Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Der 100. Weltfrauentag ist für meine Generation ein Tag, um Danke zu sagen, Danke für all das, was Generationen von Frauen vor uns erkämpft haben: das Frauenwahlrecht, die formale rechtliche Gleichstellung von Mann und Frau, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit – Dinge, die für uns heute ganz selbstverständlich sind. Deshalb ist der 100. Weltfrauentag ein Feiertag weiblicher Emanzipation, und zwar nicht nur von traditionellen Rollenmustern, sondern junge Frauen emanzipieren sich auch von manchen Vorkämpferinnen weiblicher Emanzipation. Viele Frauen meiner Generation haben es satt, sich von anderen Frauen sagen zu lassen, wie man als emanzipierte Frau zu leben hat. Wir wollen Wahlfreiheit. Wir wollen uns für Lebensmodelle entscheiden können, und zwar auch für solche, die nicht den Vorstellungen anderer Frauen entsprechen, ohne dafür wahlweise als egoistisch oder feige hingestellt zu werden. Deshalb sollte von der heutigen Debatte vor allen Dingen auch einmal folgendes Signal ausgehen: Respekt vor privaten Lebensentscheidungen statt Diffamierung von bestimmten Rollenmodellen. Dafür müssen wir uns nur auf etwas verständigen, was eigentlich selbstverständlich ist: Gleichberechtigung ist nicht Gleichschaltung und Gleichsetzung. Gleichberechtigung berücksichtigt die Verschiedenartigkeit von Männern und Frauen.– Sie fragen mich, woher ich das habe? Das sage ich Ihnen: Die Frauenrechtlerin Helene Weber hat diesen Satz 1949 vor dem Deutschen Bundestag gesagt, und zwar kurz nachdem sie im Parlamentarischen Rat als eine von vier Frauen den wohl revolutionärsten Grundsatz unseres Grundgesetzes erkämpft hat: "Männer und Frauen sind gleichberechtigt."
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau in unserer Gesellschaft zu fördern – nicht im Sinne von Gleichsetzung, von Ergebnisgleichheit, sondern von Chancengleichheit –, das bleibt unsere gemeinsame Aufgabe, liebe Kolleginnen und auch liebe Kollegen. Da ist viel zu tun. Frauen sind in Führungspositionen kaum vertreten. Wir alle sind uns einig, dass sich das ändern muss. Das fängt bei den Arbeitszeiten und bei der Arbeitskultur an. Unsere Arbeitswelt ist gerade in den Führungsetagen auf Männer oder – ich sage es allgemeiner – auf Menschen zugeschnitten, die familiäre Verantwortung delegieren können oder die von vornherein auf Familie verzichten. Eine 70-Stunden-Woche nach dem Prinzip "Karriere wird nach Feierabend gemacht" bezahlen diejenigen mit eingeschränkten Karrierechancen, die nach Feierabend die Kinder bettfertig machen.
Frauen erwarten deshalb zu Recht mehr von uns als lächerliche Überbietungswettbewerbe der Opposition nach dem Motto: Wer fordert die höchste Quote? Frauen erwarten vielmehr, dass wir bei den Ursachen ungleicher Chancen ansetzen und dass wir ihre Bedürfnisse in den Blick nehmen.Wenn Frauen Teilzeit arbeiten, um Zeit für Familie zu haben – gestern konnten wir in einer Allensbach-Studie lesen, dass 59 Prozent der unter 45-Jährigen in Deutschland dieses Modell für das optimale halten –, dann sind diese Frauen doch nicht feige. Das ist eine selbstbewusste Entscheidung, die wir genauso respektieren und ermöglichen müssen wie diejenige, ganz auf den Beruf zu setzen oder ganz für die Familie da zu sein.
Nicht die Frauen müssen sich also ändern. Ändern muss sich unsere Arbeitswelt.Die windelweiche Selbstverpflichtung unter der rot-grünen Bundesregierung 2001 war doch ein Rohrkrepierer. Es gab viel joviales Schultergeklopfe, aber keine Inhalte. Aber so war Gerhard Schröder eben. Ich setze deshalb auf gesetzliche Regelungen.Erstens. Ich will Unternehmen gesetzlich verpflichten, sich konkrete Zielvorgaben für den Vorstand und für den Aufsichtsrat zu setzen.Diese Zielvorgaben können die Unternehmen – anders als es bei Ihrer Selbstverpflichtung der Fall war – nicht ignorieren. Zweitens. Die Unternehmen werden auch gesetzlich verpflichtet, diese Zielvorgaben transparent zu machen. Da wird es ruck, zuck Rankings geben. Diese Zielvorgaben müssen vor der Belegschaft, vor dem Betriebsrat, vor einer kritischen Presse und vor der Öffentlichkeit gerechtfertigt werden. Drittens. Ich will Sanktionen, wenn die eigenen Zielvorgaben nicht eingehalten werden, zum Beispiel die Anfechtbarkeit von Aufsichtsratswahlen. Immer mehr Unternehmen haben sich gerade in den letzten Wochen und Monaten selbst solche Zielvorgaben gesetzt. Das ist nicht mehr nur die Telekom. In den letzten Monaten sind BMW, Daimler, Bosch, Eon, Merck und Airbus hinzugekommen. Es geht also, meine Damen und Herren. Union und FDP setzen auf eine Politik der fairen Chancen, die allen Frauen zugutekommt. Diese Politik hat die Union in den letzten Jahrzehnten geprägt. Es war eine unionsgeführte Bundesregierung, bei der es die erste Frau in einem Bundeskabinett gab: Elisabeth Schwarzhaupt. Es war die Union, die vor 25 Jahren das Frauenressort eingerichtet hat. Es war die Union, die die Anerkennung von Kindererziehungszeiten bei der Rente durchgesetzt hat, die die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und haushaltsnahen Dienstleistungen durchgesetzt hat, und es war die Union, die den Ausbau der Kinderbetreuung auf den Weg gebracht hat.
Jetzt geht es darum, die Jungen und die Männer stärker einzubeziehen. Wenn wir Frauen zu fairen Chancen verhelfen wollen, dann müssen wir auch Männern die Chance geben, sich von Rollenmustern zu lösen und auf Partnerschaft zu setzen. Auch das hat schon Helene Weber gesagt: Es gibt in der Politik wie überall zwischen Mann und Frau eine Partnerschaft. Auf diese Partnerschaft sollten wir bauen. Das muss eine gleichberechtigte Partnerschaft werden.Ich komme zum Schluss. – Setzen wir auf diese Partnerschaft und schaffen wir die Voraussetzung für Wahlfreiheit und selbstbestimmte Entscheidungen von Männern und Frauen. Wir werden das ebenso packen wie die Frauen, die vor 100 Jahren das Wahlrecht erkämpft haben: mit Selbstbewusstsein, mit Stolz und mit einer gesunden Portion Sturheit.