Häufig gestellte Fragen Gesetz über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag (SBGG)

I. Wesentlicher Inhalt und Motive

Was ändert sich durch das SBGG? 

  • Das SBGG vereinfacht es für transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen ändern zu lassen. Die Änderung erfolgt durch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt. 
  • Das Gesetz tritt an die Stelle des Transsexuellengesetzes (TSG) von 1980. Eine gerichtliche Entscheidung über die Antragstellung ist nicht mehr erforderlich. Auch die Notwendigkeit zur Einholung zweier Sachverständigengutachten entfällt. 
  • Das Gesetz tritt auch an die Stelle der derzeitigen Regelung in § 45b des Personenstandsgesetzes (PStG), die sich auf intergeschlechtliche Menschen ("Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung") bezieht. Sie müssen kein ärztliches Attest mehr vorlegen, um ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen.
  • Das Gesetz trifft keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen.

Weshalb wird die Änderung des Geschlechtseintrags erleichtert?

  • Das Grundgesetz schützt auch das Recht auf geschlechtliche Selbstbestimmung. Das hat das Bundesverfassungsgericht wiederholt klargestellt. Durch das SBGG wird die Verwirklichung dieses Rechts erleichtert. Das bisher geltende TSG setzte für die Änderung des Geschlechtseintrags die Einholung von zwei Sachverständigengutachten und eine gerichtliche Entscheidung voraus. Diese Vorgaben empfanden viele Betroffene als entwürdigend. Das Verfahren war außerdem langwierig und kostspielig.
  • Auch die Begutachtenden selbst äußerten sich zunehmend skeptisch in Bezug auf die Begutachtungspflicht. Der Deutsche Psychotherapeutentag hat sich dafür ausgesprochen, eine Änderung über eine Erklärung beim Standesamt zu regeln und den Geschlechtseintrag im Wesentlichen nur vom Geschlechtsempfinden der antragstellenden Person abhängig zu machen.
  • § 45b PStG in seiner bis zum 1. November 2024 geltenden Fassung enthält eine Sonderregelung für intergeschlechtliche Menschen. Sie mussten für eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen durch Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung nachweisen, dass bei ihnen eine Variante der Geschlechtsentwicklung vorlag. Auch dieses einschränkende Erfordernis entfällt mit dem SBGG. 

Gibt es im Ausland dem SBGG vergleichbare Gesetze?

  • Ja. Insgesamt gibt es in über 16 Ländern vergleichbare Gesetze oder entsprechende Regelungen. Argentinien war 2012 das erste Land, das eine Änderung des Geschlechtseintrags per Selbstauskunft ermöglichte. Zudem gibt es bereits ähnliche Regelungen in Chile, Malta, Dänemark, Finnland, Luxemburg, Belgien, Irland, Portugal, Island, Neuseeland, Norwegen, Brasilien, Uruguay, der Schweiz und Spanien sowie in der Mehrzahl der Bundestaaten Mexikos und im US-Bundesstaat Kalifornien.

Weshalb bestand eine Notwendigkeit das TSG insgesamt zu ersetzen?

  • Das TSG ist über 40 Jahre alt. Das Bundesverfassungsgericht hat in mehreren Entscheidungen wesentliche Teile des TSG für verfassungswidrig erklärt. Schon deshalb war eine Ersetzung angezeigt. Im Übrigen war auch der Name "Transsexuellengesetz" ersetzungsbedürftig: Das Wort "transsexuell" ist historisch verknüpft mit der Pathologisierung und Stigmatisierung von transgeschlechtlichen Personen.

Ab wann gelten die Vorschriften des SBGG?

  • Das Gesetz tritt zum 1. November 2024 in Kraft. § 4 SBGG (Anmeldung beim Standesamt) ist bereits am 1. August 2024 in Kraft getreten.

II. Voraussetzungen der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen

Wie läuft das Verfahren zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen nach dem SBGG ab?

  • Eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen kann durch eine persönliche "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt erfolgen.
  • Drei Monate vorher muss die Änderung bei dem Standesamt, bei dem die Erklärung abgegeben werden soll, angemeldet werden. Die Erklärung kann bei jedem Standesamt in Deutschland angemeldet werden (Besonderheiten gelten für Personen, die ihren Wohnsitz nicht in Deutschland haben, s.u. unter IV.).
  • Nach Abgabe der Erklärung werden die erforderlichen Änderungen des Personenstands von dem für die Entgegennahme der Erklärung zuständigen Standesamt vorgenommen. Dieses ist in der Regel das Geburtsstandesamt, das den Geschlechtseintrag im Geburtenregister ändert (für Personen, die nicht in Deutschland geboren wurden, s.u. unter IV. und V.). Wurde die Erklärung bei einem anderen Standesamt abgegeben, so wird die Erklärung an das zuständige Standesamt weitergeleitet. 
  • Für die Abgabe einer Erklärung durch Minderjährige gelten Besonderheiten (s. dazu unter III.). 
  • Nach Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen sind der alte Personalausweis und der Reisepass der Person ungültig - sofern sich Angaben ändern. Es besteht im Rahmen der allgemeinen Pflicht zum Besitz eines gültigen Personalausweises die unverzügliche Verpflichtung, ein neues Dokument (Personalausweis oder Reisepass) zu beantragen. Außerdem kann die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen in anderen Dokumenten vorgenommen werden, etwa dem Führerschein. Ebenso kann die Abänderung vorheriger Zeugnisse verlangt werden.
  • Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, kann die Person gemäß § 2 Absatz 1 Satz 2 SBGG gegenüber dem Standesamt erklären, welche Geschlechtsangabe ("männlich", "weiblich", "divers") für sie maßgeblich ist oder dass auf die Geschlechtsangabe verzichtet wird. Das Standesamt I in Berlin führt ein Verzeichnis über die entgegengenommenen Erklärungen. Auf Wunsch erteilt das Standesamt für die Entgegennahme dieser Erklärung eine Bescheinigung (§ 46 PStV). Die Bescheinigung kann als ergänzender Beweis einer für den deutschen Rechtsbereich abweichenden Geschlechtsidentität dienen (im Falle ausländischer Staatsangehöriger dauerhaft oder für deutsche Staatsangehörige in der Übergangsphase bis zur Neuausstellung eines Identitätsdokumentes).

Was gilt es bei der Anmeldung zu beachten? 

  • Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen muss drei Monate vor der Erklärung gegenüber dem Standesamt bei diesem angemeldet werden.
  • Die Anmeldung ist bei jedem deutschen Standesamt möglich, muss aber bei demselben Standesamt vorgenommen werden, bei dem auch die Erklärung abgegeben werden soll.
  • Es kann von Vorteil sein, die Anmeldung und Erklärung bei dem Standesamt vorzunehmen, das das Personenstandsregister für die betroffene Person führt. Denn dieses Standesamt ist im Regelfall für die Entgegennahme der Erklärung nach § 2 SBGG, also für die Änderung des Registers, zuständig (vgl. § 45b Abs. 2 PStG n.F.)
  • Die Anmeldung kann mündlich oder schriftlich und in einigen Kommunen auch online vorgenommen werden. Die jeweilige Ausgestaltung des Verfahrens variiert je nach Standesamt und ist Sache der Länder.
  • Bei der Berechnung der Drei-Monatsfrist ist darauf zu achten, dass es sich um eine Ereignisfrist handelt. Daraus folgt, dass der Tag der Anmeldung bei der Fristberechnung nicht mitgezählt wird, d.h. bei einer Anmeldung am 1. August 2024 kann die Erklärung frühestens am 2. November 2024 erfolgen (in der Praxis aufgrund der Öffnungszeiten der Standesämter frühestens am nächsten Werktag).

Haben bei der Anmeldung gemachte Angaben zu dem Geschlechtseintrag und den Vornamen Bindungswirkung? 

  • Bei der Anmeldung müssen keine Angaben zu neu zu bestimmenden Vornamen oder dem gewählten Geschlechtseintrag gemacht werden. Unter Umständen erleichtert es aber die Arbeit des Standesamtes, wenn Angaben bereits bei der Anmeldung gemacht werden. 
  • Sollten bei der Anmeldung Angaben zum Geschlechtseintrag und zu den Vornamen gemacht worden sein, so ist die erklärende Person hieran nicht gebunden. Die dreimonatige Wartefrist hat unter anderem den Zweck, der erklärenden Person diese Bedenkzeit zu geben. Bei Abgabe der Erklärung können also abweichende Vornamen und ein anderer Geschlechtseintrag gewählt werden als zunächst angegeben. 

Was gilt es bei der Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen zu beachten? 

  • Die Erklärung muss innerhalb von sechs Monaten nach der Anmeldung abgegeben werden. Nach Ablauf der Anmeldungsfrist von drei Monaten muss der Termin also innerhalb der drei weiteren Monate stattfinden, sonst verfällt die Anmeldung. 
  • Im Termin muss die betreffende Person erklären, dass sie ihren Geschlechtseintrag ändern möchte. Dabei kann sie die folgenden Eintragungen wählen: "männlich", "weiblich" oder "divers". Sie kann auch den Geschlechtseintrag ersatzlos streichen lassen. 
  • Die betreffende Person hat mit ihrer Erklärung zu versichern, dass der gewählte Geschlechtseintrag oder die Streichung des Geschlechtseintrags ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht. Außerdem muss sie versichern, dass ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist.
  • Mit der Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags sind die Vornamen zu bestimmen, die die Person zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen.

Muss bei der Änderung des Geschlechtseintrags auch eine Änderung des Vornamens erfolgen?

  • Eine Änderung des Vornamens ist im Regelfall notwendig, aber keineswegs immer. Mit ihrer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags hat die Person die Vornamen zu bestimmen, die sie zukünftig führen will. Die Vornamen müssen dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen. Entspricht der bisher von der Person geführte Vorname dem gewählten Geschlechtseintrag, so kann der bisherige Vorname beibehalten werden.
  • Wird der Geschlechtseintrag "männlich" gewählt, so ist davon auszugehen, dass diesem Geschlechtseintrag entsprechen:
    • ausschließlich männlich gelesene Vornamen oder
    • Vornamen, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können (wie etwa "Kai", "Kim", "Eike", "Toni", "Flo", "Bo" etc.) oder
    • eine Kombination aus ausschließlich männlich gelesenen Vornamen und Vornamen, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können (zum Beispiel "Toni Stefan", "Daniel Bo").
  • Ähnliches gilt spiegelbildlich bei Wahl des Geschlechtseintrags "weiblich", sodass davon auszugehen ist, dass diesem Geschlechtseintrag entsprechen: 
    • ausschließlich weiblich gelesene Vornamen oder
    • Vornamen, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können oder
    • eine Kombination aus ausschließlich weiblich gelesenen Vornamen und Vornamen, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können (zum Beispiel "Toni Stefanie", "Daniela Bo").
  • Nicht dem Geschlechtseintrag "männlich" beziehungsweise "weiblich" entsprechen würde hingegen ein eindeutig dem jeweiligen Geschlechtseintrag widersprechender Vorname, d.h. ein ausschließlich männlich gelesener Vorname bei Geschlechtseintrag "weiblich" beziehungsweise ein ausschließlich weiblich gelesener Vorname bei Geschlechtseintrag "männlich".
  • Das SBGG trifft keine Aussage darüber, welche Vornamen einem offenen Geschlechtseintrag oder dem Geschlechtseintrag "divers" entsprechen. Es ist davon auszugehen, dass die Vornamen hier frei ausgewählt und kombiniert werden können, sodass möglich sind:
    • Vornamen, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können,
    • eine Kombination aus männlich und weiblich gelesenen Vornamen (zum Beispiel "Stefan Daniela", "Stefanie Daniel") oder
    • eine Kombination aus männlich beziehungsweise weiblich gelesenen Vornamen und Vornamen, die beiden Geschlechtern zugeordnet werden können (zum Beispiel "Daniel Bo", "Daniela Bo") oder
    • nur männlich oder nur weiblich gelesene Vornamen.
  • Die Wahl der Vornamen ist grundsätzlich frei, das schließt die Wahl reiner Phantasienamen sowie im Ausland gebräuchlicher Vornamen mit ein. Dem Namen kommt allerdings ein Ordnungszweck zu. Deshalb muss der Name, seiner Funktion entsprechend, über ein Minimum an Unterscheidungs- und Kennzeichnungskraft verfügen. Die freie Namenswahl ist dadurch beschränkt, dass Sitte und Ordnung durch sie nicht verletzt werden dürfen, beziehungsweise (im Fall der Namenswahl für ein Kind) das Kindeswohl durch sie nicht beeinträchtigt werden darf. Danach dürfen zum Beispiel anstößige Vornamen nicht gewählt werden.
  • Zweifelsfragen zur Auslegung hinsichtlich der Namensgebung müssen gegebenenfalls durch die Rechtsprechung abschließend geklärt werden.

Muss die Anzahl der neuen Vornamen der Anzahl der alten Vornamen entsprechen?

  • Das SBGG trifft hierzu keine Regelung.
  • Grundsätzlich steht deshalb der Wahl zusätzlicher Vornamen sowie der Verzicht auf Vornamen bei einer Vornamensänderung nichts entgegen.
  • In der Rechtsprechung wurden für die Vornamenswahl bei Geburt eines Kindes fünf Vornamen noch für zulässig erachtet. Eine Obergrenze der Anzahl der Vornamen im Rahmen des SBGG müsste gegebenenfalls abschließend durch die Rechtsprechung geklärt werden.  

Welche Geschlechtseinträge gibt es?

  • Im Personenstandsregister gibt es die Einträge "männlich", "weiblich" und "divers". Daran ändert das SBGG nichts. Auch ist es weiterhin möglich, dass keine Angabe beim Geschlecht eingetragen wird beziehungsweise die Geschlechtsangabe gestrichen wird.

Unter welchen Voraussetzungen kann der Geschlechtseintrag nach einer Änderung erneut geändert werden?

  • Nach einer Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen gilt für eine neuerliche Änderung eine Sperrfrist von einem Jahr. Sie soll vor übereilten Entscheidungen schützen und die Ernsthaftigkeit des Änderungswunsches belegen. Im Übrigen gelten die gleichen Voraussetzungen wie für eine erstmalige Änderung. Die Sperrfrist gilt nicht für Minderjährige.

Ist eine isolierte Änderung des Vornamens nach dem SBGG möglich - also eine Änderung des Vornamens ohne Änderung des Geschlechtseintrags?

  • Nein, eine isolierte Änderung des Vornamens - ohne Änderung des Geschlechtseintrags - ist nach den Vorschriften des SBGG nicht möglich. Hierfür wird auf Grundlage des SBGG keine Notwendigkeit bestehen. Zwar sah das TSG eine entsprechende Möglichkeit vor; dies war jedoch einzig dem Umstand geschuldet, dass das TSG die Änderung des Geschlechtseintrags an sehr viel schwerere Voraussetzungen knüpfte als sie das SBGG vorsieht. Bei der Änderung des Geschlechtseintrags sind neue Vornamen zu bestimmen, die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen.
  • Davon unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit einer (isolierten) Änderung der Vornamen nach den §§ 3 und 11 des Namensänderungsgesetzes, sofern ein wichtiger Grund die Namensänderung ausnahmsweise rechtfertigt. Dies wird im SBGG ausdrücklich klargestellt. 

III. Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen von Minderjährigen und geschäftsunfähigen Personen 

Unter welchen Voraussetzungen können Minderjährige ihren Geschlechtseintrag ändern?

  • Für Minderjährige bis 14 Jahren und geschäftsunfähige Minderjährige geben die gesetzlichen Vertreter die Änderungserklärung gegenüber dem Standesamt ab; die Minderjährigen können sie nicht selbst abgeben. Ist für den Minderjährigen ein Vormund bestellt, bedarf dieser zur Abgabe der Änderungserklärung der Genehmigung des Familiengerichts; das Familiengericht erteilt die Genehmigung, wenn die Erklärung dem Wohl des Mündels nicht widerspricht. 
  • Die Erklärung bedarf des Einverständnisses des Kindes, wenn es mindestens fünf Jahre alt ist. Dieses Einverständnis ist tatsächlicher Natur und daher durch den Minderjährigen selbst und nicht durch die gesetzlichen Vertreter zu erklären. Die Minderjährigen müssen bei Abgabe der Erklärung anwesend sein. Bei Minderjährigen unter 14 Jahren müssen die gesetzlich Vertretenden zudem erklären, dass sie entsprechend beraten sind, d.h. vollumfänglich informiert sind. 
  • Minderjährige ab 14 Jahren geben die Änderungserklärung selbst ab. Dafür benötigen sie allerdings die Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter. Die Zustimmung kann durch das Familiengericht ersetzt werden. Maßstab ist dabei - wie im Familienrecht allgemein - das Kindeswohl. Minderjährige ab 14 Jahren müssen darüber hinaus selbst erklären, dass sie beraten sind, d.h. vollumfänglich informiert sind. 
  • Minderjährige und ihre gesetzlichen Vertreter haben die Möglichkeit, sich vor Abgabe einer Erklärung bei Beratungsstellen beraten zu lassen. Eine Beratungspflicht besteht nicht. Beispiele möglicher Beratungsstellen finden sich in § 3 Absatz 1 Satz 3 Nummer 1 und 2 SBGG. 

Kann die fehlende Zustimmung der Eltern ersetzt werden? Falls ja, von wem?

  • Das Familiengericht kann die Zustimmung der Eltern ersetzen - so wie auch in anderen Konstellationen im Familienrecht. Maßstab dabei ist das Kindeswohl. Familiengerichte sind erfahren in der Prüfung des Kindeswohls.

Was gilt, wenn sich die Eltern nicht einigen können?

  • Sind beide Eltern gemeinsam sorgeberechtigt, haben sie über die Änderungserklärung im Namen des Minderjährigen beziehungsweise über ihre Zustimmung zu einer Änderung des Geschlechtseintrags eines ab 14-jährigen Minderjährigen gemeinsam zu entscheiden. Sie müssen versuchen, sich zu einigen. Können sie sich nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils diesem die alleinige Entscheidung übertragen. Maßstab ist das Kindeswohl.

Können Eltern Geschlechtseintrag und Vornamen auch gegen den Willen des Kindes ändern lassen?

  • Hiergegen greifen die allgemeinen Schutzmechanismen des Familienrechts: Bei Gefährdung des Kindeswohls kann das Familiengericht von Amts wegen Schutzmaßnahmen treffen - bis hin zum Entzug des Sorgerechts (vgl. § 1666 Bürgerliches Gesetzbuch). Die Erklärung des gesetzlichen Vertreters bedarf zudem des Einverständnisses des Kindes, wenn es mindestens fünf Jahre alt ist und kann nur in Anwesenheit der minderjährigen Person beim Standesamt abgegeben werden.

Weshalb dürfen Minderjährige ab 14 Jahren ihren Geschlechtseintrag nur mit Zustimmung der Eltern ändern?

  • Im deutschen Recht ist für die meisten rechtlich relevanten Erklärungen von Minderjährigen die Zustimmung der Eltern erforderlich. Die Änderung des Geschlechtseintrags ist eine Entscheidung von großer Tragweite.
  • Für intergeschlechtliche Minderjährige ab 14 Jahren galt bislang ebenfalls ein Zustimmungserfordernis der Eltern (§ 45b Absatz 2 PStG). Diese Regelung, die nunmehr durch das SBGG ersetzt wird, hat in der Praxis keine Probleme aufgeworfen.

Muss bei der Abgabe der Erklärung für oder durch Minderjährige ein Beratungsschein vorgelegt werden? 

  • § 3 Absatz 1 Satz 3 SBGG bestimmt, dass eine minderjährige Person, die über 14 Jahre alt ist, bei Abgabe ihrer Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags auch zu erklären hat, dass "sie beraten ist". Hieraus lässt sich keine Beratungspflicht ableiten. Aus der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die der Deutsche Bundestag angenommen hat (Bundestagsdrucksache 20/11004, S. 34) ergibt sich, dass es bei der Erklärung vielmehr darum geht, dass sich die Erklärenden umfassend informiert haben. Wie dies geschieht, ist ihnen überlassen. Ein Beratungsschein muss dementsprechend nicht vorgelegt werden.
  • Selbstverständlich können Minderjährige oder ihre gesetzlichen Vertreter vor Abgabe der Erklärung freiwillig eine Beratungsstelle aufsuchen. Ein offizielles Bundesportal für Beratungsstellen gibt es nicht, allerdings wird auf die nachfolgende Webseite hingewiesen: https://sbgg.info/beratungsstellen (Für die Inhalte und Aktualität dieser Webseite übernimmt die Bundesregierung keine Haftung). 

Welche Besonderheiten gelten für die Abgabe einer Erklärung durch geschäftsunfähige volljährige Personen? 

  • Die Erklärung kann für diesen Personenkreis nur durch einen rechtlichen Betreuer oder eine rechtliche Betreuerin abgegeben werden, der oder die für diese Angelegenheit vom Betreuungsgericht bestellt ist. Hierfür bedarf er oder sie angesichts der großen Tragweite der Entscheidung der Genehmigung des Betreuungsgerichts, das prüft, ob die Erklärungen durch den Betreuer oder die Betreuerin unter Wahrung des Selbstbestimmungsrechts der betroffenen Person abgegeben werden. Die betroffene Person muss bei der Abgabe der Erklärung nicht anwesend sein. 

IV. Was gilt bei Auslandssachverhalten, also für Personen, die keine deutschen Staatsangehörigen sind oder keinen deutschen Wohnsitz haben oder keinen deutschen Personenregistereintrag haben?

Wer kann das Verfahren nach dem SBGG durchlaufen?

  • Eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen nach dem SBGG ist für alle deutschen Staatsangehörigen möglich - unabhängig davon, ob sie daneben noch eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben.
  • Personen, die keine deutschen Staatsangehörigen sind, aber ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, können für die Änderung des Geschlechtseintrag deutsches Recht wählen (Artikel 7a Absatz 2 EGBGB). Die Erklärung zur Wahl des deutschen Rechts ist öffentlich zu beglaubigen; sie kann auch von den Standesbeamten beglaubigt oder beurkundet werden. Die ausländischen Staatsangehörigen können dann unter nachfolgenden Voraussetzungen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen nach dem SBGG ändern: 
    Sie besitzen
    • eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis (Niederlassungserlaubnis) oder
    • eine verlängerbare Aufenthaltserlaubnis und halten sich rechtmäßig im Inland auf oder
    • eine Blaue Karte EU (Blue Card EU).

Ist eine Anmeldung der Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags bereits vor dem 1. November 2024 auch dann möglich, wenn das Wahlrecht gemäß Artikel 7a Absatz 2 EGBGB ausgeübt wird?

  • Ja. Zwar ist lediglich die Regelung zur Anmeldemöglichkeit gemäß § 4 SBGG bereits zum 1. August 2024 in Kraft getreten, während das Wahlrecht aus Artikel 7a Absatz 2 EGBGB erst am 1. November 2024 mit dem Rest des Gesetzes in Kraft tritt. Dieses spätere Inkrafttreten des Artikels 7a EGBGB führt jedoch nicht dazu, dass in solchen Fällen keine Anmeldung möglich ist. Da die Dreimonatsfrist keine Prüfungsfrist der Behörde ist, sondern eine Überlegungsfrist für die Erklärenden, darf die Anmeldung in diesen Fällen auch nicht "zurückgewiesen" werden. Vielmehr kann das Wahlrecht dann zusammen mit der Erklärung ab dem 2. November 2024 ausgeübt werden.

Wie wird der Geschlechtseintrag geändert, wenn die erklärende Person keinen Eintrag in einem deutschen Geburtenregister hat?

  • Liegt kein deutscher Personenstandseintrag vor, kann die Person gemäß § 2 Absatz 1 Satz 2 SBGG gegenüber dem Standesamt erklären, welche Geschlechtsangabe ("männlich", "weiblich", "divers") für sie maßgeblich ist oder dass auf die Geschlechtsangabe verzichtet wird. Das Standesamt I in Berlin führt ein Verzeichnis über die entgegengenommenen Erklärungen. Auf Wunsch erteilt das Standesamt für die Entgegennahme dieser Erklärung eine Bescheinigung (§ 46 PStV). Die Bescheinigung kann als ergänzender Beweis einer für den deutschen Rechtsbereich abweichenden Geschlechtsidentität dienen (im Falle ausländischer Staatsangehöriger dauerhaft oder für deutsche Staatsangehörige in der Übergangsphase bis zur Neuausstellung eines Identitätsdokumentes).

Welches Standesamt ist für die Entgegennahme der Erklärung beziehungsweise die Änderung des Geschlechtseintrags zuständig? 

  • Zuständig für die Entgegennahme der Erklärung (d.h. letztlich für die Änderung des Registereintrags oder die Eintragung in das Erklärungsverzeichnis) ist primär das das Geburtenregister für die betroffene Person führende Standesamt. Gegebenenfalls wird die Erklärung von dem Standesamt, bei dem die Erklärung abgegeben wurde, an dieses Standesamt weitergeleitet. 
  • Ist die Geburt nicht in einem deutschen Geburtenregister beurkundet, gilt folgende Reihenfolge der Zuständigkeit: 
    • 1. Standesamt, bei dem das Eheregister oder Lebenspartnerschaftsregister geführt wird; falls es diese nicht gibt:
    • 2. Standesamt am (letzten) Wohnsitz oder am gewöhnlichen Aufenthaltsort; falls es diese nicht gibt: 
    • 3. Standesamt I in Berlin.

Welche Wirkungen hat eine Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen in Deutschland für Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Bezug zu ihrem Heimatrecht?

  • Die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen entfaltet für den deutschen Rechtsverkehr hinsichtlich des deutschen Personenstands unmittelbar Wirkung, d.h. in Deutschland gelten der neue Geschlechtseintrag und die neuen Vornamen. Inwiefern die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen darüber hinaus, etwa im Heimatstaat der erklärenden Person Wirkung entfaltet, bestimmt sich nach den Regelungen des internationalen Privatrechts und kann pauschal nicht beantwortet werden.
  • Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache C-4/23 am 4. Oktober 2024 entschieden, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats, die es ablehnt, die Änderung des Vornamens und der Geschlechtsidentität eines Angehörigen dieses Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig erlangt wurde, anzuerkennen und in die Geburtsurkunde des Betroffenen einzutragen, gegen das Unionsrecht verstößt.
  • In jedem Fall können von deutschen Behörden keine von einem anderen Staat ausgestellten (Ausweis-)dokumente (Personalausweis, ID-Karte, Reisepass o.Ä.) geändert werden. Diese können nur vom ausstellenden Staat selbst geändert werden. 
  • Zu Beweisführungszwecken können Personen, die keine deutschen Personenstandsregistereintragungen oder Ausweisdokumente haben, eine Bescheinigung über die vor dem Standesamt abgegebene Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen vorlegen.  
  • Gleiches gilt für Eintragungen zum Beispiel in Personen- oder Bevölkerungsregistern in dem jeweiligen Heimatstaat. Diese richtet sich grundsätzlich nach dem nationalen Recht des jeweiligen Heimatstaates.
  • Es wird empfohlen, dass Personen mit Auslandssachverhalten sich vor Änderung des Geschlechtseintrags vorab umfänglich über die Auswirkungen und Konsequenzen informieren und beraten lassen.

V. Änderung des Geschlechtseintrags für Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben

Wo können Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, ihren Geschlechtseintrag ändern? 

  • Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, können die Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei einer deutschen Auslandsvertretung öffentlich beglaubigen lassen. Die öffentliche Beglaubigung kann bei der Botschaft, dem Konsulat oder einer zu Unterschriftsbeglaubigungen in Personenstandsangelegenheiten ermächtigten Honorarkonsulin beziehungsweise Honorarkonsul erfolgen.
  • Die Abgabe der Erklärung kann bei jedem deutschen Standesamt (formlos) angemeldet werden. Allerdings wird zur Verfahrenserleichterung empfohlen, die Anmeldung bei dem für die Entgegennahme der Erklärung zuständigen Standesamt (in der Regel Geburtsstandesamt) vorzunehmen. Zudem sollte das Standesamt um eine Bestätigung der Anmeldung gebeten werden. Die Anmeldung kann schriftlich mit eigenhändiger Unterschrift und Pass- oder Personalausweiskopie per Post erfolgen. 
  • Frühestens drei Monate nach Anmeldung der Erklärung kann die antragstellende Person die Erklärung bei der für sie zuständigen Auslandsvertretung abgeben. Die Auslandsvertretung beglaubigt die Erklärung und leitet diese an das für die Entgegennahme der Erklärung zuständige Standesamt weiter. Dort wird die Änderung des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister geändert beziehungsweise eine Bescheinigung über die Änderung ausgestellt.

VI. Wirkungen der Änderung des Geschlechtseintrags

Welche rechtlichen Folgen hat die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen? 

  • Als Grundsatz gilt: In Fällen, in denen das Geschlecht oder die Vornamen einer Person rechtlich relevant sind, kommt es auf ihren jeweils aktuellen Geschlechtseintrag und auf ihre aktuell dort eingetragenen Vornamen an. So kann beispielsweise die erklärende Person nach der Änderung ihrer Ausweisdokumente sich entsprechend ihrer Geschlechtsidentität nunmehr im Alltag ausweisen und muss sich bei Vorlage des Reisepasses nicht mehr zwangsouten. Auch kann die erklärende Person etwa erwirken, dass auf alte Vornamen ausgestellte Arbeits- oder Schulzeugnisse geändert werden, damit es auch in Bewerbungssituationen nicht zu einem Zwangsouting kommt. 
  • Für bestimmte Lebensbereiche sieht das SBGG klarstellende Regeln und/oder Sonderregeln vor. Diese Regeln betreffen insbesondere: (1) Quotenregelungen; (2) den Zugang zu Einrichtungen und geschützten Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen; (3) die Bewertung von sportlichen Leistungen; (4) medizinische Behandlungen; (5) den Spannungs- und Verteidigungsfall; (6) das Eltern-Kind-Verhältnis.

Was folgt aus der Änderung des Geschlechtseintrags für Register und amtliche Dokumente?

  • In einigen amtlichen Registern und Dokumenten erfolgt nach der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen auch automatisch eine Anpassung der Einträge. Dies betrifft zum Beispiel das Melderegister, welches unmittelbar vom Standesamt über die Beurkundung der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen informiert wird (vgl. § 57 Absatz 4 Nummer 4 der Personenstandsverordnung - PStV).
  • Darüber hinaus regelt das SBGG, dass Betroffene eine Anpassung von Angaben zum Geschlecht und zu den Vornamen in Registern und Dokumenten verlangen können. Bei amtlichen Registern dürfen der gewünschten Datenberichtigung keine öffentlichen Interessen entgegenstehen. 
  • Personalausweis und Reisepass verlieren mit Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen ihre Gültigkeit. Zwar enthält der deutsche Personalausweis keine Angabe zum Geschlecht. Wenn aber - wie in den allermeisten Fällen - auch die Vornamen geändert wurden, muss der Personalausweis neu ausgestellt werden. Im deutschen Reisepass wird neben den Vornamen auch der Geschlechtseintrag vermerkt, sodass dieser immer neu beantragt werden muss, sofern ein solcher benötigt wird.

Was folgt für sonstige Dokumente, etwa Zeugnisse, Verträge etc.?

  • Personen, die ihren Geschlechtseintrag und die Vornamen geändert haben, können verlangen, dass bestimmte Dokumente, die Angaben zum Geschlecht oder zu den Vornamen enthalten, mit den geänderten Angaben neu ausgestellt werden. 
  • Dazu gehören unter anderem Zeugnisse, Ausbildungs- oder Dienstverträge, Führerscheine, Zahlungskarten sowie weitere damit vergleichbare Dokumente. Voraussetzung ist jedoch, dass es sich um Dokumente handelt, die auch zur Aushändigung an die Person bestimmt sind - also nicht etwa rein interne Geschäftsunterlagen. Ebenso muss ein berechtigtes Interesse glaubhaft gemacht werden.
  • Das Verlangen muss gegenüber der Person, Behörde oder Stelle geltend gemacht werden, die das Dokument ausgestellt hat oder zur Ausstellung einer Zweitschrift befugt ist. Dies sind beispielsweise die Schule oder Hochschule für die Zeugnisse, der Arbeitgeber bei Ausbildungs- oder Dienstverträgen, der Vermieter bei Mietverträgen oder das Kreditinstitut bei Zahlungskarten.
  • Die Kosten für die Neuausstellung der Dokumente sind durch den Betroffenen zu tragen, allerdings dürfen diese nicht unangemessen hoch sein.

Wie wird das Geschlecht im Reisepass dargestellt, wenn im Personenstandsregister "divers" oder ohne Geschlechtsangabe eingetragen ist?

  • Das im Reisepass ausgewiesene Geschlecht muss grundsätzlich dem Eintrag im Personenstandsregister entsprechen. 
  • Bei einem Wechsel des Geschlechtseintrags im Personenstandsregister verliert der aktuelle Pass seine Gültigkeit und ein neuer Pass muss ausgestellt werden.
  • Liegt im Personenstandsregister der Geschlechtseintrag "divers" oder kein Geschlechtseintrag vor, wird im Pass das Geschlecht mit "X" bezeichnet.
  • Eine Ausnahme besteht weiterhin für intergeschlechtliche Personen, die eine ärztliche Bescheinigung über das Vorliegen einer Variante der Geschlechtsentwicklung beziehungsweise eine Entbehrlichkeit derselben nachweisen können. Diese können einen Reisepass mit abweichender Geschlechtsangabe erhalten. Demnach soll die Möglichkeit eröffnet werden, dass intergeschlechtliche Personen, die im Geburtseintrag mit der Geschlechtsangabe "divers" oder ohne Geschlechtsangabe eingetragen sind, einen Pass mit der Angabe "männlich" oder "weiblich" erhalten können. 
  • Liegt kein Eintrag in einem deutschen Personenstandsregister vor, wird der Reisepass entsprechend der Bescheinigung des Standesamts mit dem geänderten Geschlechtseintrag ausgestellt.

Was gilt bei medizinischen Behandlungen?

  • Sind Behandlungen vorzunehmen, bei denen geschlechtsspezifischen Besonderheiten Rechnung zu tragen ist (zum Beispiel eine Prostata-Krebsvorsorgeuntersuchung), kommt es nicht auf den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister an. Die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung knüpfen an den individuellen Bedarf nach biologischen und psychosozialen Gegebenheiten an.

Welche rechtlichen Folgen hat ein geänderter Geschlechtseintrag für Quotenregelungen?

  • Für Quotenregelungen - also für Regeln, die für ein Gremium oder ein Organ eine Mindestanzahl oder einen Mindestanteil von Personen eines Geschlechts vorschreiben - enthält das SBGG eine klarstellende Regelung. 
  • Ändert eine Person nach ihrer Berufung in ein Gremium oder Organ ihren Geschlechtseintrag, so hat das zunächst keine rechtlichen Folgen für die Frage, ob die Vorgaben der Quotenregelung eingehalten wurden. Maßgeblich ist der Geschlechtseintrag, den die betreffende Person zum Zeitpunkt ihrer Berufung in das Gremium oder Organ hatte. 
  • Die Unterschreitung der Mindestanzahl oder Mindestquote, die aus einer Änderung des Geschlechtseintrags einer Person nach der Besetzung folgt, ist erst bei der nächsten Bestellung zu berücksichtigen. 
  • Allein aus der Änderung eines Geschlechtseintrags folgt kein beruflicher Vorteil. Auch dort, wo es Geschlechterquoten für Frauen gibt oder Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt berücksichtigt werden sollen, gibt es im Regelfall Mitbewerberinnen. Das Merkmal der gleichen Qualifikation liegt zudem nur selten vor und ist für einzelne Bewerberinnen kaum vorherzusehen. Das SBGG bietet auch Schutzvorkehrungen gegen missbräuchliche Änderungen des Geschlechtseintrags. Personen, die ihren Geschlechtseintrag haben ändern lassen, sind für ein Jahr an den geänderten Eintrag gebunden. Sie müssen die Kosten für Dokumentenberichtigungen selbst tragen. Dies alles wird nicht allein aus der Vorstellung heraus erfolgen, hierdurch den vermeintlichen Vorteil einer Quotenregelung nutzen zu können. Außerdem muss die Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags drei Monate vorher angemeldet werden. Zudem erfahren Personen, die ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen geändert haben, im Alltag und im Berufsleben häufig Diskriminierung und Benachteiligung.

Was gilt für die staatliche Bewertung sportlicher Leistungen (zum Beispiel im Schulunterricht)?

  • Im SBGG ist klargestellt, dass die Bewertung sportlicher Leistungen unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden kann. Das heißt: Die Länder und private Einrichtungen können hier im Rahmen ihrer Zuständigkeiten passgenaue Lösungen entwickeln.

Was gilt für den Vereins- und Wettkampfsport?

  • Das SBGG tastet die Autonomie des Sports nicht an. Nach geltendem Recht entscheiden Sportvereinigungen und Zusammenschlüsse weitgehend in eigener Zuständigkeit darüber, welche Personen zu welchen Wettbewerben zugelassen werden.

Was gilt im Spannungs- und Verteidigungsfall?

  • Für den Spannungs- und Verteidigungsfall sieht das SBGG eine ausgewogene Sonderregelung vor: Für den Dienst an der Waffe bleibt vorübergehend die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht bestehen, wenn eine Änderung des Geschlechtseintrags in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Spannungs- oder Verteidigungsfall erfolgt. 

Welche Folgen hat ein geänderter Geschlechtseintrag für den Strafvollzug?

  • Das SBGG trifft keine Regelungen über den Strafvollzug. Die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug liegt bei den Ländern. Es bleibt insoweit bei der bisherigen Rechtslage. Das bedeutet: Die Unterbringung von Strafgefangenen muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren. Das Grundgesetz und die Fürsorgepflicht der Anstalt verlangen, bei der Unterbringung die Sicherheitsinteressen und Persönlichkeitsrechte aller Strafgefangenen zu berücksichtigen. Ändert ein Strafgefangener mit dem Geschlechtseintrag "männlich" den Geschlechtseintrag im Personenstandsregister in "weiblich", können je nach Einzelfall Persönlichkeitsrechte und Sicherheitsinteressen anderer Strafgefangener der Verlegung in ein Frauengefängnis entgegenstehen. 
  • Bisher haben die meisten Landes-Strafvollzugsgesetze Regelungen, die bestimmen, dass Frauen getrennt von Männern untergebracht werden (orientiert an § 140 Absatz 2 Strafvollzugsgesetz). Einzelne Länder haben bereits differenzierte Regelungen zur Unterbringung transgeschlechtlicher Strafgefangener geschaffen (vgl. § 11 Berliner Strafvollzugsgesetz, § 70 Hessisches Strafvollzugsgesetz, § 11 Landesstrafvollzugsgesetz Schleswig-Holstein). Die übrigen Länder können jederzeit folgen und so im Einzelfall passende Lösungen ermöglichen. Die Länder tauschen sich regelmäßig dazu aus, wie der Strafvollzug weiterzuentwickeln ist. Auch die richtige Unterbringung von transgeschlechtlichen Gefangenen ist Gegenstand des Austauschs.

Eltern-Kind-Verhältnis: Was gilt für die Elternschaft transgeschlechtlicher Menschen? Und mit welcher Bezeichnung werden Eltern nach einer Änderung des Geschlechtseintrags in der Geburtsurkunde ihrer Kinder eingetragen?

  • Seit 2011 müssen sich transgeschlechtliche Personen für eine Änderung des Geschlechtseintrags nicht mehr sterilisieren lassen. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses Erfordernis als verfassungswidrig verworfen. 
  • Mittlerweile gibt es  drei mögliche Angaben beim Geschlecht im Personenstandsregister ("männlich", "weiblich", "divers") sowie die Möglichkeit, die Angabe des Geschlechts wegzulassen. Das Abstammungsrecht kennt jedoch nur "Mutter" und "Vater".
  • Die Frage, wie die Elternschaft von trans- und intergeschlechtlichen sowie nichtbinären Personen anerkannt wird, soll mit der Abstammungsrechtsreform geregelt werden. Diese wird derzeit vorbereitet und ist ebenfalls für diese Legislaturperiode geplant.
  • Im SBGG gibt es bis dahin eine Interimslösung: 
    • Bei der Mutterschaft kommt es weiterhin auf die Geburt des Kindes an und bei der gerichtlichen Feststellung der Vaterschaft auf den Zeugungsbeitrag. 
    • Die Übergangslösung knüpft für die Vaterschaft aufgrund Ehe oder Anerkennung jedoch grundsätzlich an den (gewählten) Geschlechtseintrag einer Person zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes an.
    • Demnach wird "Vater" und rechtlicher Elternteil eines Kindes aufgrund Ehe oder Anerkennung, wer zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit dem Geschlechtseintrag "männlich" im Personenstandsregister eingetragen war.
    • Zusätzlich sieht das SBGG die Möglichkeit vor, bei Beurkundung der Geburt des Kindes gegenüber dem Standesamt zu erklären, dass der (alte) Geschlechtseintrag vor Abgabe einer Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags maßgeblich sein soll. Dies ermöglicht auch Personen, die zum Geburtszeitpunkt nicht (mehr) über einen Geschlechtseintrag "männlich" verfügen, aber vor der Geburt eines Kindes den Geschlechtseintrag "männlich" geführt haben, die Erlangung der rechtlichen Elternschaft für das Kind.
    • Die Frage der Nennung des Vornamens des Elternteils in der Geburtsurkunde wird in § 11 SBGG nicht speziell anders geregelt als sonst im SBGG. Eine Auslegungsmöglichkeit wäre daher, dass eine Eintragung in die Geburtsurkunde stets mit den aktuellen Vornamen erfolgen soll, da § 11 SBGG lediglich regelt, welcher Geschlechtseintrag für das Rechtsverhältnis einer Person mit ihren Kindern maßgeblich ist, d.h. also die Frage der Elternschaft. § 11 SBGG regelt hingegen nicht die Frage des "richtigen" Vornamens. Soweit § 11 SBGG nicht anwendbar ist, gilt daher die allgemeine Regel aus § 6 SBGG, wonach stets der jeweils aktuelle Geschlechtseintrag und die jeweils aktuellen Vornamen im Rechtsverkehr maßgeblich sind. Diese Auslegung ist allerdings umstritten und müsste ggf. noch durch die Rechtsprechung geklärt werden.

VII. Vertragsfreiheit, Hausrecht und Zugang zu geschützten Räumlichkeiten

Was folgt aus dem SBGG für die Vertragsfreiheit, das private Hausrecht und für den Zugang zu geschützten Räumlichkeiten?

  • Das SBGG (beziehungsweise ein bestimmter Geschlechtseintrag) vermittelt keinen Anspruch auf Zugang zu geschützten Räumen. Die bestehende Rechtslage in Bezug auf die Vertragsfreiheit und das private Hausrecht bleibt durch das Gesetz unberührt. Wie bislang sind gesetzliche Grenzen der Vertragsfreiheit zu beachten (zum Beispiel die Grenzen durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz - AGG). Danach ist eine Zurückweisung speziell von transgeschlechtlichen Personen allein aufgrund ihrer geschlechtlichen Identität unzulässig. Unterschiedliche Behandlungen wegen des Geschlechts sind zulässig, wenn es dafür einen sachlichen Grund gibt (§ 20 AGG). Das kann insbesondere der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung dem Bedürfnis nach Schutz der Intimsphäre oder der persönlichen Sicherheit Rechnung trägt (§ 20 Absatz 1 Nummer 2 AGG). Auch insoweit ändert sich an der bestehenden Rechtslage durch das SBGG nichts.

VIII. Geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen

Regelt das SBGG in Bezug auf den Geschlechtseintrag den Anspruch auf geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen?

  • Das SBGG trifft keine Regelungen zu geschlechtsangleichenden medizinischen Maßnahmen. Das Gesetz regelt ausschließlich die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen im Personenstandsregister möglich ist. 
  • Für geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen gelten weiterhin die einschlägigen medizinischen Regelungen und Leitlinien. Auch die Frage der Kostenübernahme von geschlechtsangleichenden Behandlungen wird nicht im Gesetz geregelt.
     

IX. Geschlechtsspezifische Familiennamen

Was gilt für die Änderung geschlechtsspezifischer Familiennamen?

  • Die Änderung geschlechtsspezifischer Familiennamen wird nicht im SBGG geregelt. Regelungen hierzu wurden durch das Gesetz zur Änderung des Ehenamens- und Geburtsnamensrechts und des Internationalen Namensrechts in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen. 
  • Die Möglichkeit geschlechtsangepasster Ehe- und Geburtsnamen wird gemäß den §§ 1355b und 1617f BGB einerseits Angehörigen des sorbischen Volks und andererseits Personen eröffnet, die sich auf eine entsprechende ausländische Namenstradition (etwa aus einem Land des slawischen Sprachraums oder aus Griechenland) berufen können.
  • Ändert eine Person, auf die eine dieser Voraussetzungen zutrifft (zum Beispiel eine Person, die dem sorbischen Volk angehört) ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister, kann die geschlechtsspezifische Form ihres Geburtsnamens ebenfalls angepasst werden (zum Beispiel der Ehename "Smoła" zu "Smolina" oder umgekehrt).

X. Das sogenannte Offenbarungsverbot

Welche Regelung trifft das SBGG in Bezug auf die Offenbarung früherer Geschlechtseinträge und Vornamen?

  • Das SBGG enthält ein sogenanntes Offenbarungsverbot - als Schutz gegen ein Zwangsouting: Frühere Geschlechtseinträge dürfen ohne Zustimmung der betreffenden Person nicht offenbart oder ausgeforscht werden, es sei denn, dass besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird. 
  • Das SBGG trägt gleichzeitig den schützenswerten Interessen von Angehörigen Rechnung. Kinder, Eltern und (frühere) Ehegatten können ein legitimes Interesse daran haben, frühere Vornamen und Geschlechtseinträge von Betroffenen als Teil ihrer eigenen Lebensgeschichte zu verwenden. Diese Personengruppe ist nur dann zur Angabe des geänderten Geschlechtseintrags und der Vornamen verpflichtet, wenn dies für die Führung öffentlicher Bücher und Register oder im Rechtsverkehr erforderlich ist. Im Übrigen dürfen die genannten Personen die vor der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen eingetragenen Daten der betroffenen Person nennen. Eine Person, deren (früherer) Ehegatte seinen Geschlechtseintrag ändern lässt, darf zum Beispiel im privaten Bereich dessen frühere Vornamen nennen. Allerdings greift diese Ausnahme vom Offenbarungsverbot nicht, wenn die Person in Schädigungsabsicht handelt. 
  • Ein Verstoß gegen das Offenbarungsverbot ist bußgeldbewehrt. Der Bußgeldtatbestand setzt voraus, dass durch die Offenbarung die betroffene Person absichtlich geschädigt wurde.

Wird auch das sogenannte "Deadnaming" oder "Misgendern" mit Geldbuße belegt - also jede Ansprache mit dem früheren Geschlechtseintrag oder einem früheren Vornamen?

  • Ein generelles Verbot des "Misgenderns" oder "Deadnamings" gibt es im SBGG nicht. Ein wiederholtes oder besonders intensives Verhalten ("Mobbing") kann bereits von bestehenden Strafvorschriften erfasst sein. So kann im Einzelfall der Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch) sowie in Einzelfällen der Straftatbestand der Körperverletzung (§ 223 Strafgesetzbuch) oder der Nachstellung (§ 238 Strafgesetzbuch) erfüllt sein.

XI. Zahl der Betroffenen/Relevanz der Frage

Wie viele Menschen in Deutschland sind betroffen?

  • Wie viele Menschen in Deutschland transgeschlechtlich sind, lässt sich nicht präzise beziffern. Auskunft über ihre geschlechtliche Identität können Menschen nur jeweils selbst geben. Es fehlt allerdings an verlässlichen Erhebungen. 
  • Allenfalls einen groben Anhaltspunkt liefert die Zahl der gerichtlichen Verfahren nach dem TSG. Die jüngsten Zahlen lauten wie folgt:
     
Jahr201220142015201620172018201920202021
Zahl der Verfahren 1.417  1.4431.6481.8682.0852.6142.5822.6873.232

Die Bundesregierung geht in der Gesetzesbegründung von ca. 4.000 Fällen von Änderungen nach dem SBGG pro Jahr aus. Nach Recherchen bei Standesämtern nennen derzeit verschiedene Medienberichte Anmeldezahlen zwischen 6.000 und 15.000 für den 1. November 2024. Hat die Bundesregierung die Anzahl der Betroffenen unterschätzt?

  • Zur Anzahl der bereits erfolgten Anmeldungen im Rahmen des SBGG liegen der Bundesregierung bisher keine gesicherten Erkenntnisse vor. Die Entwicklung der tatsächlichen Zahlen der abgegebenen Erklärungen zur Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen in den nächsten Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes bleibt abzuwarten.
  • Die Bundesregierung geht aktuell davon aus, dass die Durchschnittszahlen von 4.000 Anträgen pro Jahr realistisch geschätzt sind und nur ein anfängliches Anmeldungshoch durch den Rückstau vorliegt, der daraus entstanden ist, dass viele Menschen auf das Inkrafttreten des Gesetzes gewartet haben.
  • Gemäß Artikel 12 des Mantelgesetzes zum SBGG ist eine Evaluierung des SBGG und der in anderen Gesetzen getroffenen Folgeregelungen innerhalb von fünf Jahren nach dem 1. November 2024 vorgesehen.

Ist trans* ein neues Phänomen, etwa eine "Modeerscheinung"?

  • Vielfältige geschlechtliche Identitäten gab es schon immer. In manchen Gesellschaften wurde respektvoll mit dieser Vielfalt umgegangen. In vielen Gesellschaften - auch in Deutschland - wurde geschlechtliche Vielfalt jedoch über Jahrhunderte ignoriert beziehungsweise als krankhaft angesehen und unterdrückt. Inzwischen gibt es eine Entwicklung hin zu mehr Sichtbarkeit, Offenheit und Anerkennung von transgeschlechtlichen Personen. Die Tatsache, dass sich transgeschlechtliche Personen vermehrt outen, bedeutet daher nicht, dass es eine "Modeerscheinung" ist.
  • Wenn sich gesellschaftliche Annahmen in eine liberale Richtung entwickeln, machen diejenigen, die diesen Fortschritt nicht gutheißen, oft eine "gesellschaftliche Ansteckung" als eine Art "Modeerscheinung" dafür verantwortlich. Dasselbe Argument fand sich bereits zur vermeintlichen Trendhaftigkeit von Scheidung oder zu lesbischer, schwuler und bisexueller Identität.