Bundesfamilienministerin Lisa Paus hat einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen vorgelegt, den das Bundeskabinett am 19. Juni beschlossen hat. Das Gesetz soll den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexueller Gewalt und Ausbeutung verbessern und Betroffene bei ihrer individuellen Aufarbeitung des erlittenen Unrechts unterstützen.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus: "Durchschnittlich sind es 50 Jungen und Mädchen an jedem Tag, die laut Polizeilicher Kriminalstatistik vergangenes Jahr sexuelle Gewalt über sich ergehen lassen mussten. Sechs von diesen 50 Kindern waren dabei jünger als sechs Jahre. Das sind erschreckende und zugleich beschämende Zahlen. Zu viele Kinder und Jugendliche mussten Erfahrungen mit sexueller Gewalt durchmachen - im familiären Bereich, im sozialen Umfeld oder im digitalen Raum. Es macht uns alle sehr betroffen. Wir geben endlich eine klare Antwort. Mit dem Antimissbrauchsbeauftragtengesetz verfolgen wir vier Ziele: Das Amt der Unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen verankern wir gesetzlich und damit dauerhaft. Wir holen die Anliegen der Betroffenen in die Mitte der Gesellschaft. Wir verbessern die Möglichkeiten der Aufarbeitung. Und wir stärken Prävention und Qualitätsentwicklung im Kinderschutz."
Die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) Kerstin Claus: "Ich danke Bundesministerin Lisa Paus und der Bundesregierung für die heutige Beschlussfassung. Die Bundesregierung verpflichtet sich damit, noch klarer die ressortübergreifenden Herausforderungen im Kampf gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen strukturiert und umfassend anzugehen. Darüber werden der Kinderschutz und die Belange von Betroffenen konsequent weiter gestärkt. Von besonderer Bedeutung ist, dass mit dem Gesetz neben meinem Amt auch der bei mir angesiedelte Betroffenenrat und die Unabhängige Aufarbeitungskommission dauerhaft gesetzlich verankert werden."
Das sind die wesentlichen Regelungsinhalte des Gesetzentwurfs
Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen werden gestärkt: Mit einer oder einem vom Parlament gewählten Unabhängigen Bundesbeauftragten, dem dort eingerichteten Betroffenenrat und der Unabhängigen Aufarbeitungskommission sichert die Bundesregierung auf Dauer wichtige Strukturen, die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen erschweren. Das Amt wird die zentrale Stelle auf Bundesebene für die Anliegen von Betroffenen und deren Angehörige, für Fachleute aus Praxis und Wissenschaft sowie für alle Menschen in Politik und Gesellschaft, die sich gegen sexuelle Gewalt engagieren. Neu ist ein umfassender regelmäßiger Lagebericht an das Parlament zum Ausmaß sexuellen Kindesmissbrauchs, zu Fragen des Schutzes, der Hilfen sowie der Forschung und Aufarbeitung. Die Daten dafür wird ein neues Zentrum für Forschung zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen liefern.
Betroffenen-Beteiligung und verbesserte Aufarbeitung: Die Unabhängige Aufarbeitungskommission arbeitet seit 2016 daran, Strukturen in Institutionen, Familien oder im sozialen Umfeld aufzudecken, die sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ermöglicht haben. Sie führt insbesondere Anhörungen von Betroffenen durch. Darüber hinaus wird für Betroffene ein neues Beratungssystem geschaffen, das sie bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte unterstützen und begleiten soll. In der Kinder- und Jugendhilfe sollen Akteneinsichts- und Auskunftsrechte verbessert werden. Außerdem soll die Durchführung von wissenschaftlichen Fallanalysen verbindlich geregelt werden, um aus problematischen Kinderschutzverläufen für die Zukunft zu lernen.
Mehr Prävention und Qualitätsentwicklung im Kinderschutz: Mit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll erstmals eine Bundesbehörde den Auftrag zur Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs erhalten. Durch Sensibilisierung, Aufklärung und Qualifizierung kann sexuelle Gewalt früher aufgedeckt und verhindert werden. In allen Aufgabenbereichen der Kinder- und Jugendhilfe sollen Fallanalysen zum verbindlichen Qualitätsmerkmal werden. So lässt sich aus problematischen Kinderschutzverläufen lernen. Um den Kinderschutz interdisziplinär zu stärken, wird ein telefonisches Beratungsangebot im medizinischen Kinderschutz verankert.