Studie der Antidiskriminierungsstelle Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz betrifft vor allem Frauen

Dr. Franziska Giffey mit Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
Dr. Franziska Giffey mit Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes © Caro Kadatz

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat am 25. Oktober die Studie "Strategien im Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention" vorgelegt. Demnach hat jede elfte erwerbstätige Person (neun Prozent der Befragten) in den vergangenen drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt. Frauen waren mit einem Anteil von 13 Prozent mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer (fünf Prozent).

Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Belästigungen ging von Dritten aus - Kundinnen und Kunden, Patientinnen und Patienten, Klientinnen und Klienten. Bei 43 Prozent der belästigenden Personen handelte es sich um Kolleginnen und Kollegen, bei 19 Prozent waren es Vorgesetzte oder betrieblich höhergestellte Personen.

Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey erklärte anlässlich der Vorstellung der Studie:

"Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ein weitverbreitetes Problem. Sie ist ein Ausdruck von Machtmissbrauch und eine Form von Gewalt gegen Frauen, aber auch gegen Männer. Arbeitgeber und Personalvertretungen haben die Pflicht, sich aktiv mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz auseinanderzusetzen und ihr konsequent entgegenzutreten. Für Betroffene ist die Antidiskriminierungsstelle des Bundes eine wichtige Anlaufstelle. Dort kann man sich beraten lassen und erfährt, wie man sich wehren kann und wie die Rechtslage ist. Von ganz zentraler Bedeutung ist aber auch die Unterstützung des sozialen Umfeldes - jede und jeder von uns kann etwas tun, um Betroffenen den Rücken zu stärken. Ende November startet das Bundesfamilienministerium deshalb eine große Öffentlichkeitskampagne, die auf Gewalt gegen Frauen in all ihren Formen aufmerksam macht."

Kein einmaliger Vorfall

Der Studie zufolge wurden von den Betroffenen am häufigsten verbale Belästigungen wie sexualisierte Kommentare (62 Prozent) oder Belästigungen durch Blicke und Gesten (44 Prozent) genannt. Unerwünschte Berührungen oder körperliche Annäherungen erfuhren rund ein Viertel (26 Prozent) der Betroffenen. Bei den meisten Belästigungserfahrungen handelte es sich nicht um einmalige Vorfälle - acht von zehn der Befragten erlebten mehr als einmal solch eine Situation. Darüber hinaus gaben 82 Prozent der Betroffenen ausschließlich oder überwiegend Männer als Täter an.

Die Studie zeigt außerdem, dass die Betroffenen sexuelle Belästigung vielfach als erniedrigend und abwertend sowie auch als bedrohlich empfanden. So sagten 48 Prozent der betroffenen Frauen, sie hätten sich durch die Belästigung mittel bis sehr stark erniedrigt und abgewertet gefühlt (Männer 28 Prozent). Von mittelstarken bis sehr starken psychischen Belastungen berichteten 41 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer. 30 Prozent der Frauen und 21 Prozent der Männer empfanden die Situation als mittel bis stark bedrohlich.

Betroffene suchen kaum professionelle Unterstützung

Wie gehen Betroffene mit Belästigungserfahrungen am Arbeitsplatz um? Die Mehrheit der Betroffenen gab an, sich unmittelbar nach der Belästigung verbal gewehrt zu haben (66 Prozent). In späterer Folge wandten sich vier von zehn Betroffenen sexueller Belästigung an Dritte, am häufigsten an Kolleginnen und Kollegen (47 Prozent), an Vorgesetzte (36 Prozent), Freundinnen und Freunde, die Familie (15 Prozent) oder an Beratungsstellen und therapeutische Einrichtungen (elf Prozent). Umgerechnet auf alle Betroffenen haben damit nur vier Prozent eine professionelle Unterstützung in Beratungsstellen und anderen Einrichtungen gesucht.

Mehr als 40 Prozent aller Beschäftigten hatten keine Kenntnis über betriebsinterne Beschwerdestellen bei Diskriminierung und sexueller Belästigung. Gesetzlich sind nach Paragraph 13 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) alle Arbeitgeber verpflichtet, eine betriebsinterne Beschwerdestelle einzurichten und Informationen über solche Stellen im Betrieb oder in der Dienststelle bekannt zu machen.

Die Studie

Die Studie "Strategien im Umgang mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz - Lösungsstrategien und Maßnahmen zur Intervention" wurde von Juni 2018 bis Mai 2019 durchgeführt, geleitet von Prof. Dr. Monika Schröttle am Institut für empirische Soziologie an der Universität Erlangen-Nürnberg (ifes). Sie beinhaltet eine vom Bielefelder SOKO Institut durchgeführte repräsentative Telefonbefragung von 1531 Personen, die in den vergangenen drei Jahren beschäftigt waren (inklusive Auszubildenden, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Selbständigen), einen qualitativen Studienteil mit Vertiefungsinterviews von Betroffenen sowie Fokusgruppendiskussionen mit verschiedenen Zielgruppen. Daneben wurden Rechtsfälle ausgewertet.

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes startet zeitgleich zur Veröffentlichung der Studie die Informationskampagne #betriebsklimaschutz, die Arbeitgebern Hilfestellungen gibt, wie sie effektiv ihren Schutzpflichten nachkommen und sexueller Belästigung vorbeugen können.