Durch das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) regelt der Bund die zivilrechtlichen Verträge zwischen volljährigen Personen und Unternehmen, die Wohnraum in Verbindung mit Pflege- oder Betreuungsleistungen anbieten. Die Bundesländer sind für die ordnungsrechtlichen Regelungen zuständig und haben entsprechende heimrechtliche Gesetze und Verordnungen erlassen.
Das WBVG trat 2009 in Kraft und wurde seitdem durch verschiedene Gesetze redaktionell modifiziert, zuletzt im Herbst 2019 mit Wirkung zum 1. Januar 2020. Das WBVG dient der Verwirklichung des Anspruchs auf Selbstbestimmung und Hilfe zur Selbsthilfe, der in der Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen dokumentiert ist.
Anwendbarkeit
Das WBVG stärkt als besonderes Verbraucherschutzgesetz den Schutz älterer und pflegebedürftiger Menschen sowie von Menschen mit Behinderungen vor Benachteiligungen, wenn sie einen Vertrag über die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen abschließen. Vertragspartner sind laut WBVG ein Unternehmen - zum Beispiel eine Pflegeeinrichtung - und die volljährige Verbraucherin beziehungsweise der volljährige Verbraucher, zum Beispiel ein älterer Mensch mit Pflegebedarf. Im Mittelpunkt des Gesetzes stehen Vorschriften darüber, wie ein Unternehmen vor Vertragsabschluss über die Leistungen informieren muss, wie der Vertrag abgeschlossen und umgesetzt wird und wie vertragliche Vereinbarungen geändert werden können. Die Einrichtungsform ist dabei nicht entscheidend.
Die Vorschriften des WBVG finden auf Verträge herkömmlicher Pflegeeinrichtungen sowie auf besondere Wohnformen Anwendung, etwa das "Betreute Wohnen". Das Gesetz findet aber auch auf Verträge volljähriger Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen der Behindertenhilfe Anwendung, sofern die Überlassung von Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen ist.
Nicht erfasst wird das reine "Service-Wohnen". Hier geht es ausschließlich um das Erbringen von allgemeinen Unterstützungsleistungen durch die Unternehmerin oder den Unternehmer, wie beispielsweise die Vermittlung von Pflege- oder Betreuungsleistungen oder Leistungen der hauswirtschaftlichen Versorgung.
Wichtige Regelungen des Gesetzes
Zu den wichtigsten Regelungen des WBVG gehören:
- Anspruch der Verbraucherinnen und Verbraucher auf vorvertragliche Informationen über Leistungen und Entgelte in leicht verständlicher Sprache.
- Schriftlicher Abschluss des Vertrages auf unbestimmte Zeit; Möglichkeit der Befristung, wenn sie den Interessen der Verbraucherin oder des Verbrauchers nicht widerspricht.
- Hohe Anforderungen an den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen: unter anderem genaue Beschreibung der einzelnen Leistungen des Unternehmens und die hierfür zu zahlenden Entgelte, Erklärung über Bereitschaft zur Teilnahme an einem Verbraucherschichtungsverfahren im Streitfall.
- Angemessene Entgeltzahlung; Zulässigkeit einer Erhöhung nur unter bestimmten Voraussetzungen und mit Zustimmung der Verbraucherin beziehungsweise des Verbrauchers.
- Pflicht zur Vertragsanpassung durch das Unternehmen bei Änderung des Pflege- oder Betreuungsbedarfs; Zulässigkeit von Ausnahmen nur bei gesonderter schriftlicher Vereinbarung.
- Ordentliches und außerordentliches Kündigungsrecht der Verbraucherinnen und Verbraucher, hingegen eingeschränktes Kündigungsrecht des Unternehmens.
- Unwirksamkeit von Vereinbarungen, die zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher von den Regelungen des WBVG abweichen.
Rechtliche Beratung und Informationsmaterialien
Eine rechtliche Beratung und Prüfung der Verträge nach dem WBVG können Verbraucherinnen und Verbraucher über eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt erhalten. Eine Rechtsberatung bietet auch die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e. V. (BIVA-Pflegeschutzbund) an. Die Website der BIVA hält daneben zahlreiche Informationen zum WBVG und die Daten zur Kontaktaufnahme bereit. Ein kostenloser Leitfaden zum WBVG steht zum Bestellen oder Herunterladen zur Verfügung. Der Leitfaden ist im Rahmen eines vom Bundesfamilienministerium geförderten Projektes entstanden.
Darüber hinaus bieten einzelne Verbraucherzentralen rechtliche Beratung und Informationen zum WBVG an. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) unterstützt als anerkannter Verbraucherschutzverband die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte. Er kann Verstöße gegen Verbraucherschutzgesetze - wie das WBVG - abmahnen und ggf. gerichtlich gegen diese vorgehen.
Unter Berücksichtigung verschiedener Zielgruppen mit Hilfe- und Pflegebedarf hat zudem die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz gefördert durch das Bundesfamilienministerium Informationsmaterialien zum WBVG veröffentlicht. Eine Broschüre zu Verträgen über Wohnen mit Pflege in Leichter Sprache für Menschen mit Behinderungen ist kostenlos online erhältlich. Auch über Entgelterhöhungen im Pflegeheim informiert die Verbraucherzentrale.
Streitbeilegung
Verbraucherinnen und Verbraucher haben bei Streitigkeiten über Inhalte des WBVG-Vertrages die Möglichkeit, sich an eine neutrale Schlichtungsstelle zu wenden. Sowohl die
- Universalschlichtungsstelle des Bundes als auch die
- Außergerichtliche Streitbeilegungsstelle für Verbraucher und Unternehmer e.V.
unterstützen Verbraucherinnen und Verbraucher sowie Unternehmerinnen und Unternehmer dabei, Streitigkeiten außergerichtlich über ein leicht zugängliches Verfahren zeitnah beizulegen. Das Streitbeilegungsverfahren ist für Verbraucherinnen und Verbraucher kostenlos. Unabhängig vom Schlichterspruch besteht für Verbraucherinnen und Verbraucher weiterhin die Möglichkeit vor Gericht zu gehen.
Die Teilnahme an einer außergerichtlichen Streitbeilegung ist für Unternehmen freiwillig. Das Unternehmen muss die Verbraucherinnen und Verbraucher bei Vertragsabschlüssen nach dem 1. April 2016 im Vertrag nach dem WBVG darüber informieren, inwieweit es bereit oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren teilzunehmen.
Nähere Informationen zur außergerichtlichen Streitbeilegung finden Interessierte auf der Homepage der Universalschlichtungsstelle des Bundes und in der vom Bundesfamilienministerium gemeinsam mit dem Bundesjustizministerium geförderten Broschüre "Konflikte im Heim? Verbraucherschlichtung als Chance", die von der BAGSO - Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen in Zusammenarbeit mit der BIVA herausgegeben wird.
Weiterentwicklung des WBVG
Im Jahr 2023 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend einen umfassenden Diskussionsprozess mit Bundesressorts, Ländern und Verbänden zur Weiterentwicklung der verbraucherschützenden Regelungen des WBVG durchgeführt. Die Ergebnisse sollen eine Reform der gesetzlichen Regelungen vorbereiten. Gegenstand des Diskussionsprozesses waren die höchstrichterliche Rechtsprechung zum WBVG, die Stärkung der Verbraucherschlichtung und die Einbeziehung ambulanter Pflegeverträge in den Anwendungsbereich des WBVG.