Es gilt das gesprochene Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Es gibt nur einen einzigen Grund für diese Aktuelle Stunde: Das ist die Wahl in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag. Das ist zwar legitim, aber auch durchsichtig und platt.
Die Ausgestaltung des Betreuungsgeldes entscheidet sich nämlich nicht in Nordrhein-Westfalen, der Erfolg des Kitaausbaus aber durchaus.
Beim Ausbau der Kindertagesstätten spielt auch die eigentliche Musik. In den Kitaausbau gehört unsere gemeinsame Energie, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Was haben Sie von der Opposition in den letzten Wochen gemacht? Sie haben, um Ihren Wahlkampf zu führen, die Eltern in Deutschland unter einen Generalverdacht gestellt, was ich als Familienministerin und wir als Union und Liberale nicht dulden können und nicht dulden werden.
Ihr Aufhänger ist das Betreuungsgeld, dem Sie selbst - das gilt zumindest für die SPD - am 26. September 2008 im Deutschen Bundestag zugestimmt haben.
Die Argumente für und gegen diese Leistung sind zur Genüge ausgetauscht. Es wurde alles gesagt, und zwar von jedem. Leider haben Sie aber in dieser Debatte jegliches Maß verloren, und Sie haben die Sensibilität für junge Familien verloren.
Es stimmt: Viele Eltern in Deutschland wollen einen Krippenplatz, finden aber keinen. Es stimmt aber auch: Mehr als die Hälfte der Eltern in unserem Land will für ihre ein- und zweijährigen Kinder gar keinen Krippenplatz. Diese Entscheidungen haben Sie, die Opposition, nicht zu kritisieren, sondern zu respektieren.
Wir machen Familienpolitik für alle Eltern in Deutschland. Sie diffamieren die Eltern, und Sie beschimpfen Frauen, die sich selbst um ihre Kleinkinder kümmern wollen, als Heimchen am Herd und behaupten, dass sie nicht fähig sind, ihre ein- und zweijährigen Kinder zu erziehen und ihnen Bildung zu vermitteln.
Deshalb haben Sie ohne jegliche Sensibilität für junge Familien den Kampfbegriff der Herdprämie erfunden. Dass dieser Begriff diskriminierend ist, wissen Sie selber. Zumindest Cem Özdemir war ehrlich genug, das zuzugeben.
Er hat sich vor kurzem in einem Interview in der Welt von diesem Kampfbegriff verabschiedet. "Den Begriff 'Herdprämie' benutze ich nicht mehr", hat er gesagt. Das ist die Sensibilität eines jungen Vaters. Ich bin gespannt, ob sich das bei den frischgebackenen Vätern der SPD auch noch durchsetzt.
Ich habe es eingangs gesagt: Oberste Priorität hat der Kitaausbau. Denn ohne ein bedarfsgerechtes Angebot an Kinderbetreuung haben Eltern keine Wahl, geschweige denn Wahlfreiheit.
Deshalb werde ich auch dem Drängen der Zögerer und Zauderer nicht nachgeben, die den Rechtsanspruch gerne aufschieben wollen, wie der Münchener Oberbürgermeister Christian Ude.
Der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz ab dem ersten Geburtstag wird ab 1. August 2013 gelten, genauso wie wir das mit den Ländern und den Kommunen beim Krippengipfel 2007 vereinbart haben.
Die Kommunen haben mit unserer Hilfe und mit Unterstützung der Länder die Zahl der U-3-Plätze in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt. Das war in Zeiten knapper Haushaltsmittel ein gewaltiger Kraftakt. Niemand sollte unterschätzen, was der Bund, was die Länder und was die Kommunen in der Praxis leisten.
Jetzt geht es in den Endspurt. Das ist und bleibt eine Mammutaufgabe. Was den Bund betrifft, kann ich sagen: Der Bund hat seinen Anteil von 4 Milliarden Euro für den quantitativen und qualitativen Ausbau zur Verfügung gestellt. Er beteiligt sich ab 2014 mit 770 Millionen Euro jährlich an den Kosten des laufenden Betriebs. Aber darauf ruhen wir uns nicht aus. Natürlich unterstützen wir die Kommunen und Länder auch dort, wo es hakt. Da gibt es noch Potenzial, zum Beispiel bei der Kindertagespflege und den Betriebskitas. Das kommende Jahr muss das Jahr des Kitaausbaus werden.
Denn am 1. August 2013 interessiert es niemanden mehr, wer von SPD und Grünen hier im Mai 2012 welche Showeinlage abgeliefert hat, sondern dann interessiert nur, dass ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot in Deutschland zur Verfügung steht. Die Eltern vertrauen darauf. Wir sollten gemeinsam alles tun, um sie in diesem Vertrauen nicht zu enttäuschen.
Vor diesem Hintergrund kann es sich kein Land leisten, im Energiesparmodus unterwegs zu sein. Da muss uns folgende Wahrheit aufhorchen lassen: Von den Bundesmitteln für den Kitaausbau ist ein ganzes Drittel noch immer nicht verbaut.
Wir reden hier von über 700 Millionen Euro. Bei den Nachzüglern handelt es sich nicht nur um die ostdeutschen Länder mit geringem Ausbaubedarf - um die mache ich mir noch die wenigsten Sorgen - sondern vor allen Dingen auch um westdeutsche Länder mit hohem Ausbaubedarf. Zu den Nachzüglern gehören zum Beispiel Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Bremen. Es geht hier nicht darum, diese Länder an den Pranger zu stellen. Es geht nicht darum, die aktuellen Landesregierungen dort haftbar zu machen; denn in der Tat sind die Ausgangslagen, die Entwicklungen und die Gründe für die Verzögerungen in diesen Ländern unterschiedlich.
Es geht jetzt aber darum, Verantwortung zu übernehmen. Allein in den genannten drei Ländern stehen rund 160 Millionen Euro an Investitionsmitteln bereit, die noch nicht einmal bewilligt worden sind. Das heißt, in diesen Ländern existieren bis heute noch nicht einmal Planungen, aus denen hervorgeht, wie die vorhandenen Bundesmittel für den Kitaausbau eingesetzt werden sollen.
Von diesen Mitteln entfallen alleine 75 Millionen Euro - das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen - auf Nordrhein-Westfalen. Das ist der Stand 6. Mai 2012, also von vor vier Tagen.
Vor diesem Hintergrund kann ich Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, nur raten: Lenken Sie Ihre Energie endlich dahin, wo sie gebraucht wird!
Wer bis zum Sommer 2013 Kitaplätze in ausreichender Zahl fertigstellen will, der muss spätestens jetzt alle verfügbaren Gelder einsetzen.
Im Kern geht es in unserer heutigen Debatte um die Bedürfnisse der Familien, nicht um die Wünsche der Wirtschaft und auch nicht um die Wünsche der Politik. Die Aufgabe von Familienpolitik ist es nicht, Menschen vorzuschreiben, wie sie leben sollen, sondern die Aufgabe von Familienpolitik ist es, Menschen zu ermöglichen, so zu leben, wie sie wollen.