elternschaft sind auch die Familienkonstellationen, die daraus resultieren. Die Sachverständigenkommission empfiehlt, die Familienvielfalt adäquat zu erfassen und die Statistik und Evaluationsforschung zeitgemäß weiterzuentwickeln.
Inhalte des Berichts
- Allein- und getrennterziehende Familien leben in vielfältigen Konstellationen. Etwa ein Viertel der Alleinerziehenden hat gar keinen Kontakt mehr zum anderen Elternteil. Die meisten Kinder wachsen nach einer Trennung mit einem haupt- und einem mitbetreuenden Elternteil auf, der Umfang der Mitbetreuung variiert stark. Nur ein geringer Teil der Eltern praktiziert das paritätische Wechselmodell mit annähernd gleichen Betreuungsanteilen.
- Allein- und Getrennterziehende bilden nicht nur aufgrund ihres quantitativen Umfangs eine bedeutsame Gruppe, sondern zeichnen sich auch durch sozialstrukturelle Besonderheiten aus, die sie von anderen Familienformen unterscheiden. Eine nähere Betrachtung ihrer Lebenssituationen sowie der Einkommens- und Beschäftigungsbedingungen verdeutlicht, dass diese Elterngruppe mit vielfältigen Herausforderungen und Belastungen konfrontiert ist.
- Hat bereits vor der Trennung eine partnerschaftliche Aufgabenteilung in Familie und Beruf bestanden, wirkt sich dies stabilisierend auf die wirtschaftliche Lage vor allem der Mütter aus. Latente Armutsrisiken von Müttern in Paarfamilien, die nicht oder nur in geringem Umfang erwerbstätig sind, manifestieren sich hingegen häufig bei einer Trennung. Alleinerziehende Mütter sind häufiger von Armut betroffen als alleinerziehende Väter.
- Alleinerziehende sind überwiegend erwerbstätig, aber ihr Äquivalenzeinkommen liegt deutlich unter dem von Paarfamilien mit Kindern. Im Jahr 2021 waren 72 Prozent der alleinerziehenden Mütter und 79 Prozent der alleinerziehenden Väter mit minderjährigen Kindern erwerbstätig (in Paarfamilien: 66 Prozent bzw. 90 Prozent). Dennoch haben Alleinerziehende im Durchschnitt deutlich weniger Geld zur Verfügung als Eltern in Paarfamilien.
- Alleinerziehende Mütter arbeiten etwas häufiger und mit höherer Stundenanzahl als verheiratete Mütter aus Paarfamilien. Bei gleichem Alter des jüngsten Kindes und zugleich einem ähnlichen Bildungsabschluss der Mütter ist die Erwerbsquote beider Gruppen allerdings ähnlich, nur der Erwerbsumfang der erwerbstätigen Alleinerziehenden bleibt im Vergleich höher.
- Die Erwerbstätigkeit korreliert mit dem Bildungsabschluss, der im Durchschnitt bei Alleinerziehenden im Vergleich zu Paarfamilien niedriger ist. Von den alleinerziehenden Müttern mit niedrigem Bildungsabschluss waren 2021 38 Prozent erwerbstätig, von denjenigen mit mittlerem Bildungsabschluss waren es 75 Prozent und von denjenigen mit hohem Bildungsabschluss 83 Prozent. Auch der Erwerbsumfang steigt mit dem Bildungsabschluss.
- Alleinerziehende sind deutlich häufiger von gesundheitlichen und psychischen Beeinträchtigungen betroffen als Eltern in Paarhaushalten. Alleinerziehende Mütter leiden häufiger unter Depressionen und Stress, berichten von einem schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand und zeigen ein schädlicheres Gesundheitsverhalten im Vergleich zu Müttern in Paarfamilien. Diese gesundheitlichen Belastungen sind besonders ausgeprägt in konfliktbehafteten Trennungsfamilien und wirken sich auch negativ auf das Wohlbefinden der Kinder aus.
Bislang erschienene Berichte
- 2021: Neunter Familienbericht "Eltern sein in Deutschland"
- 2012: Zeit für Familie - Achter Familienbericht
- 2006: 7. Familienbericht "Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit"
- 2000: 6. Familienbericht "Familien ausländischer Herkunft in Deutschland: Leistungen - Belastungen - Herausforderungen"
- 1994: "Familien und Familienpolitik in geeinten Deutschland - Zukunft des Humanvermögens" - Fünfter Familienbericht
- 1985: Die Situation der älteren Menschen in der Familie - Vierter Familienbericht
- 1979: Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland - Dritter Familienbericht
- 1974: Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland - Zweiter Familienbericht
- 1968: Bericht über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland