Vor allem der Ausbau der Kindertagesbetreuung und das Elterngeld stärken Frauen nachweislich wirksam in ihrer Erwerbstätigkeit. Es gibt jedoch auch entgegenwirkende gesetzliche Maßnahmen und Leistungen. Zudem leisten Frauen noch immer deutlich mehr Care-Arbeit für Familie, Pflege und Haushalt als Männer - der Gender Care Gap beträgt 44,3 Prozent. Infolgedessen sind Chancen im Beruf und für die wirtschaftliche Eigenständigkeit noch ungleich verteilt: Jede zweite abhängig beschäftigte Frau in Deutschland arbeitet in Teilzeit, und Frauen erwirtschaften im Lebensverlauf nur gut halb so viel Erwerbseinkommen wie (statistisch vergleichbare) Männer.
Große Bedeutung wirtschaftlicher Eigenständigkeit
Die substanzielle Erwerbstätigkeit in möglichst langen Lebensphasen ist zugleich der Schlüssel zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Eigenständigkeit, und diese ist Männern wie Frauen sehr wichtig.
Befragungen zeigen aber auch: Gut der Hälfte der Befragten gelingt die Eigenständigkeit nicht wie gewünscht. Es gibt einen hohen Bedarf an Orientierungswissen darüber, welche Wirkungen Entscheidungen in unterschiedlichen Lebensstationen auf die eigene Eigenständigkeit haben. Dies ist ein zentrales Ergebnis des partizipativen Projekts "Wirtschaftliche Eigenständigkeit im Laufe des Lebens" des Bundesgleichstellungsministeriums mit dem Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) des Fraunhofer IAO.
Digitale Lebenskarte unterstützt Wege zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit
Im Austausch mit Bürgerinnen und Bürgern, Expertinnen und Experten und Akteurinnen und Akteuren ist daher 2024 die digitale "Lebenskarte Eigenständigkeit - zum Vorausschauen und Nachrechnen" entwickelt worden. Sie unterstützt Frauen wie Männer dabei, in den entscheidenden Lebensstationen ihren Weg zur wirtschaftlichen Eigenständigkeit zu finden - wie etwa bei der Berufswahl, der Eheschließung, Familiengründung, Trennung oder der Altersvorsorge. Rechner und Informationen unterstützen bei Entscheidungen, um das eigene Einkommen, die finanzielle Absicherung und Altersvorsorge dauerhaft zu verbessern und ermutigen, auch neue Entscheidungen zu treffen, wenn es darauf ankommt. Alle Ergebnisse des Projekts und interessante Studienergebnisse finden sich auf der Website "Wirtschaftliche Eigenständigkeit im Laufe des Lebens".
Frauen wie Männern darin zu unterstützen, wirtschaftlich eigenständig zu sein, ist damit zum Kernziel der Politik der Bundesregierung für die ökonomische Gleichstellung geworden (Jahreswirtschaftsbericht 2024, S. 134). Auch die Kommission für den Zehnten Familienbericht empfiehlt die Förderung der wirtschaftlichen Eigenständigkeit von Müttern wie Vätern als ein zentrales Ziel einer zukunftsorientierten Familienpolitik.
Erwerbstätigkeit und Partnerschaftlichkeit gehören zusammen
Die partnerschaftliche Aufteilung familiärer Aufgaben wie Kinderbetreuung oder Pflege ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Frauen und Männer ihre wirtschaftliche Eigenständigkeit sichern. Dafür braucht es Rahmenbedingungen, die beiden Elternteilen oder pflegenden Angehörigen eine vollzeitnahe Erwerbstätigkeit auch in Care-Phasen erleichtern.
Ein Leistungssystem, das partnerschaftliche Arbeitsteilung und lohnende Erwerbstätigkeit für Frauen und Männer ermöglicht und sie in ihrer wirtschaftlichen Eigenständigkeit stärkt, trägt dadurch auch zu Wohlstand und einer resilienten Gesellschaft bei. Dies belegen zwei aktuelle Studien im Auftrag des Bundesgleichstellungsministeriums, die die makroökonomischen und gesamtgesellschaftlichen Potentiale der wirtschaftlichen Gleichstellung von Frauen und Männern beschreiben und konkret beziffern:
- Prof. Tom Krebs, Ph.D.: "Gesamtwirtschaftliche und fiskalische Auswirkungen verbesserter Rahmenbedingungen zur Gleichstellung der Frauen"
- Dr. Dagmar Weßler-Poßberg, Dr. Claire Samtleben, Evelyn Stoll (Prognos AG): "Frauenerwerbstätigkeit und ökonomische Gleichstellung: volkswirtschaftliche und gesellschaftliche Dimensionen"
Strategierahmen für die ökonomische Gleichstellung 2030
Im "Strategierahmen für die ökonomische Gleichstellung 2030", der die erste Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung weiterentwickelt, formulieren namhafte Autorinnen und Autoren grundlegende Erkenntnisse für eine zukünftige Politik für die wirtschaftliche Gleichstellung der Zukunft. Der Strategierahmen zeigt, dass weitere Anpassungen der Rahmenbedingungen zugunsten der wirtschaftlichen Eigenständigkeit, insbesondere von Frauen, notwendig sind. Dazu zählen Investitionen in die Bildungs-, Betreuungs- und Pflegeinfrastruktur, die Stärkung der substanziellen Erwerbstätigkeit bei gleichberechtigter Aufteilung von Care-Arbeit sowie Reformen im Steuer-, Sozial- und Transfersystem.
Gesellschaftliches Engagement für mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit
Viele Verbände und Organisationen setzen sich bereits für mehr wirtschaftliche Eigenständigkeit und eine gleichberechtigte Verteilung von Care-Arbeit ein. Das Bundesgleichstellungsministerium fördert seit 2020 die Koordinierungsstelle des Bündnisses "Sorgearbeit fair teilen" aus 32 Organisationen aus Kirchen, Gewerkschaften, Frauen-, Männer-, Familien- und Sozialverbänden, Selbsthilfeinitiativen und Stiftungen. Dabei rücken sie das Thema "Wirtschaftliche Eigenständigkeit" in seinem Zusammenhang mit einer partnerschaftlichen Aufgabenteilung in den Fokus.
Das vom Bundesgleichstellungsministerium geförderte Projekt "Was verdient die Frau? Mehr Geld, Zeit und Respekt!" des Deutschen Gewerkschaftsbundes setzt die wirtschaftliche Eigenständigkeit von Frauen auf die betriebliche Agenda. Mit reichweitenstarken Social Media-Beiträgen, digitalen Werkzeugkästen und einem Netzwerk sensibilisiert das Projekt junge Frauen für die Bedeutung der Erwerbsbiografie für die wirtschaftliche Eigenständigkeit in den Betrieben.