Seit mehr als 100 Jahren haben Frauen das Recht, zu wählen und gewählt zu werden. Trotzdem ist noch keine Parität in der Politik erreicht. Der Frauenanteil in den Parlamenten geht sogar zurück. Im Deutschen Bundestag fiel er von knapp 37 Prozent in der 18. Legislaturperiode auf nunmehr knapp 31 Prozent. In kommunalen Parlamenten ist sogar nur etwa ein Viertel der Sitze von Frauen besetzt. Und nur rund zehn Prozent der Rathäuser und Landratsämter werden von Frauen geführt. In einigen Gemeinderäten sind ausschließlich Männer vertreten.
Auch in den Parteien und ihren Spitzengremien sind Frauen unterrepräsentiert. Allerdings ist die Unterrepräsentanz in den einzelnen Parteien unterschiedlich ausgeprägt. Der geringe Frauenanteil in Parteien und Parlamenten lässt sich unter anderem auf die Parteikulturen, Vereinbarkeitsfragen sowie einen Mangel an Vorbildern zurückführen.
Die Parteien sind daher gefragt, sich stärker bei der Gewinnung von Frauen für politische Ämter zu engagieren. Außerdem müssen Rollenstereotype und Traditionen verändert werden. Diese Entwicklung unterstützt das Bundesfrauenministerium beispielsweise im Rahmen der Bundesinitiative "Klischeefrei", die sich für eine Berufs- und Studienwahl frei von Rollenbildern und Stereotypen einsetzt.
Helene Weber Kolleg
Das Helene Weber Kolleg (HWK) hat das Ziel, Frauen für die (Kommunal-)Politik zu gewinnen und sie in ihrem politischen Engagement zu unterstützen. Gemeinsam mit der Europäischen Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft Berlin e.V. (EAF Berlin) arbeitet das bundesweite, parteiübergreifende Netzwerk seit 2011 dafür. Benannt ist das Kolleg nach Helene Weber, einer der vier Mütter des Grundgesetzes. Gemeinsam mit Frieda Nadig, Elisabeth Selbert und Helene Wessel erkämpfte sie 1949, dass die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Artikel drei, Absatz zwei, des Grundgesetzes aufgenommen wurde.
Das Helene Weber Kolleg setzt auf mehrere Säulen: den Helene Weber-Preis, die Begleitung des Netzwerks der Helene Weber-Preisträgerinnen, die Ausstellung "Mütter des Grundgesetzes", auf Vorträge und Workshops, den sogenannten Kommunalcampus als Vernetzungs- und Weiterbildungsangebot für Kommunalpolitikerinnen sowie internationale Austauschprojekte. Auch Empowerment-Programme für Studentinnen und Migrantinnen zur Stärkung der politischen Partizipation von Frauen werden angeboten. Ferner werden im Helene Weber Kolleg auch Studien durchgeführt, um strukturelle Barrieren für das politische Engagement von Frauen zu ermitteln und Handlungsempfehlungen zu geben. Bis 2022 werden zwei Studien zu den Themen "Sexismus in der Politik" und "Familienfreundliche Zeitpolitik" durchgeführt.
Helene Weber-Preis
Mit dem Helene Weber-Preis zeichnet das Bundesfrauenministerium seit 2009 herausragende Kommunalpolitikerinnen aus. Eine unabhängige Jury, der Vertreterinnen und Vertreter von politischen Stiftungen, des Deutschen Frauenrates und der kommunalpolitischen Spitzenverbände angehören, wählt die Preisträgerinnen aus. Die Auszeichnung richtet sich an Neueinsteigerinnen in der Kommunalpolitik - unabhängig von ihrem Lebensalter. Sie dürfen ihr Mandat nur in der ersten oder zweiten Wahlperiode ausüben. Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages können ehrenamtliche Kommunalpolitikerinnen für den Preis vorschlagen.
Alle Preisträgerinnen erhalten ein individuelles Coaching zur Planung ihrer politischen Laufbahn sowie Training und Unterstützung beim Aufbau ihres Netzwerks. Im Helene Weber Kolleg wirken sie als Vorbilder und Botschafterinnen für mehr Frauen in der Kommunalpolitik mit. Und sie erhalten ein Budget, um kommunalpolitische Aktivitäten am Wohnort umsetzen zu können.
Ausstellung "Mütter des Grundgesetzes"
Die Print-On-Demand-Ausstellung "Mütter des Grundgesetzes" würdigt das politische Engagement von Helene Weber, Frieda Nadig, Elisabeth Selbert und Helene Wessel im Parlamentarischen Rat 1948/49. Anlässlich der ersten Preisverleihung des Helene Weber-Preises 2009 wurde die Ausstellung erstmals gezeigt und ist seitdem in ganz Deutschland unterwegs. 2017 wurde sie anlässlich des Jubiläums "100 Jahre Frauenwahlrecht" um dieses Thema erweitert und geht seitdem auch auf die heutige Situation von Frauen in der Politik ein.