Das bundesweite Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" ist eine wichtige erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen, gerade in Zeiten von Corona. Rund um die Uhr sind die Beraterinnen des Hilfetelefons erreichbar. Im Jahr 2020 führten sie 51.407 Beratungen durch - das entspricht einem Anstieg von 15 Prozent im Vergleich zu 2019. Dabei nahmen die Anfragen zu häuslicher Gewalt überproportional zu: Alle 22 Minuten fand im vergangenen Jahr eine Beratung dazu statt. Das ist ein zentrales Ergebnis des Jahresberichts 2020 des Hilfetelefons, der am 10. Mai veröffentlicht wurde.
Bundesfrauenministerin Franziska Giffey:
"Das Hilfetelefon 'Gewalt gegen Frauen' ist für viele Frauen zum Rettungsanker geworden. Jedes Jahr steigt die Bekanntheit und steigen somit auch die Beratungszahlen. Trotz der aktuell besonders schweren Bedingungen haben wir alles unternommen, um den Betrieb des Hilfetelefons auch in der Pandemie aufrecht zu erhalten. Ich danke den Beraterinnen sehr für ihre wichtige Arbeit, ihren Einsatz und ihre Ausdauer in dieser anspruchsvollen Zeit. Auffällig ist, dass die Gespräche im letzten Jahr intensiver geworden sind. Dies bestätigt die große Bedeutung des Hilfetelefons. Die hohe Zahl an Beratungen macht deutlich, wie groß der Hilfebedarf ist, wenngleich wir von einem noch größeren Dunkelfeld bei Gewalttaten gegen Frauen ausgehen müssen. Unser Ziel ist es, die Angebote für Frauen in Not zu erweitern, deutschlandweit auf das Ausmaß von Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen und Menschen im Umfeld zum Handeln zu ermutigen."
Edith Kürten, Präsidentin des Bundesamts für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, bei dem das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" angesiedelt ist, betonte:
"Wir sind froh, dass wir das Beratungsangebot das ganze Jahr über in gewohntem Umfang gemäß unserem gesetzlichen Auftrag aufrechterhalten konnten. So konnten wir betroffenen Frauen auch in dieser schwierigen Zeit zur Seite stehen. Trotz aller Herausforderungen hat die Pandemie auch eine positive Auswirkung. Gewalt gegen Frauen ist im Zuge des Lockdowns noch stärker in den öffentlichen Fokus gerückt. Mit dem Ergebnis, dass zahlreiche Menschen, Organisationen, Kommunen und Unternehmen die Bekanntmachung des Angebotes im vergangenen Jahr tatkräftig unterstützt haben."
Petra Söchting, die Leiterin des Hilfetelefons "Gewalt gegen Frauen" erklärte:
"In der Corona-Krise hat sich einmal mehr gezeigt, wie wichtig unser Beratungsangebot mit seiner verlässlichen Erreichbarkeit als erste Anlaufstelle für gewaltbetroffene Frauen ist. Unter den speziellen Rahmenbedingungen der Pandemie hat das Hilfetelefon 'Gewalt gegen Frauen' seine Lotsenfunktion ins Hilfesystem jedoch nur eingeschränkt wahrnehmen können, da höhere Hürden bei der Nutzung örtlicher Hilfsangebote bestanden: Einrichtungen des Unterstützungssystems für gewaltbetroffene Frauen waren schwerer erreichbar beziehungsweise standen nur eingeschränkt zur Verfügung. Ratsuchende wandten sich mit ihrem Anliegen mitunter wiederholt an die Beraterinnen des Hilfetelefons."
Kernergebnisse des Jahresberichts 2020
- Mit dem pandemiebedingten Lockdown sind die Beratungskontakte des Hilfetelefons ab Ende März 2020 deutlich angestiegen und seitdem auf einem hohen Niveau geblieben.
- Die Gespräche mit den Beraterinnen fanden um 20 Prozent häufiger zum Thema häusliche Gewalt statt.
- Akute Krisen und Verletzungen in konkreten Gefährdungssituationen mehrten sich, sodass die Beratungen zeitintensiver waren und in vielen Fällen sofortige Hilfe über die Polizei oder Rettungskräfte organisiert werden musste.
- Um 21 Prozent stieg auch die Anzahl von Menschen aus dem sozialen Umfeld betroffener Frauen, die Rat und Unterstützung beim Hilfetelefon suchten.
- Viele berichteten, dass sie seit dem Lockdown durch die Pandemie mehr Zeit zuhause verbringen und dadurch häufiger Zeuginnen oder Zeugen von Gewaltausbrüchen in der Nachbarschaft werden.
- Die Nachfrage an fremdsprachlicher Beratung stieg um 25 Prozent, was eine schwierigere Situation von Frauen mit Migrationserfahrung in der Pandemie vermuten lässt.
- Die Beratungen per E-Mail oder Chat stiegen um 15 Prozent. Gerade bei häuslicher Enge und Isolation stellen Online-Kontaktwege eine wichtige Alternative zum Telefon dar.
- Zudem meldeten sich mehr Menschen, die nicht von Gewalt betroffen waren, aber mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen hatten. Für die Beraterinnen stellte dies eine besondere Herausforderung dar.
Hilfetelefon wird immer bekannter
Ein unmittelbarer Rückschluss von gestiegenen Beratungszahlen beim Hilfetelefon auf die tatsächliche Zunahme von häuslicher Gewalt während der Corona-Krise kann allerdings nicht gezogen werden. Belastbare Daten, wie sich das bundesweite Aufkommen von Gewalt gegen Frauen verändert hat, liegen bislang nicht vor. Auf Grundlage der polizeilichen Kriminalstatistik für das Jahr 2020 ergeben sich erste Hinweise, wonach die Zahl der polizeilich bekannt gewordenen Fälle häuslicher Gewalt in 2020 leicht gestiegen ist; eine detaillierte Auswertung steht noch aus. Während der Pandemie hat das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" eine erhöhte Medienpräsenz erzielt. Die gestiegene Bekanntheit sorgte vermutlich für mehr Kontaktaufnahmen - eine Entwicklung, die auch weiterhin erwartet wird.
Seit dem Start im März 2013 wurde insgesamt rund 281.000 Mal per Telefon, E-Mail oder Chat beraten. Über 158.000 von Gewalt betroffene Personen haben das niedrigschwellige Angebot genutzt.
Über das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"
Das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" richtet sich an gewaltbetroffene Frauen, an Menschen aus ihrem sozialen Umfeld und an Fachkräfte. Es berät kostenfrei, anonym und vertraulich zu allen Formen von Gewalt - ob Gewalt in der Partnerschaft, Mobbing, Stalking, Zwangsheirat, Vergewaltigung oder Menschenhandel. Über 80 qualifizierte Beraterinnen helfen unter der Telefonnummer 08000 116 016, per E-Mail oder Sofort- beziehungsweise Termin-Chat auf www.hilfetelefon.de. Auf Wunsch vermitteln die Beraterinnen an Unterstützungseinrichtungen vor Ort. Das bundesweite Angebot ist rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr erreichbar. Bei Bedarf kann die Beratung in 17 Fremdsprachen, in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache erfolgen.