Das am 01.05.2014 in Kraft getretene Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt schützt Frauen, die ihre Schwangerschaft verdrängen oder verheimlichen und vom regulären Hilfesystem für Schwangere nicht erreicht werden. Ziel des Gesetzes ist es, heimliche Geburten außerhalb von medizinischen Einrichtungen zu vermeiden und gleichzeitig zu verhindern, dass Neugeborene anonym abgegeben, ausgesetzt oder getötet werden.
Kern des Gesetzes ist eine umfangreiche Änderung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes (SchKG). Zudem wurden weitere Gesetze geändert und das Gesamtvorhaben drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes evaluiert.
Ausbau der Hilfen für Schwangere
- Der Bund macht das vorhandene Hilfesystem besser bekannt. Vor allem soll über den Anspruch auf unbedingte anonyme Beratung nach § 2 Abs. 1 SchKG (2012 eingeführt) informiert werden. Dadurch wird der Zugang zu einer Beratungsstelle gerade für Frauen, die ihre Schwangerschaft verheimlichen.
- Das Verfahren der vertraulichen Geburt wird ebenfalls bekannt gemacht.
- Der Bund hat das kostenlose Hilfetelefon "Schwangere in Not – anonym und sicher" (Rufnummer: 0800 40 40 020) für Schwangere in psychosozialen Konfliktlagen eingerichtet und damit einen zusätzlichen niederschwelligen Zugang zum Beratungssystem geschaffen. Das Hilfetelefon bietet Hilfesuchenden rund um die Uhr, an allen Tagen im Jahr eine vertrauliche, auf Wunsch auch anonyme telefonische Beratung, bei Bedarf auch barrierefrei und mehrsprachig. Darüber hinaus können sich Hilfesuchende über die Internetangebote www.geburt-vertraulich.de und www.schwanger-und-viele-fragen.de auch online informieren und anonym beraten lassen.
- Durch Maßnahmen, die das Verständnis fördern soll für Eltern, die ihre Kinder zur Adoptionen freigeben, soll verhindert werden, dass ein Kind nur deshalb nicht zur Adoption freigegeben wird, weil die Mutter eine gesellschaftliche Missbilligung ihres Verhaltens befürchtet.
- Alle Beratungsstellen / Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen bieten Schwangeren mit dem Wunsch nach Anonymität umfassende Hilfen und Beratung an, um die Konflikte zu lösen, die das Bedürfnis nach Anonymität hervorrufen. Erst wenn sich keine geeignete Lösung findet,, kann eine vertrauliche Geburt durchgeführt werden.
Legalisierung der vertraulichen Geburt
Die vertrauliche Geburt dient dem Schutzbedürfnis von Frauen, die ihre Schwanger- und Mutterschaft geheim halten wollen, und räumt Kindern gleichzeitig die Möglichkeit ein, nach Ablauf einer bestimmten Frist ihre Herkunft zu erfahrenn. Die Kenntnis der eigenen Abstammung ist zur Identitätsfindung für jeden Menschen von zentraler Bedeutung und daher ein wesentliches, staatlich geschütztes Grundrecht.
- Die vertrauliche Geburt stellt durch umfassende anonyme Beratung und Begleitung der Schwangeren ein vertrauliches und medizinisch sicheres Angebot an Frauen dar, die sich trotz der bestehenden Hilfsangebote nicht in der Lage fühlen, ihre Schwangerschaft zu offenbaren.
- Die Beratung zur vertraulichen Geburt sowie die Begleitung der Schwangeren erfolgt durch Beratungsstellen / Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen nach § 3 und § 8 SchKG. Mit Einverständnis der Schwangeren soll die Beratung in Kooperation mit einer Adoptionsvermittlungsstelle erfolgen.
- Der Schwangeren wird für mindestens 16 Jahre Anonymität zugesichert. Die Frau muss ihre Daten nur der Beraterin offenbaren, die zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Die Daten werden sofort versiegelt und danach sicher verwahrt.
- Jede Frau, die ihr Kind vertraulich entbunden hat, genießt ab dem Zeitpunkt der Geburt für mindestens 16 Jahre Anonymität. Sie muss ihre persönlichen Daten nur einmalig der Beraterin der Beratungsstelle / Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle offenbaren, die zur Geheimhaltung verpflichtet ist. Die Daten werden durch die Beraterin in einem Umschlag sicher verschlosssen und danach für 16 Jahre sicher verwahrt.
- Die persönlichen Daten der Mutter dürfen frühestens nach 16 Jahren eingesehen werden – jedoch nur durch das vertraulich geborene Kind, sofern dies die Identität der leiblichen Mutter erfahren möchte.
- Die Mutter hat das Recht, 15 Jahre nach der Geburt wichtige schutzwürdige Belange gegen die Offenlegung ihrer Identität geltend zu machen. Das Kind kann in diesem Fall einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen, ob die Belange der Mutter sein eigenes Recht auf die Kenntnis der eigenen Abstammung überwiegen. Während des gesamten Gerichtsverfahrens kann die Mutter anonym bleiben. Ihre Interessen werden von einem bzw. einer von ihr benannten Verfahrensstandschafter/in wahrgenommen.
- Die Möglichkeit der vertraulichen Geburt ist mit der Beratung der Mutter verbunden. Sie wird in der Regel vor der Geburt durchgeführt, ist aber auch noch kurze Zeit danach möglich, wenn die Schwangere sich direkt zur Entbindung in die Klinik begeben hat. Dann informiert die Klinik / Hebamme eine Beratungsstelle / Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle, die der Frau Beratung anbietet, aber nicht aufdrängt.
- Um die Kosten, die im Zusammenhang mit der Geburt sowie der Vor-und Nachsorge entstehen, müssen sich weder die Schwangere / Mutter noch die Leistungserbringer (Kliniken, Hebammen) sorgen. Sie werden vom Bund erstattet.
- Auch Frauen, für die eine vertrauliche Geburt nicht in Frage kommt, werden nicht allein gelassen. Auch sie haben nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz das Recht, kontinuierlich anonyme Hilfen und Beratung in Anspruch zu nehmen.
Schutz des Kindes
Jedes vertraulich geborene Kind kommt medizinisch betreut (in einer Klinik oder bei einer Hebamme bzw. einem Geburtshelfer) zur Welt und wird anschließend vom Jugendamt in Obhut genommen. Ab dem Zeitpunkt der Geburt ruht die elterliche Sorge der Mutter. Das Kind erhält einen Vormund, und seine persönlichen Daten werden ins Geburtenregister aufgenommen.
Die leibliche Mutter hat das Recht, das Kind zu sich zurückzunehmen, wenn sie
- ihre Anonymität aufgibt,
- ihre Mutterschaft nachgewiesen ist,
- das Kindeswohl durch die Rücknahme nicht gefährdet wird und
- das Unterbleiben der Adoption dem Wohl des Kindes nicht abträglich ist.
Allerdings ist eine Rücknahme des Kindes durch die leibliche Mutter nur bis zum rechtskräftigen Gerichtsbeschluss über die Annahme des Kindes durch Adoptiveltern möglich. Dieser erfolgt erfahrungsgemäß nach etwa einem Jahr.
Wenn sich die leibliche Mutter nicht mehr um ihr Kind bemüht, kann dieses wie ein Findelkind adoptiert werden. Eine Einwilligung der Mutter ist dazu nicht erforderlich.
Die Adoptiveltern haben das Recht, die Umstände der Herkunft des Kindes (aber nicht die Identität der leiblichen Mutter) jederzeit zu erfahren und das Kind über seine Herkunft aufzuklären. Nach 16 Jahren erhält das Kind die Möglichkeit, seine Herkunft und die Identität seiner Mutter zu erfragen. Nur für den Fall, dass die leibliche Mutter Belange gegen die Offenlegung ihrer Identität geltend macht, ist eine gerichtliche Klärung über die Aufhebung der Anonymität der Mutter erforderlich.
Weitere Gesetzesänderungen
Neben dem Schwangerschaftskonfliktgesetz wurden durch das Gesetz zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt weitere Gesetze geändert:
- Das Staatsangehörigkeitsgesetz, damit das Kind aus einer vertraulichen Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erhält.
- Das Personenstandsgesetz und die Personenstandsverordnung, damit das Kind ordnungsgemäß registriert werden kann.
- Das Bürgerliche Gesetzbuch zur Regelung der elterlichen Sorge und der Adoption des Kindes.
Evaluation des Gesetzes
Drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt wurde die Wirksamkeit des Gesetzes evaluiert. Die „Evaluation zu den Auswirkungen aller Maßnahmen und Hilfsangebote, die auf Grund des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt ergriffen wurden“ bezieht sich auf den Zeitraum vom 1. Mai 2014 bis 30. September 2016. Danach zeigt sich: Die Hilfe für schwangere Frauen in Notsituationen kommt an. Das Gesetz wirkt und wird erfolgreich durch alle beteiligten Akteure umgesetzt.
Die wichtigsten Erkenntnisse aus der Evaluation sind im „Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen aller Maßnahmen und Hilfsangebote, die auf Grund des Gesetzes zum Ausbau der Hilfen für Schwangere und zur Regelung der vertraulichen Geburt ergriffen wurden“ zusammengefasst.