Projektbesuch Wenn aus Paten Freunde werden

Frau und Mann sitzen am Schreibtisch und lächeln in die Kamera
Patenschaften sind eine gute Sache finden Bejan Rasoul und Thomas Bitter. Weil beide Seiten voneinander lernen © privat

"Das Wichtigste ist, dass ich gelernt habe, wieder Vertrauen zu den Menschen zu haben." Bejan Rasoul (22) überlegt nicht lange, wenn sie beschreiben will, was die Patenschaft für sie bedeutet. Die junge Kurdin ist vor 18 Monaten aus Syrien geflohen. Ihre Erfahrungen während der Flucht ließen sie daran zweifeln, ob sie sich jemals wieder auf andere Menschen einlassen könnte. Doch es kam anders - und das liegt vor allem am engen Kontakt zu ihrem Paten Thomas Bitter. Er unterstützt sie beim Deutsch lernen, im Umgang mit den Behörden und dem üblichen Papierkram. Er hat ihr auch geholfen, eine Wohnung für sich und ihre Familie zu finden. Mit dem Programm "Menschen stärken Menschen" fördert das Bundesfamilienministerium solche Patenschaften zwischen hier lebenden und geflüchteten Menschen.

Unterschiede als Chancen sehen

"Das erste Mal allein einen Kaffee bestellen zu können war ein tolles Gefühl", sagt Bejan Rasoul. "Ein erster Schritt in ein selbstständiges Leben!" Sie freut sich darüber, dass Thomas Bitter sie auch mit seinem Freundeskreis bekanntgemacht hat: "Wir treffen viele nette Leute und unternehmen etwas zusammen. So kann ich mein Deutsch verbessern, Spaß haben und Freunde finden."

Thomas Bitter stimmt ihr zu. Durch das Patenschafts-Tandem mit Bejan Rasoul hat er für sich selbst viel dazugewonnen: "Ich hatte nie Kontakt zu Menschen aus dem arabischen Kulturkreis und war anfangs eher skeptisch. Inzwischen weiß ich, dass die Patenschaften eine gute Sache sind. Weil beide Seiten voneinander lernen." Hin und wieder hakt es wegen kultureller Unterschiede, doch Thomas Bitter versteht sie als Chancen. Sein Blick auf Geflüchtete hat sich durch die Patenschaft verändert: "In Bejan sehe ich nicht die 'Geflüchtete' oder die 'Migrantin'. Ich sehe in ihr vor allem einen Menschen, der nie aufgibt und mit persönlicher Stärke und Durchhaltevermögen anderen Geflüchteten ein Vorbild sein kann."

Thomas Bitter setzt sich nicht nur privat als Pate ein. Als Projektkoordinator des Patenschaftsprogramms beim Polnischen Sozialrat in Berlin unterstützt er auch viele andere Patenschaften. Der Polnische Sozialrat ist lokaler Partner der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), die mit ihrem Projekt "Gemeinsam. Schaffen. Patenschaften für das WIR der Verschiedenen" bundesweit Migrantenorganisationen bei der Bildung von Patenschaften unterstützt. Die TGD hat dieses Projekt als Teil des Programms "Menschen stärken Menschen" aufgelegt.

Thomas Bitter hat Bejan Rasoul einen Stelle im Bundesfreiwilligendienst beim Polnischen Sozialrat angeboten. In der Beratung kann sie sich als Wegweiserin für andere geflüchtete Menschen einsetzen: Sie hilft bei Übersetzungsarbeiten für Arabisch und Kurdisch und betreut den Stammtisch des Programms "Gemeinsam. Schaffen". Neben ihrem Bundesfreiwilligendienst setzt sich Bejan Rasoul auch in ganz praktischen Dingen ein und organisiert zum Beispiel Schwimmkurse für geflüchtete Frauen beim Deutschen Roten Kreuz. "Bejans Engagement motiviert auch mich immer wieder neu", erklärt Thomas Bitter.

Bundesprogramm "Menschen stärken Menschen"

Im Bundesprogramm "Menschen stärken Menschen" fördert das Bundesfamilienministerium seit Anfang 2016 insgesamt 23 zivilgesellschaftliche Programmträger, die Patenschaften für Geflüchtete in über 500 lokalen Strukturen umsetzen. Seit Beginn des Programms konnten knapp 40.000 Patenschaften (Stand Oktober 2017) gestiftet werden. Die Patenschaften reichen von niedrigschwelliger Alltagsbegleitung oder der Heranführung an die neue Umgebung über Hausaufgabenbetreuung bis hin zu hochwertigen Bildungsmentorenschaften zur Sicherung von Schulabschlüssen.