Menschen mit Behinderungen sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Gewalt in verschiedenen Lebensbereichen zu erfahren. Im Hinblick auf den Schutz vor Gewalt sind sie strukturell und rechtlich in einer besonders schwierigen Lage, vor allem wenn sie in Einrichtungen der Behindertenhilfe leben und arbeiten.
Aus diesem Grund hat das Institut für empirische Soziologie (IfeS) im Auftrag des Bundesfamilienministeriums und des Bundesarbeitsministeriums eine Studie zu Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen in Einrichtungen durchgeführt. Sie umfasst stationäre und ambulante Betreuungssettings, aber auch sexuelle Belästigung und Gewalt in Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM).
Die Abschlussberichte in Kurz- und Langfassung enthalten die Ergebnisse der quantitativen und qualitativen Befragungen sowie Handlungsempfehlungen und Beispiele guter Praxis zur Verbesserung des Gewaltschutzes.
Erstmals wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse
Ziel der Studie war es, erstmals für Deutschland wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zum Ausmaß und zur Betroffenheit von sexueller Belästigung und Gewalt sowohl von Beschäftigten in Werkstätten für behinderte Menschen als auch von Menschen mit Behinderungen in ihren jeweiligen Wohn- und Betreuungssituationen zu ermitteln und Ansatzpunkte für einen wirkungsvollen Gewaltschutz in Werkstätten für behinderte Menschen zu finden. Die Auswertung der Befragung zeigt Folgendes:
- Mehr als ein Viertel der Werkstattbeschäftigten (26 Prozent) hat in den letzten drei Jahren sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erlebt, davon Frauen (37 Prozent) mehr als doppelt so häufig wie Männer (15 Prozent).
- Die Vernetzung mit externen Beratungs- und Unterstützungsangeboten wurde in allen untersuchten Werkstätten für behinderte Menschen als gering eingeschätzt.
- Männer sind in ambulanten und stationären Betreuungssettings häufiger von körperlichen Übergriffen betroffen (20 Prozent) als Frauen (13 Prozent), während Frauen häufiger sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt erleben.
- Es wurden Lücken im Hinblick auf das Empowerment der Betreuten selbst beschrieben. Insbesondere von Frauen wurde der Wunsch nach einem besseren Angebot an Selbstverteidigungs- und Selbstbehauptungskursen geäußert.
Im Rahmen der aktuellen Studie wurden rund 400 Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen und rund 1000 Personen in verschieden Wohnformen an 20 Standorten befragt sowie Fokusgruppendiskussionen mit Menschen mit Behinderungen, Betreuungs- und Leitungskräften durchgeführt. Darüber hinaus wurden Beispiele guter Praxis dokumentiert und Empfehlungen für weitergehende Maßnahmen gegeben.