BUNTE Lisa Paus: Musikbranche muss sich mit Sexismus ernsthaft auseinandersetzen

Porträt Lisa Paus von der Seite
Bundesfrauenministerin Lisa Paus © Laurence Chaperon

BUNTE: Was war Ihr erstes Gefühl, als Sie von den Vorwürfen gegen Rammstein hörten?

Lisa Paus: Ich war erschrocken und besorgt. Weil nicht nur Einzelfälle geschildert wurden, sondern die Berichterstattung den Eindruck eines Systems erweckt. Das muss restlos aufgeklärt werden. Auch wenn keine Vorverurteilungen erfolgen dürfen, bin ich den mutigen Frauen dankbar, dass jetzt darüber gesprochen wird und die Aufklärung beginnt. Gut so. Es ist notwendig, dass sich auch die Musikbranche mit Sexismus ernsthaft auseinandersetzt. Sexismus kommt in allen Lebenslagen vor und ganz besonders auch da, wo viele Menschen zusammenkommen und vielleicht auch Alkohol und Drogen im Spiel sind. Es muss sich endlich etwas ändern.

BUNTE: Sie haben sofort Position für die Frauen bezogen, jetzt tritt die deutsche Musikindustrie dem Bündnis "Gemeinsam gegen Sexismus" bei, das unter dem Dach Ihres Ministeriums ist.

Lisa Paus: Das ist wirklich großartig, in jeder Krise steckt auch immer eine Chance. Das Bündnis gegen Sexismus ist ein Zusammenschluss aus Politik, Wirtschaft, Verwaltung, Medien, Kultur und Zivilgesellschaft, mit dem wir auf das Problem aufmerksam machen und sensibilisieren. Der Bundesverband der Konzertveranstalter geht mit dem geplanten Beitritt eine Selbstverpflichtung im Kampf gegen sexuelle Belästigung ein und erhält dafür konkrete Hilfestellungen.

BUNTE: Haben Sie viel Zustimmung für Ihr Eingreifen erfahren?

Lisa Paus: Ja, diese Zustände, wenn sie sich so ereignet haben, sind untragbar. Die wichtige #MeToo-Debatte aus der Filmwirtschaft ist bislang offenbar in der Musikindustrie nicht in Gänze angekommen.

BUNTE: Nähe zwischen Stars und Groupies hat es immer gegeben, wo beginnt der Missbrauch?

Lisa Paus: Die entscheidende Frage ist doch: Wie geht man im Musik-Business mit dem Machtgefälle um? Dazu kommt, dass Alkohol und Drogen oft die Hemmschwelle bei Tätern senken und Opfer orientierungslos machen. Wichtig ist, dass die Konzerte sicher ablaufen, und zwar für alle Besucher und Besucherinnen. Deshalb habe ich Awareness-Teams angeregt, die darauf achten. Einige große Musikfestivals haben bereits Ansprechpartnerinnen bei sexuellen Übergriffen, über Apps kann schnelle Hilfe angefordert werden. Auch Schutzbereiche für Frauen bei Konzerten halte ich für sinnvoll.

BUNTE: Im Jahr 2023 muss man also Frauen schützen.

Lisa Paus: Die Rahmenbedingungen müssen so sein, dass sich keine Frau unwohl fühlt oder Sorgen machen muss. Leider muss immer erst was passieren, damit sich etwas zum Besseren ändert. 

BUNTE: Waren Sie von der toxischen Männlichkeit überrascht, die da enthüllt wurde?

Lisa Paus: Ich laufe mit offenen Augen durch die Welt. Wichtig ist, dass das nicht mehr unter den Teppich gekehrt wird. Und die Stars und die Veranstalter sich ihrer Verantwortung bewusst sind. Frauen sind kein Freiwild.

BUNTE: Waren Sie schon mal auf einem Rammstein-Konzert?

Lisa Paus: Nein, aber ich mag Rockmusik in allen Formen, auch wenn die Texte von Rammstein sicher nicht meine Sache sind. Aber das ist Geschmackssache. Begeisterung für Musiker verstehe ich. Ich habe auch mal die Beatles angehimmelt.