Sehr geehrter Herr Präsident!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Mit dem Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungspositionen gehen wir heute einen historischen Schritt. Warum? Ministerpräsidentin Malu Dreyer hat es deutlich gemacht: Wir haben das wunderbare, wertvolle Grundrecht das in einigen Ländern nicht selbstverständlich ist, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Ich freue mich immer darüber, dass sich mit der deutschen Einheit viele wertvolle Dinge entwickelt haben, insbesondere dass der wertvolle Satz in unserem Grundgesetz verankert wurde, dass der Staat die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördert und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinwirkt.
Genau darum geht es. Es geht nicht um eine Bevorzugung von Frauen. Es geht auch nicht um 'Frauen gegen Männer', sondern es geht darum, dass Frauen keine Nachteile haben sollten und dass wir eine Partnerschaft auf Augenhöhe zwischen Frauen und Männern in allen Lebensbereichen haben.
Die Lebenswirklichkeit sieht aber anders aus. Drei Viertel der berufstätigen Frauen sagen, in der Arbeitswelt gehe es ungerecht zu. Sie beklagen zu Recht vor allem drei Nachteile.
Erstens. Besonders für Frauen ist es immer noch schwierig, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren. Sie spüren die Nachteile in der Arbeitswelt, wenn sie sich für Kinder entscheiden oder wenn sie Angehörige pflegen, obwohl es auch Väter und Söhne von pflegebedürftigen Menschen gibt.
Zweitens. Frauen erleben immer noch, dass sie schlechter bezahlt werden als Männer, übrigens in allen Branchen. Es gibt nicht eine, in der es umgekehrt wäre. Drittens. Frauen erleben immer noch, dass sie Schwierigkeiten haben, in Führungspositionen anzukommen, obwohl viele Mädchen Abitur machen und viele Frauen einen Studienabschluss vorweisen können, übrigens auch in Betriebswirtschaftslehre.
Diese Baustellen müssen wir angehen. Länder und Bund haben hierbei gemeinsam schon vieles erreicht. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie haben wir gemeinsam im vergangenen Jahr mit dem weiteren Kita-Ausbau, mit Elterngeld Plus und mit der Familienpflegezeit verbessert. Wir werden in den nächsten Monaten über ein Gesetz zu mehr Lohngerechtigkeit beraten. Heute gehen wir den Schritt, dass mehr Frauen eine Chance auf Führungspositionen bekommen.
Das Gesetz hält die Balance zwischen klaren staatlichen, politischen Vorgaben und Freiheiten für Unternehmen. In einem Drei-Säulen-Modell machen wir den größten Unternehmen mit den meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die klare Vorgabe von mindestens 30 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten – ohne Ausnahmen. In der zweiten Säule machen wir 3 500 Unternehmen in unserem Land die Vorgabe: Ihr müsst euch im Aufsichtsrat, im Vorstand, in der obersten Managementebene Ziele setzen, könnt aber auf eure Branche und Größe Rücksicht nehmen. In der dritten Säule geht der Bund mit gutem Beispiel voran. Er verpflichtet sich selbst zu konkreten Vorgaben. Sie sind immer noch besser als die der Privatwirtschaft. Das ist aber angesichts der Zahlen nicht wirklich schwierig. Wir sind allerdings schlechter als Länder und Kommunen. Deshalb will der Bund mit gutem Beispiel vorangehen.
Mir war es wichtig, in dem Gesetz auch zu verankern, dass die Gleichstellungspolitik eine Politik für Frauen und Männer sein muss. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir die modernen und fortschrittlichen Männer, die es in unserem Land gibt – es werden immer mehr, es ist noch Luft nach oben –, abholen müssen, zum Beispiel bei der gemeinsamen Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Gleichstellung für Frauen wird es nicht ohne die Männer geben können. Es war mir sehr wichtig, diesen fortschrittlichen Gedanken in das Gesetz aufzunehmen.
Ich möchte mich bei den Ländern sehr herzlich für ihre konstruktive Begleitung und für ihre Unterstützung heute bei der Entscheidung bedanken. Bürgermeister Olaf Scholz hat es angesprochen: Im Bundesrat gab es einen für dieses Gesetz wegweisenden Beschluss. Wir beenden heute eine Debatte, die mehr als 30 Jahre alt ist. 1982 wurde das erste Mal über eine gesetzliche Quote gesprochen. Damals war ich acht Jahre alt. Heute ist es soweit. Wenn ich ein Mann wäre, würde ich vielleicht behaupten, dass ich es allein geschafft hätte. Aber das ist nicht so. Über Länder- und Parteigrenzen hinweg gab es außergewöhnlich viele gemeinsame Bestrebungen, konkrete gesetzliche Vorgaben, die sogenannte Frauenquote, voranzubringen. Das zeigt auch, dass es der Politik mit der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ernst ist. Das ist das wichtige Signal des Gesetzes.
Sehr geehrte Frau Kramp-Karrenbauer, Sie haben auf die Frage hingewiesen, wie wir im internationalen Vergleich dastehen. Ich war Anfang März bei der Frauenrechtskommission der UN in New York. Wir beklagen es, dass nicht ein einziges Land der UN die gleichberechtigte Teilhabe von Männern und Frauen vollständig verwirklicht hat. Dabei gibt es natürlich Unterschiede. Zu meiner eigenen Überraschung haben es gerade die Länder, die viel stärker mit Gewalt, Benachteiligung im Bildungsbereich und mit noch viel größeren Problemen zu kämpfen haben, sehr honoriert, was wir in Deutschland tun. Denn es ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit: Wenn wir uns weltweit für Frauenrechte einsetzen, dann müssen wir hier mit gutem Beispiel vorangehen. Das tun wir. Es wird international gewürdigt, dass Deutschland hierbei eine Vorreiterrolle hat.
Ich will auf zwei Gegenargumente eingehen. Das erste – damit halte ich mich nicht lange auf –: Wir haben die Frauen nicht – bei 40 Millionen Frauen in Deutschland – man darf sich auch international bedienen –, bei vielen Mädchen, die Abitur haben, und vielen Frauen, die einen Studienabschluss haben, trägt dieses Argument nun wirklich nicht mehr.
Das zweite Argument ist, es sei ein Elitenthema. Denn es geht ja um Mandate in Aufsichtsräten. Abgesehen davon, dass auch Frauen in den Eliten vertreten sein müssen, ist das nicht so. Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen: Ein Unternehmen aus der Gruppe der DAX-30-Unternehmen, die jetzt mindestens 30 Prozent Frauen in ihren Aufsichtsräten haben müssen, ist ein Konzern der Gesundheitsbranche, der viele Betriebe und vor allem viele Krankenhäuser in den Ländern hat; dort sind 178 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit beschäftigt, davon 54 000 in Deutschland, zu zwei Dritteln Frauen. Diese Frauen erwirtschaften einen milliardenschweren Umsatz und mehr als 1 Milliarde Euro Gewinn. Wie viele Frauen gibt es im Vorstand? Null! Wie viele Frauen gibt es im Aufsichtsrat? Null! Dort, wo über Lohn und Arbeitsbedingungen der Frauen entschieden wird, die vor Ort Arbeit leisten, gibt es keine Frau. Das zeigt, wie wichtig es ist, dass Frauen auch in den oberen Etagen vertreten sind, damit Frauen auf allen Ebenen Gleichberechtigung erfahren.
Ich darf mich sehr herzlich für Ihre Unterstützung bedanken und freue mich darauf, dass wir in den nächsten Monaten über ein weiteres Gesetz zu dem Thema 'gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in der Arbeitswelt' intensiv beraten werden. – Herzlichen Dank.